Lokalredaktion gründen: So setzt SPOTLIGHT Gelsenkirchen Meilensteine
SPOTLIGHT Gelsenkirchen ist das Ergebnis, wenn Journalismus und Cafékultur verschmelzen. Das innovative Konzept von CORRECTIV macht aus der sonst so verschlossenen Lokalredaktion ein öffentliches Café mitsamt Kaffee und Kuchen. Wir werfen zusammen mit Redaktionsleiter Tobias Hauswurz einen Blick hinter die Kulissen. Welche Schritte müssen gegangen werden, damit so ein Projekt funktionieren kann? Und wie schafft man es, sich dafür passende Meilensteine zu setzen? Am Ende verrät der Redaktionsleiter seine Top-Learnings.

Das ist SPOTLIGHT Gelsenkirchen
SPOTLIGHT Gelsenkirchen ist die erste dauerhafte Lokalredaktion von CORRECTIV. Sie verbindet Café und journalistische Redaktion. Die Journalist*innen sitzen selbst im Café in der Gelsenkirchener Innenstadt und sind so stets ansprechbar. Menschen können dienstags bis sonntags von 9-18 Uhr SPOTLIGHT Gelsenkirchen besuchen, einen Kaffee trinken und so mit den Journalist*innen in Kontakt kommen.
Das Hauptprodukt ist eine digitale Lokalzeitung als wöchentlich erscheinender, kostenloser Newsletter. Die Redaktion setzt auf unabhängigen, gemeinwohlorientierten Lokaljournalismus, der die Stadtgesellschaft einbindet.
Finanziert wurde der Aufbau aus dem CORRECTIV-Spendentopf, perspektivisch soll das Café sich aber selbst tragen und den Journalismus mitfinanzieren.
Die Website von SPOTLIGHT Gelsenkirchen
SPOTLIGHT Gelsenkirchen auf Instagram
SPOTLIGHT Gelsenkirchen auf Facebook
Die Idee eine eigene Lokalredaktion zu gründen, konkretisierte sich 2024. Am Ende des Jahres stand dann auch die Finanzierung und SPOTLIGHT Gelsenkirchen konnte in die konkrete Planungsphase übergehen. Der Redaktionsleiter war schnell gefunden: “Kurz vor Weihnachten hat mich CORRECTIV-Gründer David Schraven angerufen und gefragt, ob ich das nicht machen möchte”, erinnert sich Tobias Hauswurz, “und richtig los ging es dann schon ab dem 01. Januar 2025”
Schritt 1 – Das richtige Lokal finden und umbauen
Um die Lokalredaktion zu gründen brauchte das Team von SPOTLIGHT Gelsenkirchen nun ein Ladenlokal, möglichst zentral in der Gelsenkirchener Innenstadt, aber auch nicht zu teuer. “Das ist dann der Vorteil, in einer Stadt wie Gelsenkirchen zu sein, hier gibt es relativ viel Leerstand”, erzählt Tobias Hauswurz mit einem Schmunzeln. In der Hauptstraße wären die Mieten aber doch zu hoch geworden, also sitzt SPOTLIGHT Gelsenkirchen nun in einer der Nebenstraßen, aber trotzdem noch zentral in der Innenstadt.
Eine große Hilfe bei der Lokalsuche sei das Citymanagement gewesen, dadurch hätten sie auch Lokale gefunden, die öffentlich nicht inseriert gewesen sind. Ab Februar 2025 hat das Team dann angefangen, das ehemalige Reisebüro in ein Café umzubauen und Personal für die Gastronomie zu suchen.

Schritt 2 – Multiplikator*innen suchen
Das Lokal war also gefunden und wurde Stück für Stück zum Café. Bisher wusste aber noch kaum jemand von dem neuen Konzept. Um das zu ändern, hat das Team ab April 2025 mit Offline-Kampagnen angefangen: “Wir wollten den Fuß in der Tür haben, bei den wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen im Gelsenkirchener Stadtleben”, so erklärt Tobias Hauswurz das Ziel dieser Kampagne. Dafür haben sie zunächst definiert, wer für ihr Projekt wichtig ist – Menschen die in Gelsenkirchen als Multiplikator*innen aktiv sind. Dazu zählen Gruppen wie Jugendverbände, Kirchen oder die Wirtschaftsinitiative.
Um Kontakt zu diesen Gruppen zu bekommen, hat sich die Redaktion unter anderem jemanden gesucht, der bereits viele Menschen in der Stadt kannte – einen “Türöffner”. “Für uns war das ein Kommunikationsberater, der ein extrem gut vernetzter Mensch hier in der Stadtgesellschaft ist”, erinnert sich Tobias Hauswurz. Dadurch den ersten Kontakt zu vielen Gruppen zu haben, habe sehr bei der Gründung der Lokalredaktion geholfen.
Für den wirklichen Austausch, haben sie dann viele runde Tische einberufen – lockere Zusammentreffen von SPOTLIGHT Team und Akteur*innen aus der Stadtgesellschaft. Aber auch Einzelgespräche mit beispielsweise der Stadtverwaltung gehören zur Strategie. “Wir haben immer wieder unser Konzept vorgestellt, gesagt, dass wir bald kommen und die Menschen nach ihren Themen gefragt”, erzählt Tobias Hauswurz. Dadurch war SPOTLIGHT Gelsenkirchen auch schon vor der offiziellen Eröffnung bekannt. Gleichzeitig sei der Prozess auch noch nicht abgeschlossen.
Schritt 3 – Der Tech-Stack als Basis der Redaktion
Für eine Redaktion mit digitalem Produkt natürlich unerlässlich: Der Aufbau des richtigen Tech-Stacks. Dafür konnte SPOTLIGHT Gelsenkirchen als CORRECTIV-Projekt auf das eigene Tech-Team zurückgreifen. Die Tools die sie letztendlich benutzt haben, sind aber für jede*n verfügbar:
Tool-Liste SPOTLIGHT Gelsenkirchen
- Ghost: Newsletter & Webseite
- beabee für CrowdNewsroom-Umfragen
- Pretix als Ticketsystem
- Spenden per Salesforce
Außerdem führt SPOTLIGHT Gelsenkirchen auch einen Instagram Account. Dafür haben sie eine Freelancerin beauftragt, um sich, nach dem Gründen der Lokalredaktion, größtenteils auf die journalistische Arbeit fokussieren zu können.
Schritt 4 – Eröffnung und erste Veranstaltungen
Ende Juni 2025 hat SPOTLIGHT Gelsenkirchen dann endlich eröffnet. Die neu gegründete Lokalredaktion hat schon ihre ersten vier Newsletter verschickt, über 550 Menschen haben diese “Lokalzeitung als Mail” bereits abonniert.
Auch die erste Veranstaltung startete bereits eine Woche später. Anknüpfend an eine veröffentlichte Recherche gab es einen Talk zum Thema “Wie gehen wir mit Machtmissbrauch und Gewalt im Sport um?” Zu der Diskussion sind ungefähr zwanzig Gäste gekommen, insbesondere Vertreter*innen von Sportvereinen.
Durch das besondere Thema habe SPOTLIGHT Gelsenkirchen bei dieser Veranstaltung größtenteils neue Menschen angezogen, die noch kein Teil der Community sind, so Tobias Hauswurz. In Zukunft sollen die Veranstaltungen aber die bestehende Community einbinden und gleichzeitig neue Kontakte knüpfen.
Schritt 5 – Perspektive
Nach der Eröffnung geht es jetzt darum, sich als Lokalmedium vor Ort zu behaupten. Dafür wollen sie jede Woche eine Veranstaltung im Café organisieren, um so ihre Bekanntheit in der Stadt weiter zu steigern.
Ein weiteres großes Thema – am 14. September 2025 findet die Kommunalwahl in Gelsenkirchen statt. Die will SPOTLIGHT Gelsenkirchen natürlich begleiten. Dafür orientieren sie sich am Projekt “Deine Stimme, deine Themen”, welches versucht Wahlberichterstattung nicht an der Politik, sondern an den Wähler*innen auszurichten.
Perspektivisch will SPOTLIGHT Gelsenkirchen seinen Newsletter zu einem “völlig ausgereiften Produkt machen, den Menschen auch annehmen.” Nach einem Jahr wird das Pilotprojekt SPOTLIGHT Gelsenkirchen auf den Prüfstand gestellt: “Dann schauen wir, ob das funktioniert und wenn es klappt, suchen wir nach weiteren Standorten.” Ob CORRECTIV weitere, ähnliche Lokalredaktionen gründet, ist also noch offen.
Tobias’ Top-Learnings:
Beim Gründen der Lokalredaktion SPOTLIGHT Gelsenkirchen hat Tobias einiges gelernt, viele Dinge die auch anderen jungen Lokalmedien beim Aufbau helfen können:
- Türöffner*in suchen
Wer in einer neuen Stadt Fuß fassen will, braucht Zugang zu den lokalen Akteur*innen. Dafür hilft es, eine Person zu haben, die schon gut in der Stadt vernetzt ist und erste Kontakte knüpfen kann. - Über das Konzept sprechen
Am Anfang war es äußerlich noch eine recht rudimentäre Präsentation. Trotzdem: Das Konzept war von Anfang an klar und hat sich kaum verändert. Irgendwann habe sich Tobias zwar wie ein Leierkasten gefühlt. Aber bei der Vorstellung habe es enorm geholfen, den Pitch stets parat zu haben. - Ressourcen realistisch planen
“Jede*r, der*die schonmal gegründet hat, weiß – alles dauert immer länger als man denkt”, stellt Tobias klar. Deswegen sei es umso wichtiger, seine Ressourcen realistisch zu planen und vor allen Dingen: Immer genug Puffer zu haben. - Schneller Prototyp schlägt totgeplantes Superprodukt
Tobias selbst sei eher Team zwei, deswegen sei ihm das auch schwer gefallen. Im Projekt hat er gelernt: “Einfach anfangen hilft, das Produkt kann man dann immer noch Stück für Stück ausbauen.” Damit gehen sie auch nach außen offen um. - Tech-Stack früh planen
Die technische Infrastruktur ist die Basis für erfolgreichen (digitalen) Journalismus. Gerade ohne große Technik-Abteilung im Hintergrund ist es ratsam, sich früh die richtigen Tools zu suchen und einzurichten.
Dieses Fallbeispiel ist Teil des Angebots vom CORRECTIV.StartHub, der Anlaufstelle für alle, die ihr eigenes Community-zentriertes Medienprojekt im Lokalen starten wollen.
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