Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters
Autor Bild Anette Dowideit

Liebe Leserinnen und Leser, 

heute beleuchtet der SPOTLIGHT vor allem den Amtsantritt Donald Trumps als US-Präsident. Im Thema des Tages klären wir, was genau Trump alles an „Tag 1“ seiner Präsidentschaft tun will und warum das überhaupt möglich sein könnte. 

Es geht außerdem um die Fragen, 

  • was das (vorübergehende) Aus der Plattform TikTok in den USA mit Präsident Trump zu tun hat, 
  • ob Trump jetzt wirklich massenhaft Migranten abschieben kann,
  • welche Auswirkungen seine Präsidentschaft auf jene Länder hat, aus denen Journalisten ins Exil nach Deutschland mussten 
  • und was es mit Trumps neuer Kryptowährung auf sich hat.

Auch bei uns zu Hause ist einiges los, der Countdown zur Bundestagswahl zählt unerbittlich herunter. Deshalb starten wir heute die Sonderrubrik Bundestagswahl. Als erstes: Wie kommt eigentlich die „Sonntagsfrage“ zustande und wie aussagekräftig sind die Ergebnisse?

Heute können Sie wieder Vorschläge für die „Leserfrage der Woche“ einreichen, und zwar an unseren SPOTLIGHT-Reporter: robin.albers@correctiv.org.

Thema des Tages: Trumps Tag 1 – und jetzt?

Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste

Bundestagswahl-Spezial: Die Sonntagsfrage

Denkanstoß: Drei Gründe, warum Trump nicht „massenhaft abschieben“ kann

Faktencheck: Frank-Walter Steinmeier drohte nicht, die Bundestagswahl zu annullieren, wenn die falsche Partei gewinnt

Gute Sache(n): Erklärt: Trumps neue Krypto-Währung • Startet gerade eine neue Demowelle gegen Rechtsextremismus? • Das Kaktusnadel-Tattoo

CORRECTIV-Werkbank: CORRECTIV.Exile berichtet, wie andere Länder auf die Trump-Präsidentschaft blicken

Grafik des Tages: Wahlprogramme: Welche Einkommen würden von den Plänen der Parteien profitieren?

Wie das gehen soll:
Das politische System der USA ermöglicht es dem Präsidenten, politische Entscheidungen am Parlament vorbei zu treffen. Eben über die „Executive Orders“ – auf Deutsch: Durchführungsverordnungen. Als oberster Chef der Exekutive, also der ausführenden Gewalt, darf er den Mitarbeitern der staatlichen Behörden direkte Anweisungen geben.

Symbolbild Trump

Allerdings: Trump kann hier nicht schalten und walten, wie er will. Die Dekrete müssen von der Verfassung gedeckt sein, und Gerichte können sie stoppen. Auch der Kongress (also das Parlament) kann sie aufhalten – zum Beispiel, indem er Gelder dafür nicht freigibt. Das heißt: Selbst, wenn Trump heute 100 Dekrete unterschreibt, muss das nicht bedeuten, dass alle tatsächlich umgesetzt werden. 

An sich sind solche „Executive Orders“ nicht ungewöhnlich: Auch die anderen US-Präsidenten der jüngsten Vergangenheit nutzten dieses Instrument, wie diese Übersicht der US-Organisation Council on Foreign Relations zeigt.

Was will Trump sofort umsetzen?
Die meisten Dekrete, die Trump plant, drehen sich um Außenhandel (höhere Einfuhrzölle für Waren aus China, Mexiko und Kanada) und um Migration: Er will massenhaft Menschen abschieben. Hierzu hat unser Migrationsexperte Carsten Wolf weiter unten im SPOTLIGHT eine ausführlichere Bestandsaufnahme geschrieben. 

Und was will Trump noch?
Er will sofort die staatlichen Ausgaben für die Begrenzung des Klimawandels stoppen. Ebenso die staatliche Unterstützung für Gruppen, die zu Schwangerschaftsabbrüchen beraten. Und er plant unter anderem, Transpersonen als Bedienstete von Schulen und Militär auszuschließen. Eine genauere Übersicht gibt es in diesem Artikel des Nachrichtensenders n-tv.

Antrag für AfD-Verbotsverfahren bald Thema im Bundestag 
In der kommenden Woche – rund einen Monat vor der Bundestagswahl – soll der Antrag, den eine fraktionsübergreifende Gruppe erarbeitet, im Bundestag diskutiert werden. Gibt es eine Mehrheit, müsste das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob ein Verbot der AfD möglich ist.
spiegel.de

Lokal: ISPK nimmt Oktoberfest ins Visier 
Der „Islamische Staat Provinz Khorasan“ (ein IS-Ableger) suggeriert in einem neuen Video, es auf zehn Großveranstaltungen in Europa und den USA abgesehen zu haben. Darunter auch das Oktoberfest in der bayerischen Landeshauptstadt. Konkrete Hinweise gibt es nicht – die Bedrohung nehmen die Behörden trotzdem ernst.
sueddeutsche.de


Schon die erste Amtszeit von Trump hat allerdings gezeigt: Er verliert irgendwann das Interesse. Seine Mauer zu Mexiko kam kaum voran. Abschiebungen scheiterten an überlasteten Gerichten. Am Ende hatte Trump weniger Menschen abgeschoben als vor ihm Präsident Obama – und als Biden nach ihm. 

Trump wird aller Voraussicht nach auch mit seinen neuen Plänen scheitern, und zwar aus drei einfachen Gründen. 

Erstens: Es geht ihm nur um starke Bilder – ein Präsident, der noch am Tag der Amtseinführung mehrere Dekrete erlässt. Migranten, die sich aus Angst „selbst deportieren“. Grenzpolizisten, die bei Razzien junge Männer gefesselt in Autos schieben. Weinende Kinder in Grenzlagern. Das sind die starken Bilder, um die es geht. Und nicht um die wirklichen Probleme. Dazu unten mehr.

Zweitens: Es wird ihm zu kompliziert. Drastische Aktionen der Bundes-Zollbehörde sind leicht zu starten. Aber danach wird es rechtlich komplizierter. Auch illegale Migranten haben das Recht auf eine Anhörung. Kinder in Grenzlagern haben ein Recht auf ihre Eltern. Die Zollbehörde wäre schnell überlastet. Es gibt nicht genug Haftplätze. Die Gerichte haben zu wenig Personal, um über die Fälle von elf Millionen illegalen Einwanderern zu entscheiden. 

Drittens: Es wird ihm zu teuer. Die Abschiebung von einer Million Migranten würde etwa 88 Milliarden Dollar pro Jahr kosten, so Schätzungen. Außerdem zahlen illegale Migranten rund 100 Milliarden Dollar Steuern im Jahr, die dann wegfielen. Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, in der Fleischproduktion, als Taxifahrer, Babysitter oder Paketlieferer. Die boomende US-Wirtschaft ist der Haupt-Pullfaktor für illegale Migranten. Auch die Tech-Industrie drängt auf mehr Visa für Fachkräfte, die Trump stark reduziert hatte. So lange die Wirtschaft es verlangt, geht die Migration weiter.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Rechtspopulisten weniger Migration versprechen – und das Gegenteil machen. Sie lenken damit von anderen wichtigen Themen ab, wie etwa dem Abbau des Sozialstaats oder der Überalterung der Gesellschaft. 

Und Bidens Migrationspolitik hat zu wirklichen sozialen Problemen geführt: Von den 8 Millionen zusätzlichen Migranten, die ins Land kamen, kamen fünf Millionen ohne legale Papiere. Das ist ein Höchststand in der US-Geschichte. Besonders in den grenznahen Bundesstaaten ist die Kinderarbeit angestiegen. Obdachlose finden kaum noch Schlafplätze in Unterkünften. Auch in New York sorgen die sprunghaft gestiegene Zahl von Straßenverkäufern für chaotische Zustände. 

So geht’s auch
In Österreich regiert demnächst wohl das erste Mal ein FPÖ-Kanzler, und auch hierzulande ist die AfD trotz aller Skandale weiter auf Erfolgskurs. Manchen bereitet das nicht nur Sorgen, sondern sie fühlen sich hilflos und ohnmächtig. Doch eine neue Protestwelle zeigt, dass sich zahlreiche Menschen nicht mit dem Rechtsruck abfinden wollen. Fast täglich finden derzeit Demonstrationen gegen Rechtsaußen statt, wie die taz hier zeigt.
taz.de  

Fundstück
Tattoos sind keine Erfindung der Neuzeit. Schon vor über 1.000 Jahren gab es wahrliche Tattoo-Künster in Südamerika, die mit höchster Präzision und Kaktusnadeln ihre Farben in die Haut stachen.
geo.de


Trump verfolgt bezüglich Russland traditionell eine versöhnliche Politik und könnte daher die Beziehungen, besonders im Kontext des Ukraine-Kriegs, beeinflussen. Während manche in Moskau den Wechsel begrüßen, um Verhandlungen zu intensivieren, bleibt der tatsächliche Handlungsspielraum Trumps angesichts der komplexen Anforderungen Moskaus begrenzt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht in Trumps Rückkehr eine Chance, die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei zu rehabilitieren. Diese Neuausrichtung könnte jedoch auch die NATO-Verbündeten herausfordern, die besorgt über die regionalen Aktivitäten der Türkei sind.

Für Afghanistan könnte Trumps Rückkehr sowohl Risiken als auch Chancen mit sich bringen. Seine frühere Politik und der Doha-Vertrag könnten die humanitäre Lage beeinflussen. Das islamische Emirat hat positiv auf Trumps Wahl reagiert und hofft auf pragmatische Beziehungen. Dennoch bestehen Bedenken, dass Trump militärische Maßnahmen gegen die Taliban in Erwägung ziehen könnte.

An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Robin Albers, Till Eckert und Sebastian Haupt.