Stationen einer Abtreibung
Der Weg zum Schwangerschaftsabbruch
„Plötzlich gehört dir dein Körper nicht mehr“
Triggerwarnung:
Der folgende Text beschäftigt sich mit negativen Erfahrungen bei Schwangerschaftsabbrüchen.
Die Schilderungen können belastend sein und negative Reaktionen auslösen.
Von Belén Ríos Falcón, Emilia Garbsch, Max Donheiser, Miriam Lenz, Mohamed Anwar, Pia Siber, Sophia Stahl
Jeden Tag brechen durchschnittlich rund 270 Menschen in Deutschland eine Schwangerschaft ab. Über den Weg, den sie bei einem Schwangerschaftsabbruch gehen müssen, wird kaum öffentlich gesprochen.
Nun ändert sich das: 1.505 Betroffene haben CORRECTIV.Lokal von ihrem Abbruch berichtet. In einer Umfrage und persönlichen Gesprächen teilen sie ihre Erlebnisse zu schlechter medizinischer Versorgung, Erniedrigung, bürokratischen Hürden, fehlenden Informationen, langen Wartezeiten und weiten Entfernungen. Ihre Geschichten geben einen bisher nicht dagewesenen Einblick zu den Schwierigkeiten. Und den Missständen, die die Betroffenen bei den einzelnen Schritten erleben.
Die umstrittene Gesetzeslage
— Nordrhein-Westfalen, 2020
Im Nachhinein finde ich die Gesetzeslage am belastendsten. Habe nie an meiner Entscheidung gezweifelt, auch wenn sie sehr schwierig war und ich etwas getrauert habe. Dass es allerdings eine Straftat sein soll, diese für mich in dieser Situation einzig richtige Entscheidung zu treffen, kann ich einfach nicht verstehen. Es ist verletzend, es macht mich klein, es macht mich wütend.
— Niedersachsen, 2021
Verbotene Informationen
— Hessen, 2020
— Sachsen, 2011
Beratungsgespräch
Kreuzverhör im Beratungsgespräch
— Sachsen, 2016
Ich musste drei Pflichtgespräche führen, zwei allein mit der Beratung, eins mit meinem Freund zusammen. Es war furchtbar. Ich war zu dieser Zeit schwer drogenabhängig. Der Mann war nicht der Richtige und mir war von Anfang an klar, dass ich dieses Kind nicht wollte. Die Beraterin hat massiv versucht mich zu beeinflussen, dass ich das Kind bekomme. Sie meinte, es würde positive Veränderungen in meinem Leben hervorrufen. Mir war aber völlig klar, dass ich mich in meinem Zustand keinem Kind zumuten konnte und wollte. Ich mich so lange dagegen gewehrt, bis sie nachgab. Mein Freund wollte das Kind. Jeder hatte eine Meinung dazu und wusste es besser. Ich habe mich für einen Abbruch entschieden, und es niemals bereut.
Die umständliche Kostenübernahme
Eine Praxis finden
Spießrutenlauf
Einen Arzt zu finden, war sehr schwer. Erstens war Urlaubszeit und von den drei Ärzten waren zwei im Urlaub. Der andere, der Zeit hatte, war so unfreundlich am Telefon, dass man gedacht hat, man macht einen Termin im Schlachthof aus. Die anderen Ärzte in der Region haben es in der siebten Schwangerschaftswoche nicht mehr mit Tabletten gemacht. Also musste ich fast 200 Kilometer in ein anderes Bundesland fahren, um einen Arzt zu finden, der den Eingriff macht.
Fahrt zum Abbruch
Fahrt zum Abbruch – Keine Hilfe vor Ort
— Bayern, 2020
Der Abbruch
Der Abbruch – Fließbandabfertigung und feindselige Behandlung
Der Arzt ist als „Metzger“ bekannt. Der Abbruch war schmerzhaft, laut und der Dämmerschlaf fast ohne Wirkung. Der Arzt hat beim Vorgespräch Witze über tote Babys gemacht und dass eine Patientin Bestatterin sei, falls ich nicht überlebe. Ich musste aber zu dieser Praxis, weil alle anderen im Umkreis keine Termine mehr hatten für sechs Wochen.
— Baden-Württemberg, 2009
Nachversorgung
Nachversorgung – Alleingelassen
In dem Krankenhaus, in dem ich meinen Abbruch hatte, habe ich keinen Termin für eine Nachuntersuchung bekommen. Ich habe mich dann wochenlang durch Praxen telefoniert – ohne Erfolg. Ich hatte mehrere Wochen schlimme Schmerzen. Erst durch die Hilfe meiner Krankenkasse habe ich einen Termin in einer anderen Stadt bekommen. Der Gynäkologe dort sagte, dass er mir viel Leid hätte ersparen können, wenn ich früher eine Nachuntersuchung gehabt hätte. Mein ganzer Uterus war entzündet.
Dramatische Folgen
Verlorenes Vertrauen – Die Folgen
Autorinnen und Autoren: Max Donheiser, Emilia Garbsch, Miriam Lenz, Pia Siber, Sophia Stahl
Redaktionelle Mitarbeit: Hatice Kahraman, Jonathan Sachse
Faktencheck: Katarina Huth
Illustration: Mohamed Anwar
Design: Belén Ríos Falcón
Animation: Mustafa Nada