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Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschland hat eine neue Regierungskoalition, aus CDU, CSU und SPD. Aber wie wird sie heißen? GroKo, also Große Koalition, geht ja angesichts der Wahlergebnisse nicht mehr. In den vergangenen Tagen kursierten Vorschläge wie SchwoKo, Blackrot oder – wie einer meiner Kollegen heute morgen vorschlug: KloKo – für Kleine Koalition.

Wir wollen Ihre kreativen Vorschläge sammeln: Wie soll unsere neue Regierung heißen? Schreiben Sie uns Ihren Vorschlag hier.

Natürlich dreht sich auch das Thema des Tages um die neue Regierung – konkret ums Wollen und ums Werden. Also um die Frage: Wie viel von dem, was im Koalitionsvertrag angekündigt wird, kann auch finanziert und umgesetzt werden?

Außerdem heute im SPOTLIGHT: Donald Trump hat eine neue 180-Grad-Wende in der Zollpolitik gemacht – er will momentan offenbar wirtschaftlichen Frieden mit der EU, während er gegen China komplett auf Konfrontationskurs geht.

Welche Erwartungen haben Sie an die neue Regierung? Schreiben Sie unserer Leserreporterin: jule.scharun@correctiv.org.

Thema des Tages: Land unter „Finanzierungsvorbehalt“

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Faktencheck: Erfundenes Gesetz: Supermärkte müssen keine Halal-Abteilungen einrichten

Gute Sache(n): Was bietet der Koalitionsvertrag Jugendlichen? • E-Autos parken für 3 Stunden kostenlos • US-Zölle in der Geschichte: Fatale Entscheidungen

CORRECTIV-Werkbank: In Serbien formierte sich ein beeindruckendes Beispiel von Bürgerjournalismus

Grafik des Tages: So ungleich sind die Vermögen in Deutschland verteilt

Unter Verantwortung verstehen die Koalitionäre vor allem: Sie wollen die Wirtschaft stärken. Über Verantwortung für andere Zukunftsbereiche (Stichwort Klimawandel) ist im Papier nämlich wenig Erbauliches zu lesen. Auf die Pläne fürs Klima gehen wir in den kommenden Tagen noch ausführlicher ein.

Ist es eine SchoKo? Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) gestern bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Wie aber genau soll das gehen? Was ist mit dem „Finanzierungsvorbehalt“ gemeint, über den heute alle sprechen? Und warum diese Zaghaftigkeit, wo doch in den kommenden Jahren unter anderem eine halbe Billion Euro für Investitionen in unsere Infrastruktur locker gemacht werden soll?

Wie die Wirtschaft gestärkt werden soll
Die neue Regierung will „Anreize“ schaffen, hierzulande Firmen zu gründen und zu betreiben. Unter anderem (siehe Seite 45 im Vertrag, falls Sie genauer nachlesen mögen), indem Unternehmen deutlich mehr Ausgaben als bisher abschreiben dürfen sollen.

Ein anderer Punkt, der den Koalitionspartnern besonders wichtig ist: die Senkung der Körperschaftssteuer. Also der Steuer auf das Einkommen von Unternehmen und Kapitalgesellschaften. Sie soll schrittweise gesenkt werden – allerdings nicht am sofort, sondern erst ab dem Jahr 2028.

Das lässt aufhorchen: Warum erst dann?

Vom Werden und Wollen
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte gestern:

„Sie werden im Vertrag sehr wenige Formulierungen mit ‘Wir werden’ finden, stattdessen deutlich mehr Formulierungen mit ‘Wir wollen’.“
Lars Klingbeil
SPD-Chef

Er meint damit: Ein großer Teil der angekündigten Pläne stehe unter „Finanzierungsvorbehalt“ – nicht nur der Pläne für die Wirtschaft, sondern auch jener für Privatleute. Zum Beispiel die Ankündigung, die Einkommensteuer für Leute mit kleinem und mittleren Einkommen zu senken.

Warum nicht sicher ist, dass sich die Pläne finanzieren lassen
Das verwundert, wo doch der alte Bundestag kürzlich noch das riesige Infrastruktur-Sondervermögen und Milliarden für die Aufrüstung beschloss. Es schien klar, dass die neue Regierung die erste seit Jahrzehnten ist, die nicht mehr sparen, sparen, sparen muss, sondern stattdessen mit vollen Händen Geld ausgibt.

Der Widerspruch erklärt sich so:

Gerade weil für Rüstung und Infrastruktur so viel Geld rausgehauen wird, wollen die Koalitionäre an anderer Stelle Ausgaben kürzen – um nicht am Ende als unverantwortliche Geldverschwender dazustehen. Auch das steht im Koalitionsvertrag (auf Seite 51): Alle staatlichen Ausgaben sollen demnach auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.

Aber was ist notwendig und was nicht?
Das liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. Für die neue Koalition ist klar, dass unter anderem hier gespart werden soll: 

  • an Schutzsuchenden aus der Ukraine, die bald kein Bürgergeld mehr beziehen sollen, sondern (wie andere Geflüchtete) nur noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz,
  • bei Leistungen für Bürgergeldbeziehende insgesamt,
  • in den Bundesbehörden, wo fast jeder zehnte Mitarbeitende gestrichen werden soll,
  • bei Ausgaben für externe Berater,
  • bei Förderprogrammen – unter anderem solchen für Klimaschutzprojekte.

SPD-Gruppe empfiehlt Ablehnung des Koalitionsvertrags 
Die SPD-Arbeitsgruppe für Migration und Vielfalt rät den Parteimitgliedern der SPD dazu, dem Koalitionsvertrag nicht zuzustimmen. Einige Vorhaben im Bereich Migrationspolitik seien rechtlich fragwürdig, so die Arbeitsgruppe der SPD. Bis zum 29.April haben die Mitglieder der SPD Zeit, über den Koalitionsvertrag abzustimmen. 
t-online 

Hamburg: Investor des Elbtower droht mit Rückzug 
950 Millionen Euro soll der Bau des Elbtowers kosten. Es fehlen allerdings noch rund 400 Millionen Euro. Die Stadt Hamburg hat von Beginn an eine Beteiligung zur Finanzierung des Elbtower ausgeschlossen. Investor Klaus-Michael Kühn droht nun indirekt seinen Rückzug an. 
rnd.de

Recherche: Passwörter deutscher Politiker landen im Darknet 
Laut einer Recherche des Spiegel sind die Kennwörter von mehreren Dutzend Landtagsabgeordneten in kriminellen Foren gelandet. Der Grund dafür sind E-Mail-Adressen, die es eigentlich Bürgern ermöglichen sollen, ihre Abgeordneten zu kontaktieren. Diese Adressen erleichtern Hackern die Arbeit. 
spiegel.de/golem.de

Fleisch auf einem Holzbrett, davor ein Schild auf dem Halal steht
Foto: Michael Bihlmayer / Chromorange / Picture Alliance

So geht’s auch
Seit diesem Monat können Fahrzeuge mit E-Kennzeichen bayernweit auf öffentlichen Parkplätzen drei Stunden kostenlos parken. Der Freistaat möchte so  E-Mobilität attraktiver zu machen.
br.de 

Fundstück
Hin und her und wieder zurück. Im Zollstreit bleibt Donald Trump seiner Linie treu – unvorhersehbar. Doch er ist nicht der erste US-Präsident, der auf Protektionismus setzt. Der Blick in die Geschichte zeigt: Diese Politik kann furchtbar schief gehen – und das Präsidentenamt kosten.
morgenpost.de

Autor Box Jean Peters

Die offizielle Aufarbeitung stockt. Dafür übernimmt die Zivilgesellschaft. Heute geht eine Plattform online, die über 3.000 Zeugenaussagen visualisiert: Wann Menschen was gehört, gespürt, gesehen haben. Wo sie in Panik gerieten. Ob sie einen Windstoß bemerkten oder einen dumpfen Knall. Das alles wird räumlich zuordenbar auf einer komplexen Visualisierung dargestellt.

Hinter dem Projekt steht eine beeindruckende Allianz aus serbischen NGOs, unabhängigen Medien und internationalen Journalisten – ein digitales Recherchekollektiv in einem autoritären Umfeld.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Sebastian Haupt und Jule Scharun.