Manipuliertes Zitat: Lauterbach sagte nicht, man müsse Zahlen manipulieren, um einen Lockdown durchzusetzen
Auf Facebook wird ein Zitat von Karl Lauterbach von März 2021 verkürzt und sinnentstellend wiedergegeben. Er soll gesagt haben, dass man die Fallzahlen nach oben habe treiben müssen, um die Corona-Maßnahmen zu rechtfertigen. Das stimmt nicht.
„Somit mussten wir erstmal die Fallzahlen steigen lassen, um überhaupt die Politik begründen zu können“, soll Karl Lauterbach laut eines auf Facebook verbreiteten Bildes gesagt haben. Kommentiert wird das Zitat mit: „Mit anderen Worten: ‚Wir mussten lügen, um unsere Politik durchzusetzen‘“. Das Zitat wird aus dem Kontext gerissen. Lauterbach hat nicht von Lügen gesprochen.
Das Zitat Lauterbachs stammt aus der Talkshow „Maybritt Illner“ vom 25. März 2021 (Minute 31:08 bis 31:16), es wird jedoch verkürzt wiedergegeben und dadurch verfälscht. Eigentlich erklärte er, dass die Corona-Maßnahmen Anfang 2021 zu zögerlich umgesetzt worden seien. Der Grund: Einige Politiker hätten die Einstellung vertreten, die Bevölkerung müsse erst sehen, dass die Infektionszahlen durch die damals neue Alpha-Variante tatsächlich steigen würden. Auf diese Erklärung folgt das Zitat: „Somit mussten wir erstmal die Fallzahlen steigen lassen, um überhaupt die Politik begründen zu können, die von Anfang an viel besser gewirkt hätte.“ Es ging also nicht darum, dass die Politik die Fallzahlen künstlich erhöht habe, wie der Facebook-Beitrag suggeriert.
In der Sendung sprach sich Lauterbach für einen Lockdown im Frühjahr 2021 aus. Der Politik hielt er entgegen, dass sie zu spät Maßnahmen ergriffen habe. Er hingegen glaube, dass man der Bevölkerung auch harte Maßnahmen wie einen Lockdown zumuten könne, wenn man diese gut erkläre.
Lauterbach-Zitat wird verkürzt wiedergegeben
Das Zitat Lauterbachs fiel im Kontext der Alpha-Variante. Er erklärte, es sei klar gewesen, dass sich die Alpha-Variante des Coronavirus (B.1.1.7) von Großbritannien aus auch nach Europa und Deutschland ausbreiten werde.
Die Variante war im September 2020 laut dem Robert-Koch-Institut erstmals in Großbritannien entdeckt worden und im Frühjahr 2021 auch in Deutschland vorherrschend. Da sie deutlich ansteckender war als die Ursprungsvariante des Virus, kam es zu einer steigenden Zahl von Infektionen in Deutschland.
Zu diesem Zeitpunkt habe es zwei Lager gegeben, so Lauterbach. Zum einen die Wissenschaftler, die gesagt hätten, „wir machen einen Lockdown und dann wirkt das sehr gut; weil wir machen es früh, wie in der Medizin.“ Zum anderen die Politiker, die zögerlicher waren, und deren Standpunkt Lauterbach so beschreibt: „Nein nein, wir sind noch nicht so weit, vielleicht kommt es nicht so dick, vielleicht geht es nochmal weg von alleine und vielleicht muss die Bevölkerung erstmal sehen, dass es wirklich so ansteckend ist“.
Lauterbach zählt sich selbst zum Lager der Wissenschaftler, wie er in der Sendung mehrfach klar macht. So sagt er beispielsweise: „Ich bin ganz sicher, wenn wir den Menschen erklären würden: Wir müssen jetzt mal 14 Tage die privaten Kontakte stark runterfahren und demnächst müssen wir die Betriebe sicherer machen; das verstehen die Leute und sagen, ‚das mache ich mit, das klappt‘ […] Ich glaube, dass wir die Bürger zum Teil wie Kinder behandeln, nach dem Motto, wir können euch das jetzt nicht zumuten.“
Redigatur: Steffen Kutzner, Tania Röttger
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Talkshow „Maybritt Illner“ vom 25. März 2021: Link (archiviert)