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Korruption

Mercedes-Benz, Korruption in Usbekistan und ein Stiftungskonto im Saarland

Ein Insider erzählt, wie Korruption aus Deutschland nach dem Kollaps der Sowjetunion nach Usbekistan floss. Auch in Deutschland gab es dubiose Zahlungen. Nach exklusiven CORRECTIV-Recherchen bat der damalige Innenminister des Saarland einen von der Justiz verfolgten Mafiosi um eine Spende für eine SPD-nahe Stiftung – er ist bis heute ihr Vorsitzender.

von Marcus Bensmann , Frederik Richter

Die Erinnerung an das erste Geschenk für Islam Karimow, ein Stift von Montblanc in vollständiger Goldausführung, kommt Albert Boußonville sofort. „Ich habe gesagt, hier noch eine Kleinigkeit, habe ihm das Set übergeben und er hat sich riesig drüber gefreut, weil das Ding hat damals 50.000 DM gekostet.“

Mit dem Zerfall der Sowjetunion brach der saarländische Geschäftsmann Boußonville wie so viele deutsche Unternehmer nach Osten auf, um dort deutsche Produkte zu verkaufen. „Stern des Ostens“ nannte er seine Firma, mit der er Fahrzeuge von Mercedes-Benz in Usbekistan verkaufte. Den Umsatz des Autobauers förderte er mit Schmiergeldzahlungen und Geschenken auch für Karimow, Präsident der gerade erst unabhängig gewordenen ehemaligen Sowjet-Republik. Karimow sollte das Land mit seiner Familie noch 20 Jahre lang brutal unterdrücken und ausbeuten. Für Boußonville sollten die Geschäfte in Zentralasien keinen guten Ausgang nehmen – trotz der Geschenke.

Auch die deutsche Politik wandte sich damals dem Osten zu. Politiker hielten Sonntagsreden über Demokratie und Rechtsstaat und Bundesländer wie das Saarland schlossen Partnerschaften, um den Kollegen in der ehemaligen Sowjetunion saubere Polizeiarbeit beizubringen. Dabei hatte der Rechtsstaat auch in Deutschland Kratzer: So bat der damalige Innenminister des Saarlands kurzerhand einige Unternehmer, darunter ein Geschäftsmann mit Mafia-Kontakten, das Abenteuer in Zentralasien zu finanzieren – die Gelder sollten nicht über den Haushalt, sondern über eine SPD-nahe Stiftung fließen.

Korruption: In bar, als Fahrzeuge für „gewisse Herren“

Busse für die Verkehrsbetriebe, Autos für das Innenministerium und den Geheimdienst und vor allem Kühlfahrzeuge lieferte Boußonville nach Usbekistan. Seine Geschäfte liefen gut. Aufträge im Wert von einer halben Milliarde DM habe er damals als Vertreter von Mercedes-Benz gewonnen, sagt Boußonville.

Das wichtigste Mittel dabei: Schmiergeld. Bis zu zehn Prozent des Auftragswerts seien üblich gewesen. „Das ist mir einmal gesagt worden: Pass auf, hier läuft nichts ohne Bakschisch.“

Boußonville erzählt, wie er das Geld in bar nach Usbekistan gebracht und in den Ministerien einem Vertrauten des jeweiligen Ministers übergeben habe. „Wir haben uns verabredet zum Essen, haben gesoffen und vereinbart, dass ich am nächsten Tag ins Ministerium komme. Dann habe ich meine Umschläge dabei gehabt.“

Einmal sei er mit drei Millionen DM in jenem schwarzen Koffer nach Usbekistan geflogen, den er bis heute in seinem Haus in der Nähe von Saarbrücken aufbewahrt hat. Damit sei der Koffer zu drei Viertel gefüllt gewesen. Einmal sei er sogar mit fünf Millionen DM nach Taschkent geflogen.

Die Gelder habe Mercedes-Benz zuvor auf seine Konten bei Banken im Saarland überwiesen. So zum Beispiel im August 1993. 3,3 Millionen DM überwies Mercedes-Benz laut CORRECTIV vorliegenden Unterlagen auf ein Konto von Boußonville. Der Geschäftsmann durfte über die Gelder erst verfügen, wenn der sein „Einverständnis zu der Auszahlung an die von Ihnen zu benennenden begünstigten Personen“ gab.

Boußonville erledigte die Übergabe des Schmiergelds in Taschkent – um die Sachgeschenke kümmerte sich der Stuttgarter Autobauer selbst. „Gewisse Herren“ müssten bedacht werden, hieß es dann in ihrem Schriftverkehr. Im Juli 1992 besuchte Werner Niefer, Vorstandschef von Mercedes-Benz, das Land und übergab dem Machthaber Karimow einen Mercedes 300 GD sowie einen 560 SEL.

„Kostenlos zur persönlichen Nutzung“, wie der Konzern in einem CORRECTIV vorliegenden Brief aus dem Oktober 1992 unterstrich. „Diese Fahrzeuge gelten als persönliches Geschenk unseres Hauses. Wir wünschen Ihnen gute Fahrt und viel Freude mit diesen beiden Fahrzeugen.“

Nach deutschem Recht möglich

Zu den Geschenken für Karimow gehörte laut Boußonville auch ein Reisebus von Mercedes-Benz, er gibt heute den Wert mit einer Million Deutsche Mark an. „Das was super Luxus, mit weißem Leder bezogen, Einzelsitze wie im Flugzeug. Und dann eine Mordsklimaanlage. In fünf Minuten wurde der Bus auf 20 Grad gekühlt.“

In den 1990er Jahren waren Schmiergeldzahlungen nach deutschem Recht möglich. Übersehen wird allerdings oft, dass die Schmiergeldzahlungen im Land der Empfänger gegen das dortige Recht verstießen. Doch das interessierte in Deutschland kaum. Schließlich war das Schmiergeld hier von der Steuer absetzbar. Bei größeren Summen stimmten sich Konzerne schon einmal vorab mit dem Finanzamt ab.

Das änderte sich erst mit dem ab 1999 gültigen Gesetz gegen internationale Bestechung. Schmiergeld war fortan steuerlich nicht mehr absetzbar – es floss jedoch weiter, weil weder Justiz noch Politik sich für die Schattenseiten der deutschen Exporterfolge interessierten. Die deutschen Exporteure reduzierten lediglich die Prozentsätze und bemühten sich, die Zahlungsströme vor dem Finanzamt zu verbergen. Von Staatsanwaltschaften hatten sie gewöhnlich nichts zu befürchten.

Das änderte sich erst, als Mitte der 2000er Jahre die US-Justiz auf jene Schmiergeldsysteme aufmerksam wurden, die deutsche Konzerne jahrzehntelang gepflegt hatten – darunter auch Daimler. 2010 schließlich einigte sich der Autobauer mit den US-Behörden auf eine Strafzahlung wegen Bestechung. Die Ermittler in den USA warfen dem Konzern unter anderem vor, für einen Deal von über 37 Millionen Euro für den Verkauf von 302 Bussen und vier Vans usbekischen Regierungsbeamten in den Jahren ab 1998 3,5 Millionen Euro Schmiergeld gezahlt zu haben.

Eine Sprecherin von Daimler teilt auf Anfrage mit, dass man diese lange zurückliegenden Fälle ausdrücklich bedauere. Man habe sich von den involvierten Mitarbeitern getrennt und inzwischen ein robustes System von internen Kontrollen aufgebaut.

Auch Albert Boußonville erzählt, dass er die Bargeldkasse am Hauptsitz von Mercedes-Benz in Stuttgart einmal kennen lernte. Laut dem Abkommen mit den USA existierte sie noch bis 2002. Zu der Zeit war er jedoch schon nicht mehr mit von der Partie. Einige Jahre lang war alles bestens für ihn gelaufen. Karimow besuchte seinen Firmensitz im Saarland.

Mit zwei Tonnen Gold nach Frankfurt

Denn der Geschäftsmann hatte wichtige Aufgaben für das Land übernommen. So half er, Abnehmer für usbekische Baumwolle zu finden, eines der wichtigsten Güter des Landes. Mit den Erlösen – manchmal waren es auch simple Tauschgeschäfte – finanzierte das Land unter anderem die Fahrzeuge aus dem Ausland und damit auch die Schmiergelder für die eigenen Politiker.

Boußonville erzählt, wie er einmal in der Maschine von Islam Karimow mit zwei Tonnen Gold – die Muruntau-Mine in Usbekistan zählt zu den größten Vorkommen der Welt – nach Frankfurt flog und das Edelmetall dort bei der Deutschen Bank deponierte. Diese habe damit Kredite für das Land garantiert. Boußonville flog weiter nach Stuttgart, lud dort Fahrzeuge für seine Freunde in Usbekistan ein und flog zurück nach Zentralasien. Boußonville lebte in Saus und Braus. „Geld bedeutete mir nichts. Ich habe alles in ein gutes Leben investiert.“

Darstellung von Goldbarren
Usbekistan verfügt über eine der größten Goldminen der Welt.

Doch die Geschäfte in Zentralasien liefen nur wenige Jahre prächtig für Boußonville. Boußonville glaubt, dass mafiöse Strukturen im usbekischen Staat versuchten, ihn als Mittelsmann auszuschalten und direkt mit Mercedes-Benz ins Geschäft zu kommen. Boußonville erzählt von einem Anschlag auf sein Leben in den usbekischen Bergen, von einem Unfall auf einer deutschen Autobahn. Als er im Krankenhaus lag, kündigte Mercedes-Benz 1996 nach Aussage von Boußonville den Vertrag mit ihm. Einige Jahre später erhielt er keinen Zugang mehr nach Usbekistan. Auch mit Daimler stritt er sich später vor Gericht.

Auch die Geschichte von Usbekistan, das nördlich von Afghanistan liegt und eine Bevölkerung von etwa 33 Millionen hat, nahm keinen guten Lauf. Islam Karimow, zu Sowjetzeiten der Parteisekretär der Sowjetrepublik Usbekistan, regierte bis zu seinem Tod 2016 mit harter Hand das Land. Karimow ließ systematisch foltern und schoss 2005 im Massaker von Andischan einen Volksaufstand gegen seine Willkürherrschaft mit Panzerwagen zusammen. Hunderte Menschen starben, vielleicht waren es noch mehr. Angefixt auch durch das Schmiergeld von deutschen Konzernen wie Mercedes-Benz verwandelte Karimow das Land in eine Kleptokratie.

Nach seinem Tod reichten Schätzungen des Vermögens einer seiner Töchter bis zu einer Milliarde US-Dollar. Erst in diesem Monat vereinbarte die Schweiz mit Usbekistan, dass 130 Millionen US-Dollar ihres Vermögens an das zentralasiatische Land zurückfließen sollen. Boußonville erzählt, dass Karimow ohne sein Wissen Direktor des Konzern Taschkent Lada war – mit dieser Firma hatte Boußonville das Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das die Mercedes-Fahrzeuge importierte.

Unterstützung aus Berlin

Die Bundesregierung unterstützte das Schmiergeld-Festival in Usbekistan mit Export-Bürgschaften des deutschen Steuerzahlers, wie CORRECTIV vorliegende Unterlagen zeigen. Und das, obwohl das deutsche Außenministerium über die Korruption im Bilde war – schließlich wandte sich ein Konzern wie Mercedes-Benz unverblümt an die Botschaft in Taschkent, um Rat bei der Übergabe von Fahrzeugen an die usbekischen Kunden einzuholen.

Im Januar 1995 schrieb der Konzern an den deutschen Botschafter in Taschkent, man wolle einen Bus, „den wir im vergangenen Jahr ohne Vertrag und ohne Berechnung geliefert haben, als Geschenk an den Präsidenten, Herrn Karimow, übergeben“. Man wolle „durch diesen Akt eine politische Stabilisierung in unserer Geschäftsabwicklung der Stadtbusse erreichen“.

Das hielt den Botschafter nicht davon ab, sich mit usbekischen Ministern zu treffen, um sich für eine „koordinierte Verkehrspolitik“ einzusetzen. Diese sollte den „Absatz einer größeren Anzahl von schweren Lastkraftwagen in Zentralasien“ gewährleisten, schrieb er an die Firmenzentrale in Stuttgart.

Die Widersprüche deutscher Außenpolitik zeigt auch ein Besuch des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog in der Region im April 1995 – es sollte eine Art Werbetour für die Demokratie sein. „Usbekistan hat die Grundsatzentscheidung für die demokratische Öffnung zu einer pluralistischen, rechtsstaatlichen Gesellschaft getroffen“, schwadronierte er vor Karimow. „Wir verfolgen die einstweilen vorsichtigen Schritte, die Sie auf diesem Wege tun, mit großer Sympathie und wünschen Ihnen dabei Mut und Konsequenz.“

Im Schlepptau des Staatsoberhaupts fand sich jener Geschäftsmann aus dem Saarland, der mit Geldbündeln durch die Ministerbüros in Taschkent ging und dem usbekischen Machthaber Autos und goldene Füller schenkte. Die Wirkung auf die usbekischen Regierungsvertreter dürfte klar gewesen sein: der Unternehmer handelt mit Billigung und Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland. Nicht Menschenrechte, Demokratieexport oder Rechtsstaatlichkeit sind Deutschland wichtig, sondern der Verkauf von Autos – und dafür darf die Elite eines neues Staatswesen nach allen Regeln der Kunst geschmiert werden. Der Bundesrepublik ging es nicht um Wandel durch Annäherung sondern um Annäherung durch Bestechung, so die Botschaft.

Albert Boußonville sagt im Gespräch mit CORRECTIV, dass es damals keine Alternative gab zu den Schmiergeldzahlungen. Er glaubt nicht, dass die Geschichte Zentralasiens anders hätte verlaufen können. Er sagt, er habe damals durchaus über die Bestechung nachgedacht. Die sei keine gute Art, Geschäfte zu machen. „Ich bin ja da rein geschmissen worden. Aber ich kannte das schon hier aus Deutschland in kleinerem Maßstab, deswegen war das für mich nichts Neues.“

Methoden aus der deutschen Heimat

Vor seiner Zeit in Zentralasien belieferte Boußonville bereits die deutsche Autoindustrie mit Maschinen für die Produktion. Aufträge erhielt er, indem er die Manager mit Geschenken bedachte, sagt er.

„Nur nicht in dem Maße wie in Usbekistan. Die waren mit fünf Kilo Gold zufrieden, wenn man einen Auftrag gekriegt hat. Dann durfte man mit den Herren nach Luxemburg fahren und hat Gold geschenkt.“ Das Gold habe er bei der dortigen Zentralbank gekauft. Oder er habe Vertreter seiner Kunden zu teuren Reisen in die USA eingeladen. „Das war normal“, sagt Boußonville zunächst. „Das war normal!“ ruft er dann.

Besonders erinnert er sich an den Anruf eines Managers vom Saarbrückener Standort eines der größten Auto-Zulieferers der Welt, in einem November: „Albert, ich würde meiner Tochter gerne ein Auto schenken, einen roten VW-Käfer.“

Boußonville kaufte das Auto, band eine Schleife drum und stellte es kurz vor Weihnachten vor das Haus des Auto-Managers. Dann ließ er einfach den Schlüssel stecken und ging weg. „Und nach Weihnachten ist seine Tochter damit rumgefahren. Ich habe Aufträge dafür bekommen.“

Die Kontakte zur Saar-SPD

Und auch zu Politikern unterhielt Boußonville in der Heimat gute Kontakte zu den Größen jener SPD, die damals das kleinste Bundesland auf skandalträchtige Weise regierte. Boußonville berichtet von einem Besuch des damaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaines in seinem Wohnort bei Saarbrücken Mitte der 1990er Jahre. Fotos zeigen Lafontaine, Boußonville und die damaligen Größen von Mercedes-Benz in einem Restaurant. Boußonville besitzt noch die Speisekarte, die er extra für den Abend drucken ließ.

Das hatte vermutlich der Spiegel gemeint, als er 1992 vom „barocken Lebensstil“ von Lafontaine schrieb. Das Magazin hatte aufgedeckt, dass Lafontaine als Ministerpräsident ein üppiges Ruhegehalt aus seiner Zeit als Saarbrückener Oberbürgermeister sieben Jahre zuvor bezog.

Einer der politischen Vertrauten von Lafontaine in der Saarländer Politik war der damalige Innenminister Friedel Läpple. Der Politiker saß knapp drei Jahrzehnte für die SPD im Landtag und war von 1985 bis 1999 Innenminister. Als solcher hatte er mit der Sicherheitspartnerschaft zu tun, die das Saarland mit Usbekistan abschloss. Die Bundesländer hatten nach dem Fall der Mauer beschlossen, den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion saubere Polizeiarbeit beizubringen. Dem Saarland fiel Usbekistan zu.

Es gab gegenseitige Besuche, auch Läpple reiste zwei Mal nach Taschkent. Das Bundesland beschränkte die Hilfe im Wesentlichen auf die Ausbildung von Drogenspürhunden. Dennoch hatten die Saarländer auch mit jenem Innenminister Zakir Almatov zu tun, der später in Andischan den Schießbefehl gab. Einmal bat Almatov seinen saarländischen Amtskollegen in einem Brief um die medizinische Behandlung eines verletzten Polizisten. Die Rechnungen übernahm Boußonville.

Darstellung Briefkopf Innenministerium Saarland
Der Geschäftsmann Boußonville pflegte auch im Saarland politische Kontakte.

Überhaupt traf es sich offenbar gut, dass es im Saarland einige Geschäftsleute gab mit Verbindungen nach Usbekistan. Denn das Bundesland hatte wenig Geld. Also wandte sich Läpple an Boußonville und zwei weitere Geschäftsleute, die Zusammenarbeit mit Usbekistan zu unterstützen. In einem CORRECTIV vorliegenden Brief vom 10. Juli 1995, verfasst auf dem Briefpapier des saarländischen Innenministeriums, erinnerte er die drei Geschäftsleute an ein Versprechen, gegeben ein Jahr zuvor während einer Tour von Läpple durch Usbekistan. 240.000 DM hätten die Geschäftsleute sowie die Mercedes-Benz AG zugesagt, um die Zusammenarbeit des Saarlands mit Usbekistan in Polizei-Angelegenheiten zu finanzieren.

„Die Unterstützungsmaßnahmen für die usbekische Polizei sind mittlerweile angelaufen und werden in diesem Jahr noch wesentlich intensiviert“, schrieb Läpple. Doch die Spenden sollten nicht etwa an das Saarland fließen. Sondern an einen – zumindest damals noch mehr als heute – der SPD nahestehenden Verein, die „Demokratische Gesellschaft Saarland e.V. Der Verein wurde 1970 im Beisein von Lafontaine als Friedrich-Ebert-Stiftung Saarland gegründet. Läpple wurde schon 1972 ihr Schriftführer. Später wurde sie umbenannt.

In seinem Brief schrieb Läpple, dass der Verein den Usbekistan-Fonds verwalte. „Sehr geehrte Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die zugesagten Spenden möglichst bald auf das angegebene Konto einzahlen würden“, schrieb der Minister. Es folgte – neben einem Hinweis auf die Gemeinnützigkeit des Vereins und die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden – eine Kontonummer.

Die Stiftung legt ihre Bücher offen

Es ist unklar, wieviel von dem erbetenen Geld an den Verein flossen. Die Stiftung hat gegenüber CORRECTIV offengelegt, dass sie 1996 und 1997 81.000 DM Spenden annahm. Von wem, kann sie nicht mehr nachvollziehen. In das Usbekistan-Projekt flossen laut den Geschäftsberichten der Stiftung bis 1999 knapp 60.000 DM.
Ein Teil des Geldes dürfte aus der Schweiz gekommen sein. Einer der von Läpple angeschriebenen Geschäftsleute mit Sitz in Zürich half Boußonville in jener Zeit, usbekische Baumwolle auf den Weltmarkt zu bringen. Der Unternehmer antwortete prompt und kündigte an, in den nächsten Tagen das Geld zu überweisen.

1999 schrieb Läpple noch einmal an den Mann: „Wie Sie sich vorstellen können, sind die im Jahre 1995 in den Fonds eingezahlten Gelder nahezu aufgebraucht.“ Der Fonds sei auf weitere Unterstützung angewiesen: „Im Sinne der gemeinsamen Zielvereinbarung bitte ich Sie höflichst zu prüfen, ob für Sie ein nochmaliges Engagement in Frage kommt.“

Für Läpple ist der erste Brief aus dem Jahr 1995 brisant und das liegt an dem dritten Adressaten: Valerij Eriksson. Dieser inzwischen verstorbene Geschäftsmann spielte eine zentrale Rolle in der saarländischen Affären der 1990er Jahre. Eriksson stand damals häufiger im Fokus der Justiz. Das Bundeskriminalamt hielt den Geschäftsmann, der aus Usbekistan stammte, für ein Mitglied der organisierten Kriminalität. Im Sommer 1994 durchsuchten Zollfahnder sein Haus im Saarland – ausgerechnet, als er den Innenminister während dessen Besuch in Usbekistan begleitete. Später ermittelte das LKA wegen Drogendelikten gegen Eriksson.

Ein gutes Projekt ermöglichen

Und eben dieser Eriksson konnte im Rahmen der usbekisch-saarländischen Partnerschaft das LKA besuchen. Im April 1995 erhielt er Hausverbot im LKA und der damalige Behördenchef verzichtete wegen der Affäre auf eine Reise nach Usbekistan im Sommer 1995, wie damals die Saarbrücker Zeitung berichtete. Innenminister Läpple überstand die Affäre – vielleicht, weil nicht bekannt war, dass er nach der Reise Eriksson um Spenden für seine „demokratische Gesellschaft“ bat.

Im Gespräch mit CORRECTIV sagt Läpple, ihm seien zum Zeitpunkt des Spenden-Briefs an Eriksson dessen Verstrickungen nicht klar gewesen. Man habe damals ein gutes Projekt trotz knapper Kassen ermöglichen wollen und sich deswegen an die privaten Geschäftsleute gewandt. In einer Stellungnahme schreibt Läpple zudem, dass der Zeitablauf, wie er sich aus der damaligen Presse ergebe falsch sei. An ein Hausverbot könne er sich nicht erinnern.

Die demokratische Gesellschaft jedenfalls existiert bis heute. Sie ist der Trägerverein der Stiftung Demokratie Saarland. Diese bietet politische Erwachsenenbildung an und besitzt einen Anteil an der Saarbrücker Zeitung, der einzigen Zeitung in dem Bundesland. Läpple – zu dessen Vertrauten auch der CDU-nahe Lobbyist Dieter Holzer zählte – ist ihr Vorstandsvorsitzender.

Zu den Merkwürdigkeiten rund um das Schreiben von Läpple gehört auch, dass die Geschäftsleute, an die der Innenminister seinen Spendenaufruf richtete, zugleich die Möglichkeit ausloteten, Aufträge zur Lieferung von Material für die saarländische Polizei zu erhalten. Dies zeigen CORRECTIV vorliegende Dokumente. Dazu gehört eine Notiz, auf der die Bankverbindung eines Beamten aus dem Beschaffungswesen des saarländischen Innenministeriums jener Zeit handschriftlich notiert ist – es ist jedoch die Konto-Nummer der demokratischen Gesellschaft.

Darstellung Kontonummer
Eine handschriftliche Notiz mit der Kontonummer der SPD-nahen Stiftung.

Weder die Stiftung Demokratie Saarland noch Läpple haben dafür im Gespräch eine Erklärung. Der Beamte reagierte nicht auf Versuche von CORRECTIV ihn zu kontaktieren. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Geschäftsleute tatsächlich Aufträge erhielten. Das saarländische Innenministerium teilt mit, dass es keine Akten über die Usbekistan-Partnerschaft mehr hat.

Läpple und die Stiftung betonen ausdrücklich, dass die Finanzierung des Usbekistan-Fonds durch die Geschäftsleute sauber gewesen sei. Die Stiftung sagt, dass die Vorgänge lange her seien und sich die Anforderungen an Transparenz auch weiter entwickelt hätten. Die Stiftung hat sich auf Anfrage von CORRECTIV um Transparenz bemüht und versucht, die Zahlungsflüsse von damals aufzuklären. Läpple sagt zudem, die Geschäftsleute mit Verbindungen nach Usbekistan hätten sich von der Unterstützung lediglich ein gestiegenes Renommee bei ihren Kontakten in Usbekistan erhofft.

Einer von ihnen war Albert Boußonville. Er lebt heute in einem einfachen Reihenhaus im Südwesten Deutschlands und erinnert sich an die Geschenke, an die Stifte in Gold und die teuren Fahrzeuge von Mercedes. Und er ist weiter kämpferisch. Er will sich weiter mit Daimler streiten. Er hat noch nicht abgeschlossen mit seinen goldenen Jahren in Usbekistan – und im Saarland.

Hier finden Sie die wichtigsten Dokumente zur Recherche im Überblick.

Illustrationen: Mohamed Anwar/jbr

Mitarbeit: Henrike Freytag