
Anette Dowideit
stellvertretende Chefredakteurin
Liebe Leserinnen und Leser,
in den letzten Monaten konnte man das Gefühl bekommen, dass es das jetzt war mit der Partei Die Linke: Bei den Landtagswahlen spielte sie kaum noch eine Rolle. Unter anderem, weil das Bündnis Sahra Wagenknecht ihr Wähler abnahm. Jetzt aber scheint es, als bekomme die Partei wieder Auftrieb, denn sie hat eine innovative Idee präsentiert – und sie hat ein paar Köpfe, die Soziale Netzwerke geschickt nutzen. Was dort gerade los ist und ob/warum die Linke noch gebraucht wird, ist heute unser Thema des Tages.
Außerdem im Spotlight: ein Aufzug, der als mangelhaft gilt, weil er keinen Internetanschluss hat. Unsere Grafik des Tages kommt heute und in den nächsten Tagen aus unserem neuen Buch „100 Karten über Rechtsextremismus“. Wenn Sie mehr dazu sehen mögen, können Sie das Buch hier bestellen.
Sie haben Hinweise für Recherchen? Schreiben Sie mir: anette.dowideit@correctiv.org.
Thema des Tages: Wiederauferstanden: die Linke
Der Tag auf einen Blick: Das Wichtigste
Bürokratie-Brecher: Aufzüge und die TÜV-Prüfung
Faktencheck: Hatten die Simpsons mal wieder hellseherische Kräfte?
Gute Sache(n): Erkärt: Die wichtigsten Begriffe zu Inklusion • Laptops für benachteiligte Familien • Diese Brille weiß alles über Sie
CORRECTIV Werkbank: Wir haben „Jugend und Parlament” im Bundestag besucht
Grafik des Tages: Von Nazis missbraucht: Das Hakenkreuz stand ursprünglich für etwas ganz anderes
Die Linke lebt. Daran konnte man in den letzten Monaten Zweifel bekommen, weil das Bündnis Sahra Wagenknecht der Partei viele Wähler und auch wichtiges Personal abjagte. Jetzt aber scheint es, als komme die Partei wieder aus der Versenkung zurück.
Die neuen Parteichefs und ihre Idee:
Ines Schwerdtner und Jan van Aken sind frisch als Vorsitzende gewählt worden – und haben gestern gleich einen Plan vorgestellt, der zumindest bei einigen Mitgliedern unserer Redaktion gut ankam. Sie finden, so komme endlich mal wieder frischer Wind in die Politik: Schwerdtner und van Aken kündigten an, ungefähr auf die Hälfte ihres Gehalts verzichten zu wollen.
Sie wollen (nur) so viel verdienen wie der Durchschnitt der Bevölkerung – das sind 2.850 Euro netto pro Monat. Van Aken sagt: „Wir sind der Überzeugung, dass abgehobene Gehälter auch zu abgehobener Politik führen.“ Die Differenz zum Gehalt, das einem Linke-Vorsitzenden laut Satzung zusteht (8.162,50 Euro pro Monat) soll in einen Solidaritätsfonds für Menschen in Not fließen.
Die neue Social Media-Kompetenz:
Vor einigen Tagen waren unsere Spotlight-Reporterin Elena Schipfer und unser Volontär Finn Schöneck bei einer Veranstaltung mit Jugendlichen im Bundestag (mehr dazu steht in unserer heutigen „Werkbank“). Es ging darum, jungen Leuten näherzubringen, was die Fraktionen dort eigentlich tun, und einige Abgeordnete waren dabei.
Zur Überraschung unserer Reporter standen die Jugendlichen anschließend vor allem bei einer Frau Schlange, um ihr die Hand zu schütteln: Heidi Reichinnek. Den Namen haben Sie noch nie gehört? Bei TikTok ist sie eine der erfolgreichsten Politikerinnen: gut 220.000 Menschen folgen ihr – hier der Link zu ihrem Profil (auch ohne TikTok-Account abrufbar).
Wie wichtig TikTok mittlerweile für die Politik ist:
Es ist viel darüber berichtet worden, dass die AfD bisher mit Abstand am meisten und erfolgreichsten die Plattform nutzt, die für die Jugendlichen die mit Abstand wichtigste ist. Wie konkret, erklärt zum Beispiel unsere Jugendredaktion hier und unser Faktencheck-Team hat dazu kürzlich tiefer gebohrt. Das dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, warum die AfD gerade bei jungen Wählern bei den letzten Wahlen so gut abschnitt.
Jetzt aber, scheint es, hat zumindest auch die Linke das Potenzial der Plattform verstanden. Heidi Reichinneks Strategie dort funktioniert eigentlich ganz einfach: Sie nimmt mit einfachen, humoristischen Posts die AfD auseinander oder postet kurze Ausschnitte aus ihren Bundestagsreden, die sie mit emotionaler Musik unterlegt. Ähnlich macht es ihre Parteikollegin Caren Lay. Ihr Musikvideo mit einer „Bundestags-Version“ zum unter Jugendlichen populären Song „Bauch Beine Po“ ist auf jeden Fall sehenswert.
Egal, wie man zur Linke steht: Eine starke linke Kraft in den Parlamenten zu haben, als Gegengewicht zu rechten und liberalen Parteien, gehört zu einer vollständigen demokratischen Meinungsbildung.
Und falls Sie jetzt Lust auf TikTok bekommen haben: Unsere CORRECTIV-Reporterfabrik hat ein Tutorial im Angebot, das zeigt, wie man bei TikTok einen erfolgreichen Account betreibt.
Israel
Die Lage in Nahost ist unübersichtlich und viele Informationen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Was in dieser jungen Kalenderwoche 43 bereits passiert ist, chronologisiert der Bayerische Rundfunk hier:
br.de
Mosambik seit Präsidentschaftswahl in angespannter Lage
Die Regierung spricht von Wahlsieg; die Opposition von Wahlbetrug und organisiert Proteste. Sicherheitskräfte gehen mit Gewalt dagegen vor.
rp-online.de
Defizite im Berliner Landeshaushalt
Die Hauptstadt muss sparen. Zuletzt sorgte die Streichung von Zulagen für Klassenfahrten für Aufsehen. Jetzt steht auch die Verwaltung im Fokus – wird bald per Gesetz geregelt, wie viele Quadratmeter pro Mitarbeiter erlaubt sind?
rbb24.de
Doku: Wettbetrug im Fußball
1.700.000.000.000 Euro: So viel wird schätzungsweise auf dem illegalen Sportwettenmarkt umgesetzt. Die ARD-Doku „Spielverderber – wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren“ hat Beteiligte, Aussteiger und Ermittler getroffen. Ab heute in der Mediathek.
sportschau.de

Aufzüge in Wohnhäusern müssen regelmäßig auf ihre Sicherheit geprüft werden, das gehört zu den Pflichten von Hausbesitzern und Eigentümerinnen. Bei solch einer TÜV-Prüfung ist Jürgen B. mit den Eigenarten der Bürokratie in Kontakt gekommen.
B. wohnt in einem kleinen Mehrfamilienhaus in Stuttgart. Das Haus hat einen kleinen alten Aufzug, der jährlich gewartet und vom TÜV geprüft wird. Bei der letzten Prüfung sollte B. nachweisen, dass der Aufzug auch Cybersicherheit hat. Denn Aufzugbesitzer sind seit März 2023 durch eine neue Regelung dazu verpflichtet, ihre Anlagen vor Cyberbedrohungen zu schützen.
Schwierig hier: Der über 40 Jahre alte Aufzug hat keinen Internetzugang. Darauf hingewiesen, antwortet die zuständige Stelle, dass die Verbände der Gutachter und Sachverständigen den Nachweis von Schutzmaßnahmen so verlangen. Im TÜV-Bericht wurde dem nicht-digitalen internetfreien Aufzug dann vorläufig ein „geringfügiger Mangel“ attestiert. Wie es für den Aufzug weitergeht, ist noch nicht ganz klar. Jürgen B. vermutet, dass irgendwann ein Gutachter rauskommen muss, um „die Cyber-Security des absolut cyberfreien Aufzugs zu bestätigen – vermutlich gegen eine kleine Gebühr“.

In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Video mit der Behauptung, die „Simpsons“ hätten Hurrikan „Milton“ vorhergesagt. Das stimmt aber nicht: Es gibt keine „Simpsons“-Folge, in der der Sturm vorkommt. Die Szenen im Video sind manipuliert.
Endlich verständlich
Die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen könnten im nächsten Jahr merklich ansteigen. Davon gehen Fachleute aus, die eine Finanzierungslücke von 13,8 Milliarden Euro festgestellt haben. Warum steigen die Kosten? Wie hoch werden die Beitragserhöhungen für die Versicherten ausfallen?
tagesschau.de
So geht’s auch
Ab ins Ausland und Gutes tun! Ehrenämter gibt es nämlich nicht nur in Deutschland. Unsere Jugendredaktion Salon5 wollte unbedingt wissen, wie sich das wohl anfühlt. Ein Glück, dass die ehemalige Jugendreporterin Berit mittlerweile freiwillig in einem Tierheim in Rumänien aushilft. In diesem Reel beantwortet sie drei Fragen zu ihrer Arbeit.
Salon5 (Instagram)
Fundstück
Die Maus-Statue des WDR aus der Kölner Innenstadt ist entwendet worden – und in Mainz aufgetaucht. Hintergrund ist eine Aktion der Kampagnenorganisation Campact, die damit ein Zeichen gegen die drastischen Kürzungen im Informations- und Bildungsangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzen wollen.
ntv.de
Elena Schipfer
Redakteurin Spotlight
Gemeinsam mit meinem Kollegen Finn Schöneck habe ich am 15. Oktober das Planspiel „Jugend und Parlament” im Bundestag von der Besuchertribüne aus beobachtet. Über 300 Jugendliche, die meisten in Anzug oder Kostüm, schlüpften in die Rollen von fiktiven Abgeordneten und simulierten den Alltag im Parlament.
Im Plenarsaal gab es manch Parallele zur Realität. Die BP-Fraktion, in der Opposition, verhielt sich provozierend und nutzte Zwischenfragen, um ihre Agenda zu pushen – ähnlich wie die AfD.
Die Jugendlichen arbeiten während der vier Tage des jährlichen Planspiels in drei fiktiven Parteien: Bewahrungspartei (BP), Gerechtigkeitspartei (GP) und der Partei für Engagement und Verantwortung (PEV). Die GP und PEV bilden die Regierung, die BP sitzt in der Opposition. Welche realen Parteien hier wohl (mit-)gemeint sind, kann man sich denken.
Finn Schöneck wird Ihnen morgen von seinen ganz persönlichen Eindrücken von der Veranstaltung berichten.

Wohl kaum ein Symbol der Menschheitsgeschichte ist so negativ behaftet wie das Hakenkreuz. In Deutschland ist es aus gutem Grund verboten. Doch das Symbol hatte ursprünglich eine ganz andere, friedliche Bedeutung. Es wurde, wie so vieles, von den Nazis vereinnahmt und für ihre Zwecke missbraucht. Mehr Grafiken wie diese finden Sie in unserem neuen Buch „100 Karten über Rechtsextremismus“.
An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Bianca Poersch, Elena Schipfer
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