Nein, E-Autos sparen nicht erst nach 219.000 Kilometern Fahrt Emissionen im Vergleich zu einem Diesel
Um eine bessere Klimabilanz zu haben als ein Diesel, müssen E-Autos viel weniger Kilometer fahren, als behauptet. Das zeigen aktuelle Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung.
„Forscher: E-Autos sind kaum besser als moderne Verbrenner“, heißt es auf einem Bild mit Text auf Facebook, das seit dem 6. Januar kursiert und bereits mehr als 7.200 Mal geteilt wurde. Angeblich dauere es 14,6 Jahre oder 219.000 Kilometer, heißt es in dem Beitrag, bis ein Elektroauto CO2-Emissionen gegenüber einem Diesel-Fahrzeug einspare. Bei einem „neuwertigen Benziner“ seien es 8,5 Jahre oder 127.500 Kilometer.
Als Beleg für die Aussage wird auf Facebook ein Artikel des Münchner Merkur verlinkt, der laut einem Hinweis der Redaktion ursprünglich Ende Juni 2021 erschienen ist, aber im Januar 2022 erneut veröffentlicht wurde, „weil er immer noch Relevanz besitzt“.
Unser Faktencheck zeigt jedoch: Die aktuelle Verbreitung dieser Zahlen ist irreführend. Denn die Aussagen im Artikel beruhen auf einem veralteten Bericht von 2019, die Daten wurden schon vor längerer Zeit aktualisiert. Bei der Produktion von E-Auto-Batterien fallen nach neueren Berechnungen deutlich geringere Mengen Kohlendioxid (CO2) an. Eine aktuelle Berechnung zeigt, dass E-Autos deutlich weniger Kilometer fahren müssen, bis sich ein Vorteil gegenüber einem Diesel einstellt. Je nach Größe der Batterie und der Art des getankten Stroms variiert die Klimabilanz von E-Autos aber stark.
Merkur-Artikel beruht auf einer veralteten Quelle
Im Artikel des Merkur sind die Zahlen zu finden, die auch auf Facebook genannt werden. Als Quelle dient ein Bericht des ADAC von August 2019, in dem diese Werte auch so vorkommen. In einer Infografik steht, die Zahlen seien für eine Batteriekapazität von 40 Kilowattstunden berechnet worden.
Die Daten stammen aus einer Auftragsarbeit des Unternehmens Joanneum Research Forschungsgesellschaft für den Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring-Club, den ADAC sowie die Internationale Automobilvereinigung. Als Grundlage für die Berechnungen dienen unter anderem Annahmen darüber, wie viel CO2 bei der Produktion einer E-Auto-Batterie anfallen.
Zum Verständnis: In Elektroautos werden meistens sogenannte Lithium-Ionen Batterien verbaut, die als Energiespeicher für das Auto dienen. Man findet solche Batterien oder Akkus auch in vielen anderen Geräten, zum Beispiel in Smartphones. Batterien stoßen selbst – anders als die Verbrennung von Kraftstoff – während der Fahrt kein CO2 aus, aber bei ihrer Produktion werden Energie und Rohstoffe benötigt. Und auch der Strom, mit dem sie geladen werden, verursacht Emissionen, wenn er nicht zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien gewonnen wird.
CO2-Ausstoß bei der Produktion variiert je nach Größe und Modell der Batterie
Für die Berechnung der CO2-Bilanz von Elektroautos sind also zwei Dinge wichtig: Wie viel CO2 bei der Herstellung der Batterie produziert wird, und woher der Strom zum Laden der Batterie stammt.
Wie wir in einem Faktencheck von Juli 2021 berichteten, lässt sich die Frage, wie viel CO2 bei der Herstellung einer Batterie verursacht wird, nicht eindeutig beantworten, weil das von dem Modell, den Inhaltsstoffen und der Größe der Batterie abhängt.
Die Studie, auf die sich der Bericht bezieht, wurde schon im September 2019 überarbeitet
Die Firma Joanneum Research schrieb 2019, für die Produktion einer Batterie würden durchschnittliche 171 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde verursacht (Seite 128).
CO2-Äquivalent ist eine Maßeinheit, mit der der Einfluss verschiedener Treibhausgase auf die Erwärmung der Erde so umgerechnet werden kann, dass er mit dem Erwärmungspotential von CO2 vergleichbar ist. Mit Kilowattstunden wird bei Elektroautos die Größe der Batterie angegeben, also wie viel Energie sie speichern kann. Das wirkt sich zum Beispiel darauf aus, wie weit man mit dem Auto fahren kann, bis es geladen werden muss.
Joanneum Research bezog sich auf eine Studie des schwedischen Umweltforschungsinstituts von 2017, die 175 Kilogramm CO2-Äquivalente Emissionen pro Kilowattstunde Energiegehalt der Batterie veranschlagt hatte. Außerdem wird als Quelle eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2018 vom International Council on Clean Transportation angegeben, die sich jedoch ebenfalls auf die schwedische Studie und den darin genannten Wert von 175 Kilogramm bezieht.
Die schwedische Studie wurde allerdings im September 2019 überarbeitet und kam in der aktuelleren Version auf Werte zwischen 61 und 106 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde. Die Angaben des ADAC von 2019, die der Merkur im Januar erneut verbreitet hat, basieren also auf veralteten Zahlen.
Neue Berechnungen ergeben viel weniger CO2-Emissionen durch Batterieproduktion
Auch der International Council on Clean Transportation veröffentlichte im Juli 2021 neue Daten zu den Emissionen durch Batterieproduktion. Im Bericht wird von durchschnittlich 60 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde bei Autos, die in den USA und Europa genutzt werden, ausgegangen.
Ein anderer Bericht der Universität Eindhoven aus 2020 geht davon aus, dass bei der Produktion zwischen 40 und 100 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde anfallen.
Der ADAC, auf den sich der Artikel des Merkur bezog, schrieb außerdem im November 2021 selbst, dass die Veröffentlichung von 2019 nicht mehr „für aktuelle Vergleiche/Aussagen herangezogen“ werden solle, da sich inzwischen „Änderungen bei den Hintergrunddaten“, wie etwa der Lebensdauer einer Batterie, ergeben hätten.
Problem: E-Autos „tanken“ in Deutschland teilweise Strom aus fossilen Energieträgern
Doch ein weiterer wichtiger Aspekt für die Umweltbilanz von E-Autos muss noch in die Rechnung einbezogen werden: Der getankte Strom. Denn auf diesem Wege kann ein E-Auto weitere Emissionen verursachen. Wird Strom aus regenerativen Energien getankt, fallen keine weiteren Emissionen an. Sind im sogenannten Strommix jedoch fossile Energieträger enthalten, wie Kohle oder Gas, dann verschlechtern diese die Bilanz des E-Autos.
Eine Berechnung, die das berücksichtigt, hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer-ISI) im Januar 2020 durchgeführt. Das Institut geht von unterschiedlichen Batteriegrößen aus: 40, 58, 95 und 120 Kilowattstunden (Seite 7). Der CO2-Ausstoß bei der Batterieproduktion wird mit 61, 106 und 146 Kilogramm pro Kilowattstunde kalkuliert. Die Berechnungen werden einmal mit dem Deutschen Strommix, der zu etwa 50 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien beinhaltet, durchgeführt, und einmal mit 100 Prozent Erneuerbarem Strom.
Pauschale Aussagen für alle Elektroautos sind nicht möglich, da sie unterschiedlich große Batterien haben. Da aber in dem ADAC-Bericht von 2019 steht, dass die Rechnungen für eine Batterie mit 40 Kilowattstunden Leistung durchgeführt wurden, vergleichen wir die Zahlen mit der Rechnung des Fraunhofer-ISI für dieselbe Batteriegröße.
Gesamtbilanz des E-Autos ist laut Fraunhofer-Institut besser als die von Verbrennern
Für ein Elektroauto mit einer 40 Kilowattstunden großen Batterie ergaben die neueren Berechnungen des Fraunhofer-ISI, dass – je nach angenommenem CO2-Ausstoß bei der Batterieproduktion – zwischen 55.000 und 115.000 Kilometern gefahren werden muss, um einen Klimavorteil gegenüber einem Diesel zu erreichen. Bei einem Benziner sind es etwa 52.000 bis 98.000 Kilometer.
Zur Erinnerung: In der ADAC-Berechnung von 2019 hieß es, dass ein E-Auto 219.000 Kilometer fahren müsse, um einen Vorteil gegenüber einem Diesel zu haben. Im Vergleich zu einem Benziner dauere es 127.500 Kilometer. Das Fraunhofer-ISI kommt – bei dieser Batteriegröße – also auf viel niedrigere Kilometerzahlen.
Legt man der Berechnung nicht den deutschen Strommix zugrunde, sondern einen, der zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammt, verbessert sich die Klimabilanz der E-Autos deutlich. Dann sind laut Fraunhofer-ISI bei einer 40 kWh großen Batterie nur noch etwa 17.000 bis 42.000 Kilometer für einen Klimavorteil gegenüber dem Diesel beziehungsweise etwa 18.000 bis 40.000 Kilometer im Vergleich zu einem Benziner nötig.
Fazit: Neue Daten zeigen, dass die Produktion einer E-Auto-Batterie weitaus weniger Emissionen verbraucht, als noch vor einigen Jahren angenommen. Dennoch fallen aufgrund der Förderung seltener Rohstoffe viele Emissionen an, weshalb ein E-Auto erst nach einiger Fahrzeit einen Vorteil gegenüber Verbrennern entwickelt. Nach wie vielen Kilometern ein E-Auto CO2-Emissionen gegenüber einem Verbrenner einspart, hängt dann auch von dem Strommix ab, mit dem es geladen wird. Mit Strom aus Erneuerbaren Energien lässt sich die Bilanz stark verbessern.
Redigatur: Sophie Timmermann, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Studie der Universität Eindhoven „Vergleich der lebenslangen Treibhausgasemissionen von Elektroautos mit den Emissionen von Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselmotoren“: Link
- Aktualisierte Studie des schwedischen Umweltforschungsinstituts „Lithium-Ion Vehicle Battery Production Status 2019 on Energy Use, CO2 Emissions, Use of Metals, Products Environmental Footprint, and Recycling“: Link
- Veröffentlichung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung „Ein Update zur Klimabilanz von Elektrofahrzeugen“ von Januar 2020: Link