Die geheimen Eigentümer
Wie wir bei „Wem gehört Berlin“ ein Firmengeflecht von Berliner Wohnungen bis auf die British Virgin Islands enttarnten und was die Intransparenz im Wohnungsmarkt für Folgen hat.
Berlin, Singerstraße 109, ein Tag im Februar 2019. Der Informant hat am Konferenztisch von CORRECTIV Platz genommen. Justus von Daniels ebenfalls. Er ist verantwortlich für die Projektreihe „Wem gehört die Stadt?”. Der 40-jährige Reporter kommt gleich zur Sache: „Ich lese Ihnen mal 80 Firmennamen aus Steuerparadiesen vor und Sie sagen ‘Stop’, wenn Ihnen welche auffallen.“
Der Informant ist einverstanden. Daniels klappt seinen Laptop auf. In einer Datenbank sind Namen gesammelt. Namen von Immobilieneigentümern und Investoren aus Berlin. Namen von Firmen und Personen, denen Berlin gehört. Zumindest ein Teil von Berlin.
„Realmove Holdings“. Der Informat hört aufmerksam zu, aber schweigt. Er kennt den Immobilienmarkt in Berlin wie kaum ein anderer.
„Second Wedding Limited, Angel Properties.“
„Stop!“ Daniels blickt kurz von seinem Laptop auf: „Carolyn Properties?“
„Stop!“, sagt der Informant. „Taucht Juventus Properties da auch auf? Die gehören meines Wissens alle zu Pears.“ Ja, der steht auch drin. Ein dutzend dieser Firmen kommen zusammen.
Pears ist ein Name, der in Berlin seit einiger Zeit als Gerücht kursiert. Die Firma soll in Berlin tausende von Wohnungen besitzen, verstreut auf viele einzelne Luxemburger Firmen. Es wird sich herausstellen, dass das Unternehmen in Deutschland kaum Steuern zahlt. Ein komplexes Firmengeflecht über den halben Globus macht es möglich, dass Mieten aus Berliner Kiezen auf den British Virgin Islands landen können.
In Berlin startete CORRECTIV die Bürger-Recherche „Wem gehört Berlin?“ gemeinsam mit dem Tagesspiegel im Oktober 2018. Auf einer Onlineplattform konnten Mieterinnen und Mieter Eigentümer von Immobilien anonym mitteilen. Ziel dieses Projektes ist es, mehr Transparenz in den Wohnungsmarkt zu bringen. Daher führt CORRECTIV die Recherche auch in anderen großen Städten wie Hamburg und Düsseldorf, aber auch in kleineren Orten wie Heidenheim, Minden oder Lüneburg durch.
Die Debatte um explodierende Wohnungspreise, um rücksichtslose Hausverwaltungen, um Renditegier im Häusermarkt und die Fehler der Politik ist längst heiß gelaufen. Ein Grund für das gewachsene Misstrauen ist, dass so wenig darüber bekannt ist, wer die Wohnhäuser besitzt und welche Geschäftsmodelle dahinter stehen. Fakt ist, durch geschickte Firmenkonstrukte gehen den Städten in Deutschland Jahr für Jahr Millionen an Steuergeldern verloren.
Die Milliardäre und ihre Mieter
Bei Pears handelt sich um eine britische Milliardärs-Familie, die die Öffentlichkeit scheut. Drei Brüder führen die Geschäfte, vor allem Immobilien. In einem Artikel im britischen „Independent“ wird 1998 behauptet, die damals 64-jährige Clarice Pears, Mutter der Pears-Söhne, sei gar reicher als die Queen.
Nach außen gibt sich die Milliardärsfamilie Pears als Wohltäter: Mit bis zu 20 Millionen Pfund pro Jahr fördere man Schulen, medizinische Versorgung, Entwicklungshilfe in Afrika. In einem Werbevideo für die soziale Aktivität der Pears-Familie sagt Trevor Pears, einer der drei Söhne: „It’s hard to do good“ – es ist schwer, Gutes zu tun.
Wie groß ist das Immobilien-Imperium in Berlin? Dieser Frage wollen die Reporter-Teams von CORRECTIV und dem Tagesspiegel nachgehen. Öffentlich bekannt ist nur, dass die Familie in Deutschland unter dem Namen „Pears Global Real Estate“ ein kleines Büro im 5. Stock eines Geschäftshauses am Kurfürstendamm in Berlin unterhält.
Über die Online-Plattform „Wem gehört Berlin?“ haben tausende von Mietern Informationen hochgeladen. Viele haben ihre Nöte mit den Hausverwaltungen geschildert, ihre Ängste vor Verkauf der Wohnungen, aber auch ihre guten Erfahrungen mit fairen Vermietern beschrieben.
Mieter konnten auf der Plattform auch Kommentare hinterlassen. Zu mehreren Luxemburger Firmen gab es ähnliche Einträge. Eine Mieterin schrieb: „Das Haus wurde im Sommer 2017 an eine dubiose Briefkastenfirma“ verkauft.
Eine andere Mieterin notiert: „Das gesamte Objekt (…) wurde kürzlich an einen ausländischen Investor (man munkelt an eine amerikanische Millionärin) veräußert, die das Objekt unter einer Luxemburger Objektgesellschaft, nämlich der Carolyn Properties S.a.r.l., führt, was wahrscheinlich einen steuerrechtlichen Hintergrund hat.“
Mit der Unwissenheit über den Eigentümer kommt die Unsicherheit.
„Was hat der neue Eigentümer vor? Müssen wir Sachen wie Share Deals, Mietermobbing, kaschierte Modernisierung, Aufteilung o.ä. befürchten?,“ trägt ein Mieter ein.
Ausgewertet werden die Hinweise im zweiten Stock des Tagesspiegel. Über mehrere Tage sitzen das Tagesspiegel-Team des Innovation Lab gemeinsam mit den CORRECTIV-Journalisten in einem großen halbrunden Raum. Die insgesamt neun Reporterinnen und Reporter ordnen die Einträge nach ähnlichen Strukturen oder Hinweisen von Mietern. Immer wieder liest jemand laut eine Story vor. Entweder weil die Geschichte so schockierend ist, oder weil es zu bestimmten Vermietern dieselben Beschwerdemuster gibt.
Es haben sich so viele Mieter aus Berlin auf der Online-Plattform gemeldet, dass der Tagesspiegel in Kooperation mit CORRECTIV in den nächsten Wochen regelmäßig über weitere Ergebnisse, vor allem über die Strukturen der Groß-Eigentümer berichten wird.
Ins Auge stechen auch die Luxemburger Firmen mit der immer gleichen Namensendung „Properties“: Alle sind in dem europäischen Steuerparadies an derselben Adresse registriert. Ein paar Tage später fügt sich das erste Puzzleteil, als Justus von Daniels von seinem Informanten erfährt, dass diese Firmen zu der Pears-Gruppe gehören sollen. Es ist der Beginn einer Spurensuche: von verstaubten Berliner Archiven bis auf tropische Inseln, die als Steueroasen gelten.
An diesem Fall interessiert die Reporter, warum ein Investor um jeden Preis anonym bleiben will und inwiefern er davon profitiert.
Kekse und Steinchen
Manche Infos haben Mieter schon selbst zusammengetragen. So zum Beispiel das Bild von einem Briefkasten in Luxemburg, auf dem rund 80 Firmennamen stehen. Veröffentlicht hat es eine Mietergemeinschaft aus der Weisestraße in Berlin-Neukölln. Es sind Mieter, die zu Immobilien-Detektiven wurden. Die Mieter stießen auf ihrer Suche schon mal auf den Namen Pears, fanden den Briefkasten in Luxemburg und auch Hinweise im dänischen Handelsregister. Aber einen direkten Weg dieser ganzen Firmen zum wahren Eigentümer gab es nicht.
Hendrik Lehmann vom Tagesspiegel besucht einen der Mieter in Kreuzberg: Ende vergangenen Jahres wurde sein Haus von einer Luxemburger Firma gekauft, die auf den Namen „Angel Properties“ hört. „Wem gehört das Haus wirklich?”, fragt er die Hausverwaltung, „Was können wir erwarten?” Seit er von einem ähnlichen Fall gehört hat, vermutet er: „Das ist eine Briefkastenfirma.“
Um das große Bild zusammenzusetzen, helfen manchmal kleine Steinchen, die man sammeln muss. Das Recherche-Team beschließt, zunächst die acht Grundbuchämter in Berlin anzuschreiben, um zu prüfen, wie viele Wohnungen dieser Firmen in Berlin dokumentierbar sind. Sie begründen einen „Antrag auf Einsicht“ in die Grundbücher mit den dutzenden von Firmen, die dem Anschein nach denselben Eigentümer haben sollen und hängen eine Liste von 80 Firmennamen an ihren Antrag an.
Fünf der acht Ämter antworten, dass sie insgesamt 25 dieser Firmen bei ihnen finden konnten und die Journalisten am besten direkt vorbeikommen sollen.
An einem Dienstag fährt Michel Penke zum Amtsgericht Neukölln. Er arbeitet seit Februar im Team der Datenjournalisten bei CORRECTIV. Dass Datenjournalismus auch bedeuten kann, Berge von Handakten in Grundbüchern zu durchforsten, ist für ihn neu. Am Ende verbringt er mehr als 50 Stunden in Berlins Grundbuchämtern.
Im Grundbuchamt Neukölln rollt eine Mitarbeiterin einen Aktenbock in den Raum, ein Stapel von 30 Akten, und sagt zu Penke: „Das können sie ja mal durchschauen“.
Penke kann nicht einfach elektronisch einen Firmennamen eingeben und Adressen finden. Er muss Kaufverträge raussuchen, Adressen rausschreiben, und kann sie dann mit elektronischen Grundbuchakten abgleichen. Allein dafür braucht man einen eigenen Kurs. In Neukölln gibt die Mitarbeiterin ihm diese Einführung. Als sich Penke mit Keksen das nächste Mal bedanken will, lehnt sie erst ab. Dann verschwinden sie doch schnell in der Schreibtischschublade.
In einem der Berliner Grundbuchämter soll Penke sich so zum Bildschirm setzen, dass die Behördenmitarbeiterin den Bildschirm von ihrem Platz aus sehen kann. Damit er nicht nach Namen sucht, die nichts mit Pears zu tun haben.
Penke trägt aus den Grundbuchblättern die Anzahl der Wohnungen in eine Liste ein, in der die Namen der Luxemburger Firmen strukturiert sind. Aus den über einhundert Adressen, die einerseits aus den Einträgen der Onlineplattform stammen und andererseits aus den Kaufverträgen, ergibt sich eine Zahl von rund 3500 Wohnungen und Gewerbeeinheiten. Nicht eingerechnet sind die Immobilien, zu denen es zwar Eigentumsangaben zu den Luxemburger Firmen gibt, aber keine nachvollziehbare Zahl von Wohnungen.
Die Enteignungs-Debatte
Mitten in die Recherche platzt im April die Enteignungsdebatte in Berlin – und Pears wird nun stadtpolitisch relevant: Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ veranlasst den Berliner Senat, eine Liste zu erstellen mit Eigentümern, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen. Um abzuschätzen, was Enteignungen kosten würden. Müßte da nicht auch der Name Pears stehen?
Ralf Schönball, der Immobilienexperte des Tagesspiegel, fragt den Senat nach der Pears-Gruppe. Die Antwort: Es lägen „da keine hinreichenden Informationen zu dem aktuellen Bestand in Berlin vor“.
Egal wie man zu der Frage der Enteignung steht, wird die Größe von Wohnungsunternehmen plötzlich politisch. Das Thema ist emotional aufgeladen, auch weil Exzesse und Gier einiger Spekulanten der gesamten Branche nun auf die Füße fallen. Für die Mieter haben Preise und Verhalten der Eigentümer eine existenzielle Bedeutung, viele Vermieter sehen in dem Volksbegehren eine unfaire Debatte.
Pears ist vielleicht nicht der Einzige, der auf der Liste der Großeigentümer fehlt. Der Berliner Senat tut sich schwer, seine Liste mit den Großen zu erstellen. Und die Reporter ahnen warum: Es ist sehr kompliziert, die Eigentumsverhältnisse herauszufinden.
Das Firmengeflecht
In der internationalen Firmendatenbank Orbis, die die Strukturen von tausenden von Firmen weltweit sammelt, könnte man sicher leicht an Infos über das Firmengeflecht kommen, die die Reporter suchen. Nur kostet der Zugang zu Orbis sehr viel Geld. Firmen und Banken nutzen es, für Redaktionen sind solche Datenbanken in der Regel zu teuer.
Über einen Umweg können Daniels und Penke eine Abfrage zu den speziellen Firmen starten. Dort finden sich die entscheidenden Hinweise, dass die Luxemburger Eigentümer verzweigter sind, als es viele der betroffenen Mieter in Berlin ahnen. Der Weg führt nach Zypern und zum Schluss zu zwei kleinen Firmen auf den British Virgin Islands. Aber noch nicht zu Pears.
Dass der Faden auf den British Virgin Islands zunächst abreißt, ärgert die Reporter. Verwundert sind sie nicht. Das Steuerparadies lebt davon, dass Firmen möglichst anonym bleiben. Der Berliner Notar Uwe Fischer bringt es in einem Gespräch auf den Punkt: „Es gibt keinen praktischen Grund, deutschen Grundbesitz dort zu melden, außer man will seinen Besitz verschleiern.“
Also müssen sie weiter Indizien sammeln. Im Internet finden sie ein paar Hinweise, die alle darauf hindeuten, dass die zwei unscheinbaren Firmen in sehr engem Kontakt zu der Pears-Gruppe stehen. Ob es zwei Geschäftsführer sind, die die ganzen Luxemburger Firmen leiten und die zum Teil auch bei Pears arbeiten oder ob es dieselben Adressen der Firmen auf den British Virgin Islands sind. Es finden sich zahlreiche Verquickungen der beiden Firmen mit den offiziellen Pears-Immobilien-Firmen. Der letzte Beweis bleibt aber zunächst aus.
Eine Text-Bild-Suche im Internet hilft, zumindest für eine der beiden Firmen, der Junifler Limited. Auf der Webseite „Yumpu“ findet Penke allerlei Geschäftsdokumente, die dort öffentlich hochgeladen wurden. Darunter ist auch ein Dokument, das offensichtlich die Deutsche Bank im Jahr 2005 erstellt hat, um der irischen Börse zu melden, dass sie einen Kredit an die „Junifler Limited“ auf den British Virgin Islands vermittelt. Dort wird in einem versteckten Satz der Eigentümer dieser Firma erwähnt: „Bernard Pears 1967 Settlement“. So schließt sich der Bogen: Bernard Pears war der Großvater der drei jetzigen Besitzer, die Firma gehört zur Pears-Gruppe.
Auch eine Anfrage beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) hilft weiter. Seit Jahren organisiert die US-amerikanische Organisation weltweite Rechercheprojekte. Der Name Pears findet sich in einem Dokument aus den Panama Papers, dass das ICIJ und die Süddeutsche Zeitung kollegial CORRECTIV zur Verfügung stellen. Direkt unter dem Titel „The B Pears 1967 Settlement“ tauchen in einem Gesprächsmemo auch die Namen der Geschwister Pears auf.
Die zweite Firma auf den British Virgin Islands, die einen Teil der Berliner Firmen besitzt, die Karayan Limited, ist zwar stark mit Pears verbunden, aber der letzte Beweis bleibt auf den British Virgin Islands verborgen.
Warum der Aufwand?
Es gibt Immobilienfirmen, die stolz über ihre Portfolios berichten. Was sie kaufen oder verkaufen. Andere bleiben aus gutem Grund im Dunkeln.
Einer, der sich professionell mit Steuern im Immobilienbereich befasst, ist Christoph Trautvetter. Er ist Referent des „Netzwerk Steuergerechtigkeit“, eine NGO, die Studien erstellt, wie Steuern in Deutschland gerechter erhoben werden könnten. Daniels verabredet sich mit ihm in einem Cafe, um mehr darüber zu erfahren, wie leicht es für Immobilienfirmen ist, Gewinne zu verschieben und Steuern zu sparen. Trautvetter arbeitet zu dem Zeitpunkt an einer Studie für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Anfang Juni veröffentlicht wird, in der die Hintergründe zu den großen Eigentümern in Berlin beleuchtet werden. Dort taucht nun als neuer Player auch Pears auf.
Das konkrete Problem sei, dass Deutschland auf hohe Steuereinnahmen verzichtet, weil sich Immobilienbesitzer arm rechnen und ihre Gewinne über Steuerparadiese verschieben können, so Trautvetter. Genau das Muster, das wir auch bei Pears finden werden.
Trautvetter macht noch eine höhere Ebene auf. „Die Intransparenz höhlt das Grundgesetz aus, nach dem Eigentum verpflichtet. Sie verhindert eine Debatte über die Vermögensverteilung im Land. Wir wissen nicht, wer was ansammelt und kennen die wahren Vermögen nicht.“
Aus den Geschäftsberichten der Luxemburger Firmen errechnet er gemeinsam mit Penke, wie hoch der Gesamtumsatz aus den Mieten und Verkäufen der tausenden Berliner Wohnungen der Pears-Unternehmen ist. Für das Jahr 2017 seien das 49 Millionen Euro. Im gleichen Zeitraum habe Pears aber nur rund 180.000 Euro Steuern angegeben.
Wie geht das?
Der Trick ist simpel: Ein Mietshaus in Berlin gehört einer Objektgesellschaft. Gewinne fallen aber hier nicht an. Die Firma hat auf dem Papier einen Kredit von einer anderen Firma desselben Unternehmensgruppe und muss so hohe Zinsforderungen an die Muttergesellschaft bezahlen, die im Ausland sitzt, vorzugsweise in einem Steuerparadies. Im Fall der Luxemburger Pears-Firmen hat Trautvetter anhand der Jahresabschlüsse errechnet, dass über 17 Millionen Euro Zinszahlungen aus Luxemburg über Zypern Richtung British Virgin Islands fließe. So bleiben trotz der vielen Mieteinahmen in Deutschland kaum Gewinne übrig, die hier versteuert werden müssten. Das Prinzip ist auch aus anderen Branchen bekannt. Der Apple-Konzern bezahlt trotz gewaltiger Einnahmen aus dem Verkauf von Iphones, Ipads und anderer Produkte hierzulande so gut wie keine Steuern. Weil Apple in Deutschland „Lizenzgebühren“ an die Konzern-Mutter mit Sitz in Irland bezahlen muss.
Ein schlaues Konstrukt. Weil es grundsätzlich legal ist. Das Problem sei „nicht die Steuerhinterziehung, sondern die Möglichkeiten, die das Steuerrecht bietet, vor allem wenn es Deutschland verlässt“, sagt der Notar Uwe Fischer. „Aus Sicht der Steuerpolitik ist das eine völlige Fehlentwicklung, weil Steuern dadurch ausbleiben und viel Geld netto ins Ausland geht.“
Was kann die Politik dagegen tun? Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) spricht sich für die Durchsetzung von transparenten Berichtspflichten für Bilanzen über Landesgrenzen hinweg aus. Und für eine „effektive Mindestbesteuerung“. Das sei allerdings bisher nicht durchsetzbar, sagte er auf die Anfrage des Tagesspiegel.
Ist da wer?
Großer anonymer Eigentümer, ein Steuerparadies: Was aber sagt das Unternehmen selbst dazu? Aus den bisherigen Erfahrungen unserer Rechercheprojekte zu „Wem gehört die Stadt“ in Hamburg, Düsseldorf oder Minden bestätigt sich ein Trend: Entweder eine Firma reagiert gar nicht oder schmallippig. Bei Pears ist man anfänglich überrascht, dann abweisend.
Eine erste Anfrage bei dem Berliner Büro zu einem Gespräch per E-Mail bleibt zunächst unbeantwortet.
Als Daniels anruft, um zu prüfen, ob die E-Mail angekommen sei, geht ein Mitarbeiter ran. Nein, es sei nichts angekommen, aber man könne ja nochmal eine E-Mail schicken. Dann legt er auf. Zweiter Versuch. Diesmal ruft Penke an. Am Telefon meldet sich wieder ein Mitarbeiter, der sich auf Nachfrage erst mit seinen Kollegen abstimmen will. Als er wieder den Hörer aufnimmt, behauptet er, neu in der Firma zu sein und nicht weiterhelfen zu können. Die Bitte den Hörer einem erfahrenen Kollegen zu übergeben, blockt er ab: Er sei alleine im Büro. Auch der Hinweis, dass er sich doch gerade mit Kollegen hörbar unterhalten habe, hilft nicht weiter. Dann wird die Leitung unterbrochen.
Kontaktaufnahmen zu den luxemburgischen Geschäftsführern bleiben ähnlich erfolglos. Zwar meldet sich eine Männerstimme, doch einen Namen will er nicht verraten. Wer am Telefon sei? „Die Gegenseite“, heißt es nebulös aus Luxemburg, die Geschäftsführerin sei nicht im Haus. Auch dann ist das Gespräch vorbei.
Ein paar Tage später fährt Daniels zu dem Büro am Kurfürstendamm. Es liegt im Dachgeschoss eines schönen Gründerzeithauses. Als er klingelt, öffnet eine Mitarbeiterin die Tür. Sie bleibt in der Tür stehen, so dass Daniels nicht ins Büro kann. Ob denn die E-Mail angekommen sei, fragt Daniels. Antwort: „Die Geschäftsführung kümmere sich um die E-Mail , sie werde bearbeitet.“ „Wie viele Mitarbeiter arbeiten hier“, fragt Daniels. „Dazu kann ich nichts sagen. Einen schönen Tag noch.“ Die Tür fällt ins Schloß.
Auch in Großbritannien bleiben die Anfragen erfolglos. Die Reporter finden eine E-Mail-Adresse der Pears-Gruppe, an die sie ihre Anfragen schicken. Keine Antwort. Es sind nur noch wenige Tage bis zur Veröffentlichung. Hendrik Lehmann vom Tagesspiegel und Justus von Daniels beschließen, in London bei der Pears-Stiftung anzurufen.
Sie haben Glück. Jemand geht ans Telefon. Freundlich erkundigt sich eine Stimme nach dem Grund des Anrufes. Lehmann und Daniels geben sich als deutsche Journalisten zu erkennen.
Von der Presse? Dann könnte es sein, dass die Firma die Anfrage nicht beantworten wird, sagt der Mitarbeiter. Er lässt sich die E-Mail-Adresse der Reporter diktieren und verspricht sich zu melden.
Aus London kam bisher keine Antwort.
Das Team: Justus von Daniels, Michel Penke, Benjamin Schubert, Simon Wörpel, Anne-Lise Bouyer (CORRECTIV), Hendrik Lehmann, Ralf Schönball, Sarah Gerlach, Andreas Baum, David Meidinger, Michael Gregg (Tagesspiegel)