Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser,

während wir im langen Pfingstwochenende waren, passierten in der US-amerikanischen Metropole Los Angeles Dinge, die sich die meisten von uns noch vor ein paar Jahren nicht vorstellen konnten: 

Präsident Donald Trump schickte tausende Soldaten der sogenannten Nationalgarde nach L.A. – gegen den erklärten Willen des Gouverneurs von Kalifornien. Jetzt eskalieren Trump und seine Vertrauten die Lage weiter. Im Thema des Tages geht es um die Hintergründe. Und um die Frage, was dies mit uns zu tun hat.

Wir sammeln heute wieder Ihre Vorschläge für die „Leserfrage der Woche“: Welche einfach zu beantwortende Frage sollen wir in Ihrem Auftrag einer Behörde oder einem Unternehmen stellen? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.

Thema des Tages: Trump fackelt die US-Demokratie ab

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

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CORRECTIV-Werkbank: Gerüchte zu Amoklauf in Graz im Umlauf

Grafik des Tages: Verfassungsschutz: Zahl der Extremisten gestiegen

  • Erst hatte die Einwanderungsbehörde ICE hart gegen Migranten durchgegriffen – als Teil von Trumps Migrationspolitik: Massenabschiebungen von Einwanderern.
  • Daraufhin gab es schon seit Freitag wütende Proteste: Demonstranten verfolgten unter anderem einen Fahrzeugkonvoi der Einwanderungsbehörde und bewarfen ihn mit Eiern. Am Wochenende eskalierten die Proteste weiter, Tausende gingen auf die Straßen.
  • Präsident Trump schickte daraufhin zunächst 2.000 „Nationalgardisten“ in den Einsatz. Nationalgardisten sind Streitkräfte der Bundesstaaten; überwiegend handelt es sich um freiwillig Dienst leistende Milizsoldaten.
  • Der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, und auch die Bürgermeisterin von L.A., Karen Bass, sprachen sich deutlich dagegen aus.
  • Seit gestern haben sich die Proteste auf andere Städte ausgeweitet. Unter anderem in New York gingen Menschen auf die Straße.
Protestler und Polizei gestern in L.A.. Quelle: picture alliance / Anadolu | Tayfun Coskun

Was geschieht jetzt?
Präsident Trump hat sich über die Entscheidungen und den Willen der zuständigen Politikerinnen und Politiker in L.A. hinweggesetzt. Er begründete dies damit, die demokratische Regierung Kaliforniens sei „inkompetent“ – und er habe hart reagieren müssen, weil es Gewalt gegen Strafverfolgungsbeamte gerichtet wurde.

Die jüngste Entwicklung ist: Vizepräsident J.D. Vance schrieb auf der Plattform X

„Diese Regierung wird sich nicht durch Gesetzlosigkeit einschüchtern lassen.“
J.D. Vance
US-Vizepräsident

Vance schrieb weiter, man werde „die Ordnung wiederherstellen“. Was das konkret bedeutet, wird jetzt sichtbar: Das US-Verteidigungsministerium beorderte 700 Soldaten der Streitkräfte-Einheit „Marines“ nach L.A. – und 2.000 weitere Nationalgardisten. Die Lage lädt sich also weiter auf.

Welche Bedeutung hat das Ganze?
Es heißt vor allem, dass Trump die Demokratie der USA schwächt. 

Zwar steht ihm unter bestimmten Umständen das Recht zu, die Truppen nach L.A. zu senden. Das gilt aber nur in schweren Fällen wie einer „Rebellion oder der Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der US-Regierung“. Umstritten ist, ob die Proteste ein solches Ausmaß wirklich erreicht haben. Trump ging zudem weiter: Er fantasierte öffentlich darüber, den kalifornischen Gouverneur festzunehmen, weil dieser sich öffentlich gegen Trumps Vorgehen stellte.

Damit demonstriert Trump: Der Staat, das bin ich. Und er zeigt, dass demokratische Willensbildung und Mäßigung für ihn nichts zählen. Mit anderen Worten: Trump und seine Gefolgschaft zünden die amerikanische Demokratie an.

Was hat das mit uns zu tun?
Einige Leserinnen und Leser des SPOTLIGHT haben uns gefragt: Trump ignoriert Gerichtsentscheidungen und die Zuständigkeit Institutionen. Ist das damit vergleichbar, dass unser Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) vergangene Woche ankündigte, er werde trotz des Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts weiter Asylsuchende an den Grenzen zurückweisen lassen?

Unser Reporterteam hat dazu Fakten und Analysen zusammengetragen. Das Wesentliche: Die Lage ist nicht vergleichbar. 

Der wichtigste Unterschied: Im Fall Berliner Verwaltungsgericht vs. Dobrindt ging es darum, dass das Gericht für drei konkrete Einzelfälle entschieden hatte, dass die Zurückweisungen an der Grenze nicht rechtmäßig waren. Dobrindt sagte, er erkenne die Entscheidung nicht als allgemeingültig an. Er hat sich aber nicht über diese konkrete Entscheidung hinweggesetzt. 

Damit bewegt er sich im rechtlich zulässigen Rahmen, wie der Verfassungsblog hier gut erklärt. Allerdings geht er auf ungewohnten Konfrontationskurs mit den Gerichten: Normalerweise klären Gerichte und Regierung in vergleichbaren Fällen das weitere Vorgehen gemeinsam ab.

Unsere Reporterin Shammi Haque, die selbst aus Bangladesch kommt und einen guten Blick auf die migrantische Community in Deutschland hat, sagt: Die Lage ist zwar nicht vergleichbar. Aber die politischen Spaltungen und die kollektiven Ängste, die daraus entstehen, sind in Deutschland ähnlich.

Bleibt die Frage: Könnte so etwas wie in L.A. auch bei uns passieren, wären autoritäre Kräfte an der Macht?
Auch hierzu haben uns einige besorgte E-Mails erreicht. Ein Leser fragt zum Beispiel, ob auch eine AfD-Regierung Soldaten einsetzen könnte, um Massenabschiebungen durchzusetzen.

Das ist allerdings nicht zu befürchten: Schon vom Grundgesetz her wäre das nicht möglich. Die Bundeswehr darf innerhalb Deutschlands nur in wenigen Ausnahmefällen (zum Beispiel Naturkatastrophen) eingesetzt werden. Nicht bei Demonstrationen oder für Abschiebungen.

Mutmaßliche NSU-Unterstützerin angeklagt
Eine mutmaßliche Unterstützerin der rechtsextremistischen Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) muss sich vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten. Susann E. wird unter anderem die Unterstützung der terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
zeit.de

Hitzerekord in der Nordsee
Die Nordsee war in diesem Frühjahr so warm wie noch nie seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. In der deutschen Ostsee wurden ebenfalls Rekordtemperaturen gemessen. Ein Team des NDR zeigt, wie schnell sich die Meere durch den Klimawandel erhitzen:
ndr.de

Jens Spahn: Neue Vorwürfe in der Maskenaffäre
Jens Spahn sieht sich durch einen Bericht des Bundesrechnungshofs neuen Vorwürfen ausgesetzt. Die Plattform Frag den Staat veröffentlichte diesen jetzt in voller Länge. Spahn weist die Vorwürfe zurück.
fragdenstaat.de

So geht’s auch
Wie kann der Straßenbau nachhaltiger werden? Mit altem Speiseöl, Cashewschalen und Plastikmüll wollen Forschende dafür sorgen, den ökologischen Fußabdruck von Asphalt zu verringern. 
derstandard.at

Fundstück
Gollum – das wenig charmante Wesen aus der Trilogie „Herr der Ringe“ – ist vor allem für die Formulierung „mein Schatz“ bekannt, denn er beansprucht den legendären Ring für sich. Auch in der Wissenschaft gibt es ein ähnliches Verhalten, meinen Forschende: Nämlich, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wichtige Daten wie ihr Eigentum behalten und es so anderen vorenthalten. Wie der „Gollum-Effekt“ vor allem dem akademischen Nachwuchs schadet, hat nun eine Studie ergründet.
mdr.de



Die Adresse lässt sie aufhorchen: Gemeint ist ein Gymnasium in Graz, das viele Jugendliche aus dem Umfeld ihres Bruders besuchen. An diesem Tag sollen dort die schriftlichen Matura-Prüfungen, das österreichische Pendant zum Abitur, stattfinden. Noch während erste Informationen zusammengetragen werden, melden sich Augenzeugen: Über der Stadt kreisen Hubschrauber. In Windeseile verbreiten sich Gerüchte, Eindrücke und panische Nachrichten über verschiedene Kanäle. Die Reporterin macht sich auf den Weg zu ihrem Bruder, der im Alter der Betroffenen ist und einige der Schülerinnen und Schüler persönlich kennt.

Die Gerüchteküche brodelt schneller, als offizielle Stellen reagieren können. In Sozialen Netzwerken und über Messenger-Dienste kursieren bereits unbestätigte Opferzahlen, Verletztenlisten und Schussvideos aus der Schule – lange bevor gesicherte Informationen verfügbar sind.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert und Sebastian Haupt.