Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

Anfang dieser Woche waren sie schon einmal Thema im SPOTLIGHT: die neuen scharfen Grenzkontrollen, die Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordnet hat. Wir hatten aufgezeigt, dass sich diese Kontrollen schon rein organisatorisch nicht lange durchhalten lassen werden. Heute geht es im Thema des Tages weiter: Leserinnen und Leser schildern, warum das System äußerst löchrig ist.

Außerdem lesen Sie heute:

In der „Leserfrage der Woche“ beantwortet Jule Scharun, warum in Stuttgart Chemikalien in den Neckar eingeleitet werden dürfen. 

In der „Werkbank“ zeigt Justus von Daniels auf, weshalb es uns alle angeht, dass die US-Eliteuni Harvard keine ausländischen Studenten mehr annehmen darf. 

Und für die „Grafik des Tages“ hat Bildungsreporterin Anna Ernst recherchiert: Wo in Deutschland gibt es kostenloses Schulessen, wo nicht und warum nicht? Spoiler: Obwohl viel dafür spricht, gibt es dieses Angebot nur an einem Ort im Land.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende – und schreiben Sie mir gern: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Löchrige Grenzkontrollen

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Leserfrage der Woche: Warum darf ein Unternehmen schädliche Chemikalien in den Neckar leiten?

CORRECTIV Events: Hier können Sie uns treffen

Faktencheck: Stichwahl in Rumänien: Kein „wundersamer Zuwachs“, aber höhere Wahlbeteiligung

Gute Sache(n): Medizinische Codes auf der Überweisung verstehen • Anhören: 16-Jähriger wehrt sich gegen Querdenker – so geht es ihm jetzt • Pinguinkot kann Antarktis-Erwärmung entgegenwirken

CORRECTIV-Werkbank: Streit um Harvard: Trump kopiert Orbáns Strategie

Grafik des Tages: Nur ein Bundesland mit kostenlosem Mittagessen für Schulkinder

Autostau auch am deutsch-französischen Grenzübergang bei Kehl – aufgenommen vor zwei Tagen. Quelle: picture alliance / onw-images | Philipp André

Diese Schlangen, schreibt sie, hielten nicht nur die Privatleute und den Warenverkehr auf, sondern schienen auch nicht sonderlich zielführend:

„Ein Fahrzeug wurde zur Kontrolle rausgezogen, alle anderen einfach durchgewunken.“
Uta M.
SPOTLIGHT-Leserin

Einfach woanders entlang gehen:
Markus V. aus Winterthur in der Schweiz schilderte uns seine Erfahrungen, und die seines Bekanntenkreises, bei Grenzübertritten aus der Schweiz nach Deutschland: Fahre man etwa mit dem Zug von Zürich nach Konstanz, könne man beim Ausstieg in Konstanz entweder den vorderen oder den hinteren Ausgang nutzen.

An einem stünden Grenzpolizisten, am anderen nicht.

Was Angela Merkel zum Thema sagt:
Die Ex-Kanzlerin äußert sich nur sehr selten zum aktuellen politischen Geschehen. Anlässlich der Grenzkontrollen machte sie jetzt eine Ausnahme: Merkel sagte:

„Ich glaube nicht, dass wir die illegale Migration an der deutsch-österreichischen oder deutsch-polnischen Grenze abschließend bekämpfen können.“
Angela Merkel
Bundeskanzlerin a.D.

Ein solcher Alleingang gefährde vielmehr den Zusammenhalt Europas – sie halte es für zielführender, gemeinsam die EU-Außengrenzen zu überwachen.

Was das Ganze kostet:
Wir hatten bereits beschrieben, dass die Grenzkontrollen die Bundespolizei personell an ihre Grenzen bringen. Jetzt gibt es auch erste Anhaltspunkte, was sie kosten:

Die Grünen-Fraktion im Bundestag hatte die neue Bundesregierung um eine Aufschlüsselung der Kosten gebeten. Jetzt gibt es eine Antwort. Demnach würden in einem halben Jahr rund 50 Millionen Euro an Kosten anfallen: für zusätzliche Arbeitsstunden für Bundespolizisten, deren Verpflegung und Unterbringung, die Miete für Container, in denen Grenzkontrollstationen untergebracht sind und anderes.

Die 50 Millionen sind allerdings noch nicht der vollständige Preis, den wir mit Steuergeld zahlen, denn in der Berechnung sind nicht die Einsätze an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz enthalten.

Was das Ganze bringt?
Innerhalb der ersten sieben Tage wurden laut Dobrindt 739 Menschen zurückgewiesen. In der Woche vor den verschärften Grenzkontrollen waren es 511. Ob sich dafür der Aufwand lohnt?

Auch hier gilt unser Motto: Das muss jeder Beobachter des Nachrichtengeschehens für sich selbst entscheiden.

Und dann ist da noch die Frage …
… gibt es bei den neuen Grenzkontrollen „Racial Profiling“? Werden also vor allem Leute kontrolliert, die „ausländisch“ aussehen? Unsere Reporterin Anna Ernst hat vor ein paar Jahren mal eine Reportage über ähnliche Grenzkontrollen geschrieben und dies erlebt:

„Ich saß mit Schleierfahndern der bayerischen Polizei gemeinsam im Dienstwagen: An der tschechisch-bayerischen Grenze suchten sie damals vor allem nach Drogen wie Crystal Meth, Waffen und gestohlenen Autos.

Vom Rücksitz aus erlebte ich mit, wie die beiden Fahnder die Gesichter vorbeifahrender Autofahrer musterten, Nummernschilder am Laptop überprüften. Sie hatten das Recht, jeden ohne weitere Begründung anzuhalten, Autos zu durchsuchen und Menschen bis auf die Unterhose und tiefer (Stichwort Körperschmuggel) zu durchsuchen. Damals hieß es, man würde vor allem auf auswärtige Nummernschilder achten.

Zum Schluss fragte ich die Fahnder: Ich fahre gleich für meine Reportage kurz zum Asiamarkt hinüber und wieder zurück. Wäre ich mit einem auswärtigen Nummernschild aus dem Ruhrgebiet nicht auch verdächtig?  

Neue Justizministerin möchte AfD-Verbot prüfen lassen
Die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig von der SPD fordert ein AfD-Verbotsverfahren. Gegenüber der FAZ sagte Hubig, man müsse die AfD nach ihrer Einstufung als gesichert rechtsextrem „als mögliche Gefahr für unsere Demokratie sehr ernst nehmen“. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt ist hingegen der Meinung, dass das Gutachten des Verfassungsschutzes für ein Verbotsverfahren der AfD nicht ausreiche. 
welt.de

München: Brandanschlag auf die Reiterstaffel der Polizei
Laut der Polizei wurden sechs Fahrzeuge beschädigt. Die betroffenen Pferde konnten von Einsatzkräften evakuiert werden und wurden nicht verletzt. Aktuell gehen die Ermittler von Brandstiftung aus. Zudem wird ermittelt, ob der Vorfall zu einer Serie an Brandanschlägen gegen die Münchner Polizei gehört. 
abendzeitung-muenchen.de

Recherche: Wie Jugendliche von Kriminellen rekrutiert werden 
Eine Recherche von STRG_F zeigt, dass immer mehr Jugendliche schwere Straftaten für kriminelle Gruppen in Deutschland übernehmen. Die Jugendlichen werden radikalisiert und rekrutiert. Über soziale Netzwerke werden die Jugendlichen angeheuert. Oft werden ihnen große Geldsummen versprochen. Europol gründet nun eine Taskforce, um dagegen vorzugehen. 
tagesschau.de /play.funk.net

Symbolbild Leserfrage der Woche

Wir haben beim Regierungspräsidium Stuttgart nachgefragt: Seit 2016 hat die besagte Firma die Genehmigung, behandeltes Abwasser in den Neckar einzuleiten. Bis 2044 soll diese Erlaubnis gelten, sie kann jedoch jederzeit widerrufen oder modifiziert werden. Dies kann zum Beispiel erfolgen, wenn Gesetze geändert oder neue technische Standards eingeführt werden.  

Das Umweltbundesamt hat im Jahr 2020 erstmals einen Grenzwert für TFA im Trinkwasser festgelegt. Maximal 60 Mikrogramm TFA pro Liter dürfen in den Fluss eingeleitet werden. Laut den Behörden sei das Ziel, die TFA-Konzentration auf maximal 10 Mikrogramm pro Liter oder weniger zu senken. Wann dies erfolgen soll, wurde uns nicht mitgeteilt.  

Der proeuropäische Präsidentschaftskandidat Nicușor Dan gewann die Stichwahl am 18. Mai 2025 (Foto: Andreea Alexandru / Associated Press / Picture Alliance)
Der proeuropäische Präsidentschaftskandidat Nicușor Dan gewann die Stichwahl am 18. Mai 2025 (Foto: Andreea Alexandru / Associated Press / Picture Alliance)

So geht’s auch
Max ist 16 Jahre alt und wohnt in einer Stadt in Sachsen-Anhalt. Im Ort sei es normal, rechts zu sein. Auf dem Schulhof würden häufig Naziparolen gerufen. Ende April reicht es ihm: Bei einer Querdenker-Demo stellt er sich auf die Bühne und hält eine Gegenrede. Für seinen Auftritt bekommt er Zuspruch – und Hass. Unsere Jugendredaktion Salon5 sprach mit Max darüber, wie es ihm seit seiner Rede geht. Das Gespräch hier anhören


Als ich die Nachricht gestern las, musste ich sofort an Budapest denken und daran, welche Auswirkungen solche Entscheidungen haben. Viktor Orban erließ vor einigen Jahren ein unscheinbares Gesetz, das darauf gerichtet war, die Central European University aus dem Land zu verbannen. Das ist nicht irgendeine Hochschule, sie hat als internationale Uni eine weltoffene Atmosphäre geschaffen, an der vor allem junge Menschen aus ganz Osteuropa hervorragend ausgebildet wurden. Orban sorgte dafür, dass die Uni nach Wien umziehen musste. In seinem eigenen Land wird die wissenschaftliche Ausbildung seitdem ganz auf sein Regime ausgerichtet.

Droht in den USA nun dasselbe? Es ist erstens schon auffällig, dass Trump immer wieder auf die Strategien Orbans zurückgreift, wenn es darum geht, demokratische in autokratische Strukturen umzuwandeln. Zweitens geht von dem Kampf Trump vs. Harvard natürlich eine enorme Wirkung auf weniger betuchte Unis in den USA aus. Harvard kann sich noch wehren, andere Unis werden dem Druck eher nachgeben. Denn der einzige Grund, weshalb Trump der Uni „das Privileg” (so nennt er es) wegnimmt, ausländische Studierende aufzunehmen, liegt darin, das sich die Uni geweigert hatte, seine Forderungen zu übernehmen: Er will unter anderem die Zulassungsdaten von Studierenden und mehr Kontrolle über politische Ansichten an den Unis.

Liefern sie nicht, quetscht er sie an die Wand. Dieser Kampf betrifft uns auch. Denn dort wird nicht nur wissenschaftliche Freiheit begrenzt, sondern wir sehen, wie sich die Macht des Autoritären in einer westlichen Demokratie Stück für Stück über gesellschaftliche Institutionen legt.

Umgesetzt wird dessen Empfehlung aber nicht: Schulen sind Ländersache – und in vielen Ländern fehlt es an Geld. Auch Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat das gebührenfreie Schulessen (Kosten: rund 170 Millionen Euro im Jahr) in dieser Woche wieder infrage gestellt. Seit Monaten wird in Berlin um das Thema gerungen.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Samira Joy Frauwallner, Sebastian Haupt und Jule Scharun.