Wem gehört die Stadt?

Neun Städte und ein ganzes Bundesland, mehrere tausend Bürger und hunderte Artikel. Bei der Schwarm-Recherche „Wem gehört die Stadt?“ kooperiert CORRECTIV mit lokalen Medien, um den Wohnungsmarkt mit Hilfe der Bürger transparenter zu machen.

Seit Anfang 2018 leiten wir ein groß angelegtes Rechercheprojekt gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern zu Eigentumsstrukturen im Immobilienmarkt. In Kooperation mit lokalen Medienpartnern schaffen wir mittlerweile in neun Städten und dem Saarland mehr Transparenz im Wohnungsmarkt.

Weil kaum etwas über den Markt bekannt ist, beteiligen wir die Bürger an der Recherche. Dafür haben wir eine virtuelle Plattform gebaut, den CrowdNewsroom. In großen Kampagnen aktivieren wir die Bürger, um sich an der Recherche zu beteiligen. Mieter können auf unserer Plattform den Namen des Eigentümers eingeben, einen Beleg dazu hochladen und uns Hinweise geben. Bisher haben sich mehrere tausend Bürger beteiligt. Aus diesen und weiteren Hinweisen veröffentlichen wir mit den Partnern fortlaufend Artikel-Serien über mehrere Monate.

Für das Projekt „Wem gehört die Stadt“ gibt es einen einfachen Grund: Der Wohnungsmarkt ist in hohem Maß intransparent. Mittlerweile aber ist das Eigentum in Städten zu einer der politischen Fragen der Zeit geworden. Denn Wohnen ist für viele zur Existenzfrage geworden. Mieten gehen durch die Decke. Die einen fürchten sich davor, aus ihren Wohnvierteln verdrängt zu werden. Die anderen schaffen es schlicht nicht, in Städten bezahlbare Wohnungen zu finden.

Wir wollen wissen: Wer steht hinter den Häusern? Wer profitiert von den Preisen am Markt? Wo landet die Miete am Ende und wo kommt das Geld her, dass die Immobilienpreise nach oben treibt? Das sind klassische journalistische Ansätze, um mehr Licht ins Dunkel zu bringen.

Da der Markt so undurchsichtig ist, gehen wir einen ebenso ungewöhnlichen wie klaren Weg: Die Bürger können sich mit ihrem Wissen beteiligen. Dafür haben wir die virtuelle Plattform gebaut, den CrowdNewsroom, in dem wir die Informationen der Bürger strukturiert sammeln. In einigen Fällen wissen Mieter selbst nicht, wer der Eigentümer ist. Dafür bieten wir Ihnen an, eine Anfrage beim Grundbuchamt für sie zu stellen. Dies Daten behandeln wir mit großer Sorgfalt und verwenden sie als Grundlage für unsere Recherchen.

Über den CrowdNewsroom haben uns mittlerweile mehr als 6.000 Menschen ihre Mietverträge anvertraut und viele persönliche Mietergeschichten geteilt. Mit diesem Vertrauen gehen wir sorgfältig um. Um möglichst viele Bürger zu erreichen, führen wir eine lang angelegte Serie mit unseren lokalen Medienpartnern über mehrere Monate durch. Neben Artikeln zum Thema laden die lokalen Medien zu Debatten ein, bei denen Investoren, Initiativen, Mieter und Politiker ins Gespräch kommen. Andere Organisationen, Blogs oder Initiativen unterstützen in vielen Orten den Aufruf zur Teilnahme.

Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir Ideen, wie wir Leser für das Projekt gewinnen können: Das reicht von öffentlichen Stadtgesprächen über Picknicks, lokalen Ständen auf Marktplätzen bis zu Kunstaktionen. Eine Recherche mit den Bürgern: dieses Motto haben vor allem die Kollegen in Lüneburg mit einer intelligenten und witzigen Kampagne ausgefüllt.

In Hamburg startete die erste Kampagne
Während der Projekt-Kampagne schicken uns auch Hinweisgeber auf anderen Wegen Informationen zu Beständen im Markt. Wir fragen in den jeweiligen Kommunen zudem strukturiert Daten über Verkäufe und Beständen der Städte ab.

Mit den Informationen können wir strukturiert und investigativ recherchieren oder offensichtliche Missstände aufzeigen.

Vor zwei Jahren starteten wir diese Recherchereihe mit dem Pilotprojekt „Wem gehört Hamburg?“. Gemeinsam mit dem Hamburger Abendblatt riefen wir erstmals über zwei Monate Bürgerinnen und Bürger dazu, sich zu beteiligen. An der Recherche haben sich mehr als 1.000 Menschen beteiligtet. Durch die hohe Beteiligung konnten wir mehr als 15.000 Wohnungen konkreten Namen von privaten Eigentümern zuordnen und zu den Problemen recherchieren, die aufgrund der Intransparenz des Immobilienmarktes in Deutschland existieren. Wir konnten berichten, wie die Hansestadt an Firmen in Steueroasen Grundstücke verkaufte; wie eine städtische Immobilienfirma und Pensionskassen am Boom mitverdienen; oder wie die Intransparenz des Wohnungsmarktes die Verfolgung von organisierter Kriminalität erschwert. Überraschend war, dass wir sehr viele Einträge von Genossenschafts-Mietern bekamen und kein einziger davon negativ war. Das gab es bei keinem anderen Eigentümer-Typ. Die Genossenschaften veröffentlichten im Lauf unseres Projektes ihren kompletten Bestand von über 130.000 Wohnungen.

Die Jury des Grimme Online Awards 2019 zeichnete die Recherche in Hamburg als ein „herausragendes Beispiel“ aus, wie Journalismus im Netz und unter Nutzung digitaler Tools seiner gesellschaftlichen Aufgabe und Verantwortung gerecht werden könne.

Sieben abgeschlossene Recherchen
Wir übertrugen die Bürgerrecherche auf weitere Städte, immer in Kooperationen mit lokal verankerten Medien. Mittlerweile haben Redaktionen in den Großstädten Hamburg, Berlin, München und Düsseldorf das Projekt umgesetzt. Und wir suchten ganz bewusst Partner abseits der Metropolen in Städten, die eine ganz eigene Dynamik am Immobilienmarkt erleben. Es beteiligten sich Leserinnen und Lesern von Tageszeitungen in Lüneburg, Heidenheim und Minden. Die Auswertung mit den Lokalpartnern zeigte ganz unterschiedliche Phänomene. In Metropolen wie Berlin können wir über dubiose Firmengeflechte bis hin zu Steueroasen berichten, über Steuervermeidung sowie das Ausnutzen der Regeln zum Schaden der Mieter. In anderen Städten, sei es eine hochpreisige wie Düsseldorf oder eine kleine Stadt wie Minden, ist der Druck in Teilen auf die Mieter ähnlich hoch. Die Phänomene gleichen sich, weil Investoren auch diese Städte längst als Anlagemöglichkeit nutzen. Dadurch verschärfen sich Konflikte auf dem Wohnungsmarkt auch dort.

Mit mehr Informationen kann eine differenzierte Debatte geführt werden. Wir konnten über faire und dubiose Investoren berichten, über nachhaltigen Städtebau und den Ausverkauf von Grundstücken durch die Kommune. In allen Städten, in denen wir mit den Bürgern recherchierten, entstanden durch das gewonnene Wissen über den Markt auch lebhafte und vor allem konstruktive Debatten mit Mietern, Politikern, Vermietern oder Initiativen, wie der Wohnungsmarkt besser reguliert werden kann.

Mittlerweile wird auf politischer Ebene diskutiert, ob es ein Immobilienregister geben sollte, in dem zumindest die Firmen einsehbar sein sollten. Gerade Steuerfahnder und Geldwäsche-Experten fordern das seit Langem.

Zürich

In Kooperation mit dem Stadtmagazin Tsür

Zürich ist eine der teuersten Städte der Welt – vor allem, was das Wohnen angeht. Zusammen mit dem Stadtmagazin Tsüri nahmen wir den Kreis 8, das Zürcher Seefeld und angrenzende Quartiere, unter die Lupe. Ziel der groß angelegten Crowdrecherche: Gemeinsam mit den Bewohner*innen herauszufinden, wer von der berüchtigten «Seefeldisierung», der Gentrifizierung im Quartier, profitiert – und wer das Nachsehen hat.

Mieter:innen ärgern sich unserer Recherche zufolge vor allem über stark erhöhte Mietzinse bei der Neuvermietung. Manche Bewohner:innen berichteten uns von Aufschlägen von 400 Franken und mehr, auch wenn nur die Wände gestrichen wurden. Argumentiert wird jedes Mal gleich: mit der sogenannten «Orts- und Quartierüblichkeit» der Miete. Die meisten Mieter:innen trauen sich ihren eigenen Angaben zufolge nicht, den als zu hoch empfundenen Anfangsmietzins anzufechten. Sie fürchten Nachteile gegenüber der Verwaltung oder eine Niederlage, sollte es zu einem Prozess kommen. Dabei seien solche Anfechtungen, gerade wenn die Eigentümer:innen mit «Quartierüblichkeit» argumentierten, fast immer erfolgreich, sagt Walter Angst vom Mieterverband Zürich. Denn die Berechnung der Quartierüblichkeit sei sehr komplex, und die Vermietenden im Zweifel in der Beweispflicht.

Geht es um die Eigtumsstrukturen, lassen sich im Bild, das die Ergebnisse des CrowdNewsrooms zeichnen, Muster erkennen. So zeigt sich beispielsweise, dass Banken, Versicherungen und Pensionskassen besonders viel Grundeigentum an den großen Hauptstrassen wie der Seefeldstrasse oder der Mühlebachstrasse besitzen. In kleineren Seitenstrassen dominieren private Eigentümer:innen, die ihre Häuser oft seit Generationen halten. Viele Teilnehmer:innen sehen die Entwicklungen der letzten Jahre mit Sorge. Das Seefeld verliere durch die Gentrifizierung an Charakter, heißt es. Fast nur Gutverdienende zögen zu, was die Tendenz zu Anonymität und autolastigem Verkehr verstärke.

Saarland

In Kooperation mit dem Saarländischen Rundfunk

Erstmals haben wir gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern den Immobilienmarkt eines ganzen Bundeslandes untersucht. Da im Saarland nur jede dritte Person in einer Mietwohnung wohnt, wurden auch Eigenheim-Besitzer aufgerufen, an der Bürgerrecherche teilzunehmen.

Steigende Mieten, knapper Wohnraum, fehlende Baugrundstücke: Auch im Saarland ist die Wohnungssuche inzwischen schwierig. Der Saarländische Rundfunk und das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV starteten deshalb am 30. September 2020 die Bürgerrecherche „Wem gehört das Saarland?“. Vier Wochen können Saarländerinnen und Saarländer Informationen zu ihrer Wohnsituation mitteilen. Gefragt sind dabei Angaben von Mieterinnen und Eigentümern. Anschließend veröffentlichten wir die Ergebnisse der Recherchen, darunter im Februar 2021 eine Geschichte zu einem komplexen Firmen-Netzwerk mit Verbindungen zu einer schottischen Adelsfamilie.

Auch im Saarland sind die Mietpreise in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die Saarländer müssen anteilig immer mehr von ihrem Nettoeinkommen für die Miete ausgeben. Auch für Eigentümer eines Hauses ist es schwieriger geworden: die Bodenpreise steigen, die Auflagen der Kommunen sind kompliziert. Mit den Angaben der Bürgerinnen und Bürger über ihre eigene Wohnsituation haben CORRECTIV und der SR die Hintergründe recherchiert. Welche Rolle spielen institutionelle Anleger, ausländische Investoren oder Kommunen? Wie stark sind die Mieten gestiegen? Mit welchen Problemen haben Käufer von Eigenheimen zu kämpfen?

Rund 1100 Saarländerinnen und Saarländer haben am Ende bei der Bürgerrecherche mitgemacht und ihre Daten geteilt. Die Rückmeldungen haben zu vielen Erkenntnissen rund um das Thema Wohnen geführt. Dazu zählen zum Beispiel Probleme von Mietern, die monatelang ihrer Kaution hinterherrennen, und der Ärger von Vermietern, wenn Mieter beim Auszug Chaos hinterlassen. Viele Privatvermieter lassen ihre Wohnungen nach schlechten Erfahrungen sogar lieber leer stehen – aus Angst, erneut an die falschen Mieter zu geraten. Das führt zu größerem Leerstand, gerade im ländlichen Raum.

Wir konnten über ein komplexes internationales Firmennetzwerk berichten, das an tausenden Wohnungen im Saarland und in Deutschland verdient und sich dabei zahlreicher Steuertricks bedient. Auf der einen Seite klagen Mieter darüber, dass sich die Eigentümer kaum um die Immobilien kümmern. Auf der anderen Seite vermeiden die anonymen Immobilienfonds systematisch Steuern – der Schaden für die Staatskasse dürfte in die Millionen gehen. Dieses Firmennetzwerk konnten wir dank der Hinweise von den Mieterinnen und Mietern aufdecken. Diesen Unternehmen waren bis zum Jahreswechsel 2020/21 mindestens 2.000 Wohnungen in Deutschland gehören. Dahinter stehen unter anderem Mitglieder einer schottischen Adels-Familie, dem Gordon-Clan.

Bei den Veröffentlichungen gingen wir auch auf die hohe Eigentümerquote im Saarland ein. Erstmals wurden auch Eigenheim-Besitzer mit zusätzlichen Fragen aufgerufen, an der Bürgerrecherche teilzunehmen. Für sie ist nach den Erkenntnissen der Recherche vor allem die Immobiliensuche ein Problem. Viele Menschen haben berichtet, dass Häuser unter der Hand weggingen und die Immobilien auf dem Markt in schlechtem Zustand und trotzdem teuer seien. Das untermauert auch der Grundstücksmarktbericht der Landesregierung. Demnach ist Bauland im Saarland in den letzten beiden Jahren im Schnitt um 13 Prozent teurer geworden, Einfamilienhäuser immerhin um 7,5 Prozent.

München, Augsburg & Würzburg

In Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk
1500 Bürgerinnen und Bürger haben mitgemacht. In Bayern tauchen neben Brauerei-Konzernen als Immobilienbesitzer auch anonyme Firmen aus Luxemburg oder dem US-amerikanischen Delaware auf.
Zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk hat CORRECTIV erstmals eine Bürgerrecherche im Süden Deutschlands gestartet: In Augsburg, München und Würzburg fragten wir im Frühjahr 2020 „Wem gehört die Stadt?“. Ab dem 15. Juli wurden die ersten Ergebnisse über die Akteure am bayerischen Immobilienmarkt veröffentlicht.

Schon seit langer Zeit sind Städte wie München, Augsburg und Würzburg von stark steigenden Miet- und Immobilienpreisen betroffen. Nach erfolgreichen Recherchen in Hamburg, Berlin und anderen Städten kooperiert das Recherchezentrum CORRECTIV in seiner „Wem gehört?“-Reihe erstmals mit einem öffentlich-rechtlichen Partner, der das Projekt trimedial (Online, TV, Radio) ausspielt.

In den drei bayerischen Städten zeigen sich nun einige regionale Besonderheiten. So spielen Brauereien als Immobilieninvestoren eine ungeahnte Rolle. Doch auch Firmen aus einschlägigen Steueroasen mischen im Münchner Markt mit. So führen die Miet-Spuren in die Karibik, nach Zypern oder ins US-amerikanische Delaware, wo sich die Identität der Eigentümer besonders leicht verschleiern lässt.

Weitere Schwerpunkte der Recherche waren Tricks, wie Investoren das Vorkaufsrecht der Städte ausspielen, und typische Geldwäschemodelle im Immobiliensektor.

Hamburg

In Kooperation mit dem Hamburger AbendblattZur Projektseite
In unserem Pilotprojekt konnten wir das Eigentum von 150.000 Wohnungen offen legen. Das Projekt wurde 2019 mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

In Hamburg haben wir gemeinsam mit dem Hamburger Abendblatt das Pilotprojekt für unsere Recherche mit den Bürgern zum Wohnungsmarkt gestartet. Wir waren mit einer mobilen Lokalredaktion für mehrere Monate vor Ort und haben herausgefunden, welche Eigentümer in der Stadt sind und wie sie sich verhalten.

Über drei Monate lief eine groß angelegte Aktion, um die Bürgerinnen und Bürger der Stadt aufzurufen, teilzunehmen und sie einzuladen, aktiv an einer Debatte über den Wohnungsmarkt zu beteiligen.

Im Ergebnis konnten wir zu über 15.000 Wohnungen die Eigentümer recherchieren und daraus relevante Erkenntnisse über den Wohnungsmarkt gewinnen.

Gemeinsam mit dem Hamburger Abendblatt haben wir regelmäßig aus einer neuen Perspektive über das Thema berichtet: Ausgehend davon, wie Eigentümer den Markt prägen. Welche Typen von Eigentümern es gibt, wer am Ende von den Gewinnen aus den Mieten profitiert. Welche Vermieter ein gutes Verhältnis zu ihren Mietern pflegen und welche rücksichtslos mit Mietern umgehen. Wie die Stadt selbst Eigentum verkauft und wie leicht es ist, Schwarzgeld im deutschen Immobilienmarkt unterzubringen.

Die Informationen der Bürger waren für uns die Grundlage, investigativ zu recherchieren. Über mehrere Monate haben wir Daten und Hinweise ausgewertet, mit denen wir Firmenstrukturen recherchiert sowie Muster zu bestimmten Eigentümergruppen erkennen konnten.

Während der Recherche haben wir in den Räumen unser temporären Lokalredaktion in St. Pauli regelmäßig Debatten mit Initiativen, Stadtpolitikern, Maklern, Investoren und Mietervereinen veranstaltet. Weil wir auf die Beteiligung der Bürger setzen, wollen wir sie auch einbinden und ermuntern, mit uns ins Gespräch zu kommen, das journalistische Projekt auch dazu nutzen, ein Thema in der Stadt sichtbar zu machen.

Neben den Einladungen, zu uns in die Redaktion zu kommen, haben wir Initiativen und Bürgergruppen gewonnen, unsere Recherche bekannter zu machen. der Mieterverein zu Hamburg war dabei, ein Studentenblog, die Obdachlosenzeitung Hinz und Kunzt. Mit Grafikstudenten der HAW Hamburg haben wir ein Kunstprojekt zum Thema umgesetzt.

In einer großen Endauswertung haben wir unsere Recherche-Ergebnisse in einem sechsseitigen Schwerpunkt im Hamburger Abendblatt und auf einer eigenen Landing Page veröffentlicht.

Das Projekt wurde mit dem Grimme Online Award 2019 in der Kategorie „Information“ ausgezeichnet.

Düsseldorf

In Kooperation mit der RP Online

Selbst teure Städte werden immer teurer. Für Normalverdiener ist in Düsseldorf kaum noch Platz. Anonyme Eigentümer sorgen für Unsicherheit.

Europaweit zählt Düsseldorf zu einem der attraktivsten Orte für Investoren im Wohnungsmarkt. Die Stadt boomt, es gibt viel Zuzug. Der Druck auf Mieter ist hoch. Gemeinsam mit der Rheinischen Post haben wir recherchiert, wer den Markt verändert.

Im Oktober gab es bei unserer Kampagne einen Schlüsselmoment: Die Rheinische Post hatte ein Stadtgespräch organisiert, über 200 Bürgerinnen und Bürger waren da. Während der Debatte kamen plötzlich Investoren, Stadtvertreter, Architekten, Mieterinnen, Eigentümer miteinander ins Gespräch. Das Publikum diskutierte selbst, ein Stadtgespräch über „Wem gehört Düsseldorf“ entstand.

Die Rheinische Post und wir bekamen in der Folge viele Hinweise, Eigentümer-Listen und Geschichten zugeschickt. Darunter Ideen, was besser werden könnte. Auch in der Stadt am Rhein ziehen Investoren leise ihre Kreise, wir haben Folgen für die Mieter sichtbar gemacht und aufgeklärt, wer dahinter steht.

Berlin

In Kooperation mit dem Tagesspiegel
Verdeckte Investoren, Firmen in Steuerparadiesen, eine polarisierte Debatte über Enteignung. In Berlin zeigen sich die Extreme des Marktes.

Die deutsche Hauptstadt ist längst zum Symbol für den Druck auf dem Wohnungsmarkt geworden. Gemeinsam mit dem Tagesspiegel haben wir eine lebhafte Kampagne gestartet und eine sehr hohe Beteiligung der Bürger erreicht.

Aus den gewonnen Informationen haben wir uns auf die großen Eigentümer konzentriert, die teilweise versteckt und verschachtelt am Markt agieren.

Die Stadt ist gespalten. In die Mieter, die noch für 6 Euro zur Miete wohnen und die Bewohner, die jetzt in die Stadt ziehen und 14 Euro zahlen. Dadurch gibt es in der Stadt kaum Bewegung. Die Altmieter ziehen nicht aus, weil jede Veränderung eine Mietsteigerung um 100 Prozent bedeuten würde.

Es gibt Eigentümer, die beides ausnutzen: Die unteren Preise hochziehen und Mieter verdrängen. Und oben die Höchstpreise ansetzen. Es gibt Bodenspekulationen, die Misere der verkauften Kommunal-Wohnungen. Es gibt betrügerische Umwandlungen von Mietwohnungen und auch hier ist das Thema Geldwäsche präsent.

Zugleich ist die politische Debatte zum Wohnungsmarkt so polarisiert wie in keiner anderen deutschen Stadt. Sichtbar ist das mit der Bürgerinitiative geworden, den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen zu enteignen. Weiteren Zündstoff bot der jüngste Beschluss, die Mieten für fünf Jahre zu deckeln.

In dieser Atmosphäre kritisierten Eigentümerverbände das Projekt anfangs sehr aggressiv. Gleichzeitig bot sich die Möglichkeit, für die aktuellen politischen Debatten mit unseren Recherchen eine bessere Grundlage zu schaffen.

Der Tagesspiegel berichtete im Lauf der Recherche über Wohnungen, die systematisch überteuert vermietet werden sowie über unbekannte Firmennamen der großen Eigentümer der Stadt. In teilweise hitzigen Debatten, die der Tagesspiegel in mehreren Bezirken der Stadt organisierte, ging es um Ideen und Forderungen an die kommunale Politik. Der bekannte Investor Christoph Gröner sprach sich dabei für mehr Transparenz aus, wenn es helfe „schwarze Schafe zu entdecken.“

Ein Beispiel war unsere investigative Recherche zu einem verdeckt agierenden Groß-Eigentümer in Berlin. Wir hatten mehrere Mieter-Hinweise auf ein Firmengeflecht bekommen, bei dem es sich um Briefkastenfirmen handeln soll. Nach unseren Recherchen entdeckten wir verschachtelte Strukturen eines Eigentümers, dem in Berlin anonym über 3.000 Wohnungen gehören und der mit Zwischenfirmen in Luxemburg, Zypern und auf den British Virgin Islands eine Struktur geschaffen hat, um Steuern zu vermeiden und unerkannt zu bleiben.

Im Wohnungsmarkt sind solche Konstruktionen nicht unüblich. Zu zeigen, dass die Miete der Berliner über Umwege und nahezu unversteuert in der Karibik landet und von dort einem britischen Milliardär zufließt, hilft, um Versäumnisse zu debattieren, wie Steuern gerecht eingesammelt werden und wie leicht es ist, im Markt unerkannt zu bleiben. Das ist auch ein Grund, warum der Immobilienmarkt so attraktiv für Geldwäsche ist.

Heidenheim

In Kooperation mit der Heidenheimer Zeitung
Die hohen Preise, die dubiosen Käufer sind längst in den kleineren Städten angekommen. Zusammen mit der Heidenheimer Zeitung haben wir im Februar die Schwarmrecherche gestartet.

Heidenheim ist eine mittelgroße Stadt auf der schwäbischen Alb. Auch dort spüren Mieter den Druck. Unnötige Sanierungen, die zu höheren Mieten führen, dubiose Weiterverkäufe von Häusern. Die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind längst nicht mehr auf die Metropolen beschränkt.

Die Heidenheimer Zeitung rief die Bürgerinnen und Bürger auf, mitzumachen und hat dafür sogar eigens eine Sprechstunde in der Redaktion eingerichtet, bei der Mieterinnen und Mieter vorbeikommen können. Zur Zeit läuft die Auswertung.

Minden

In Kooperation mit dem Mindener Tageblatt
Auch in den kleineren Städten nimmt der Druck auf dem Mietmarkt zu. Ein sperriger Groß-Eigentümer sorgt für Unmut.
Minden ist längst auf dem Radar der Investoren. In der Fachpresse wird berichtet, dass immer wieder Wohnungspakete in Minden international verkauft werden. Zusammen mit dem Mindener Tageblatt recherchieren wir dort über den Markt.

Leerstand von Geschäften in der Innenstadt, Scheinvermietungen von Ladenlokalen, rücksichtslose Mieterhöhungen. In Minden recherchieren wir Fälle, die den Immobilienmarkt unter Druck setzen.

Zur Zeit ruft das Mindener Tageblatt in einer größeren Kampagne die Mindener auf, sich an der Frage „Wem gehört Minden“ zu beteiligen. Die Zeitung hat unseren Fragebogen sogar zum Ausschneiden in der Zeitung abgedruckt, damit möglichst viele Leserinnen und Leser die Möglichkeit haben, mitzumachen.

Gemeinsam mit der Lokalredaktion vor Ort recherchieren wir unter anderem über Eigentümerstrukturen, die weltweit verzweigt sind, aber in Minden investieren. Was treibt sie an, wie verhalten sich die neuen Eigentümer in der Stadt?

Lüneburg

In Kooperation mit der Landeszeitung
Eine Stadt spricht über ihre Erfahrungen mit dem Wohnen: Lüneburg spürt den Druck auf dem Immobilienmarkt. Die Lokalzeitung recherchiert und bringt die Bürger vor allem ins Gespräch.
Nicht weit von Hamburg bekommt Lüneburg den Druck aus der Metropole zu spüren. Viele Hamburger weichen nach Lüneburg aus, weil sie sich die gestiegenen Preise nicht mehr leisten können. Dadurch steigen auch in Lüneburg die Preise, die Stadt wird zugleich attraktiver für Investoren.

Gerüchte über dubiose Käufer der Fachwerkhäuser in der Innenstadt machen die Runde, Mieter beklagen zunehmende Spannungen wegen Mieterhöhungen und als Besonderheit in Lüneburg gibt es Konflikte um die Zinslast bei Erbbaurechtsverträgen. Diese sind in der Stadt weit verbreitet.

Um die Bürger zu aktivieren und die Frage „Wem gehört Lüneburg?“ zum Stadtgespräch zu machen, entwickelte die Landeszeitung zusammen mit der Agentur „Tactile News“ innovative Ideen und Formate. Zum Start der Kampagne lud die Zeitung ihre Leser zu einem gemeinsamen Picknick mit dem Bürgermeister. Mit Ballons, Sprühfarbe und Plakaten warb sie in der ganzen Stadt für Aufmerksamkeit. Leser konnten mit „Wem gehört Lüneburg“- Brötchentüten gratis zum Bäcker gehen. Dort konnten die Leser an einem mobilen Stand mit den Journalisten ins Gespräch kommen.

Die Kollegen waren zudem auf Wochenmärkten unterwegs, stellten Papphäuser mit dem Logo in der Stadt auf und schufen damit Gelegenheiten, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Kreativ und innovativ setzte die Landeszeitung damit einen Maßstab, wie eine Lokalzeitung ein Thema in der Stadt setzt und ein Angebot schafft, sich mit Bürgern aktiv auszutauschen.

Mit der Sichtbarkeit erreichte die Landeszeitung eine hohe Beteiligung, so dass sie in der Auswertung über die spezifischen Probleme einer Schwarmstadt berichten kann.