Liebe Leserinnen und Leser,
es ist genau ein Jahr her, dass sich in der Villa Adlon in Potsdam hochrangige AfD-Vertreter, CDU-Leute, potenzielle Geldgeber und Neonazis trafen, um über einen „Masterplan“ für Deutschland zu beraten. Wir von CORRECTIV hatten davon erfahren und recherchierten vor Ort – im Januar veröffentlichten wir unseren Text „Geheimplan gegen Deutschland“.
Noch immer mühen sich Kräfte von Rechtsaußen (und zum Teil auch etablierte Medien, die sich politisch in der Mitte verorten) vermeintliche Fehler in der Recherche zu finden – und dabei wird gerade sichtbar, wie sehr Teile der AfD versuchen, so zu tun, als sei das völkisch-nationale Konzept „Remigration“ eine ganz normale politische Forderung, die man ernsthaft diskutieren müsse: Am Wochenende hat die AfD Bayern eine „Resolution“ verabschiedet (hier im Original nachzulesen). Darin steht, es „…müssen grundgesetzkonforme Wege geschaffen werden, eine bereits zuerkannte deutsche Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen.“ Mehr dazu im Thema des Tages.
Außerdem möchte ich Ihnen heute noch dies ans Herz legen, das zum selben wichtigen Themenkomplex gehört: Unser Reporterteam versucht, vom Bundesamt für Verfassungsschutz dessen gerade fertiggestelltes, aber unter Verschluss gehaltenes Gutachten über die AfD zu bekommen. Was dabei passierte, sehen Sie in diesem Kurzfilm.
Thema des Tages: „Remigration“ – jetzt auch offiziell
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Faktencheck: Tiktok-Video gibt Umfragewerte aus Brandenburg als Stimmungsbild zur Bundestagswahl aus
CORRECTIV-Werkbank: Die Nachrichtenwüsten: Wo in Deutschland kaum noch lokal berichtet wird
Grafik des Tages: Fachkräftemangel: Diese Branchen sind am stärksten betroffen
Wir von CORRECTIV haben uns angeschaut, was seit unserer Recherche aus dem völkisch-nationalistischen Konzept „Remigration“ wurde. Das Wichtigste dazu:
Was genau ist noch mal „Remigration“?
Ein Konzept, dessen gedankliche Väter Neonazis sind – allen vorweg der führende Kopf der Identitären Bewegung, Martin Sellner – der es beim Geheimtreffen von Potsdam vorstellte.
Es besagt im Kern, dass es durch Gesetze – also auf offiziellem demokratischen Wege – für Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ungemütlich gemacht werden soll. Mit dem Ziel, dass Millionen von Menschen langfristig Deutschland freiwillig verlassen. Zum Konzept gehört aber auch, dass Menschen, die als „nicht assimiliert genug“ (wie Sellner sagt) gelten, die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden soll.
Wie Akteure von Rechtsaußen versuchen, dieses Konzept salonfähig zu machen:
Das haben wir anhand von Zahlen und Fakten analysiert: Wir haben ausgewertet, wie häufig vor und wie häufig nach unserer Veröffentlichung im Januar Online-Werbe-Anzeigen bei Facebook und Instagram geschaltet wurden, die den Kampfbegriff enthalten – und von wem.
Das Ergebnis: In den vergangenen Monaten wurden mindestens 215 Werbe-Posts, die den Begriff „Remigration“ enthielten, von AfD-Accounts beauftragt (Fraktionen, einzelne Politiker etc.). Die klare Stoßrichtung: es so aussehen lassen, als handele es sich nicht um einen verfassungsfeindlichen Plan, sondern ein ganz normales politisches Konzept, über das man eine ernsthafte politische Diskussion führen müsse.
Wir können mit der gerade eben veröffentlichten Recherche also zeigen, wie Kräfte von Rechtsaußen versuchen, das Konzept „Remigration“ als deutlich harmloser erscheinen zu lassen, als es ist.
Wo es nun allzu sichtbar wird:
Im Zehn-Punkte-Plan, den die AfD Bayern am Wochenende verabschiedete, vermengt sie verfassungskonforme Forderungen wie die Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber mit dem verfassungsfeindlichen „Remigrations“-Konzept.
Darin schreibt sie zum Beispiel vom „Staatsziel einer umfassenden Remigration im Millionenbereich für die kommenden zehn Jahre“ (auch Sellner sprach in Potsdam von einem „Jahrzehnteprojekt“). Und von einer „stringenten Mischung aus Anreizen und Druckmitteln“, um die „nötige Kooperationsfähigkeit der Herkunfts- und Rücknahmestaaten zu erwirken“.
Verteidigung
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz entwickelt angesichts einer wachsenden internationalen Bedrohung einen Bunkerschutzplan für Deutschland.
tagesspiegel.de
K-Frage
SPD will Olaf Scholz offiziell zum Kanzlerkandidaten machen. Nach Friedrich Merz (CDU) und Robert Habeck (Grüne) ist Olaf Scholz der dritte Kanzlerkandidat, der von seiner Partei für die Bundestagswahl am 23. Februar nominiert wurde.
zeit.de
Rumänien
In Rumänien hat der rechtspopulistische TikTok-Kandidat Calin Georgescu überraschend die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewonnen und zieht in die Stichwahl ein. Sein Erfolg wird auf eine starke Social-Media-Präsenz zurückgeführt.
spiegel.de
Investigativ
Wer kontrolliert eigentlich Medien wie NIUS und Co.?
medieninsider.de (€)
Auf Tiktok behauptet eine Nutzerin, die neueste RTL-Wahlumfrage zeige, dass die AfD führt und suggeriert, es ginge um die Bundestagswahl. Doch die Umfrage stammt aus September 2024 und bezieht sich auf die Landtagswahl in Brandenburg.
CORRECTIV.Faktencheck
Endlich verständlich
Soll die AfD verboten werden? Darüber wird schon lange diskutiert. 113 Abgeordnete haben dazu einen Antrag für ein Verbotsverfahren der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Was jetzt die nächsten Schritte sind, erfahren Sie im Reel unserer Jugendredaktion Salon5.
Salon5 (Instagram)
So geht’s auch
Die Zahl häuslicher Gewalt gegen Frauen hat in Sachsen-Anhalt zugenommen – gleichzeitig gibt es zu wenig Plätze in Frauenhäusern. Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen machen Bäcker vor Ort auf Hilfsangebote aufmerksam.
mdr.de / bpd.de
Fundstück
In einem beschaulichen Ort im Breisgau baut ein Familienunternehmen Achterbahnen für Freizeitparks auf der ganzen Welt.
dummy-magazin.de
Gibt es bei Ihnen noch ein Lokalmedium, das über die wichtigsten Ereignisse in Ihrer Region berichtet und lokale Missstände aufdeckt?
Wir wissen durch empirische Untersuchungen aus den USA und anderen Ländern, dass das Verschwinden von Lokalmedien gravierende Auswirkungen auf die Demokratie und unser Zusammenleben haben kann. Weniger Menschen gehen zur Wahl, Korruption steigt, Klimaschutz sinkt.
Für Deutschland waren diese Zusammenhänge kaum erforscht. Heute ist das Bild klarer geworden: Das Forschungsprojekt „Wüstenradar“ zeichnet erstmals die Anzahl der wirtschaftlich unabhängigen lokalen Tageszeitungen auf Kreisebene seit 1992 nach. Die Ergebnisse stehen jetzt – mit interaktiver Karte – online unter wuestenradar.de.
Das Wichtigste: Es gibt in unserem Land immer weniger Lokaljournalismus, immer mehr Regionen mit nur noch einer lokaljournalistischen Tageszeitung. Noch gibt es offiziell keine Landkreise ohne Lokalmedien. Aus meiner Arbeit im Netzwerk CORRECTIV.Lokal weiß ich, dass es in der Realität dennoch viele Regionen gibt, die Lokalreporterinnen kaum noch besucht bekommen, weil sie zu viel zu tun haben.
Die Forschenden der Hamburg Media School in Kooperation mit Transparency International Deutschland sowie Netzwerk Recherche e. V. haben in einem weiteren Schritt untersucht, inwiefern der Rückgang von Journalismus zu messbaren negativen Auswirkungen führt, wie wir es aus anderen Ländern wissen. Hier sind zum Glück noch keine negativen Folgen zu erkennen. Ich verstehe das als Warnung und hoffe auf Entscheidungen, wie der Negativtrend gestoppt werden kann.
Deutschlandweit blieben 532.000 Stellen im Jahresdurchschnitt 2023/2024 unbesetzt, weil Fachkräfte fehlten. Damit liegt die Zahl niedriger als im Vorjahresvergleich (610.000 Stellen), aber dennoch auf einem historisch hohen Niveau. Was hilft? Entgegen einiger Stimmen, die zuletzt Teilzeitarbeit als großes Problem für den Wirtschaftsstandort darstellen, sagt die neue Studie des Instituts der Wirtschaft: Teilzeit ist ein Teil der Lösung.
iwkoeln.de
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Sebastian Haupt, Elena Schipfer und Finn Schöneck.
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