Italien: Nein, dieses Video zeigt keinen Protest gegen Strompreise in Genua
In Sozialen Netzwerken kursiert ein Video, das angeblich aktuelle gewaltsame Ausschreitungen bei Protesten gegen hohe Strompreise in der italienischen Stadt Genua zeigen soll. Doch das stimmt nicht: Die Aufnahmen stammen von 2019 und sind bei einer Demonstration gegen einen rechtsextremen Politiker in Bologna entstanden.
Auf Twitter, Telegram und Facebook verbreitet sich seit September ein Video, das angeblich Proteste gegen Strompreise in der italienischen Stadt Genua zeigen soll. Zu sehen sind unter anderem Polizisten und Polizistinnen, die Schlagstöcke gegen Demonstrierende einsetzen. „Das ist das demokratische Europa, die Proteste in Genua (Italien) gegen die Strompreise und wie sie endeten“, heißt es dazu auf Twitter.
Zwei andere Videos desselben Protests belegen jedoch: Die Aufnahmen stammen aus dem Jahr 2019 aus der italienischen Stadt Bologna. Damals demonstrierten Menschen gegen einen rechtsextremen Politiker – und nicht gegen Strompreise.
Video zeigt antifaschistischen Protest im Mai 2019 in Bologna in Italien
In dem acht Sekunden langen Video ist ein Zusammenstoß zwischen Polizisten und Polizistinnen und Demonstrierenden auf einer Straße zu sehen. Im Hintergrund ist lautes Geschrei zu hören, es kommen Schlagstöcke zum Einsatz, ab Sekunde fünf geht eine Frau zu Boden.
Die Nachrichtenagentur AFP fand mit Ausschnitten aus dem Video über eine Bilderrückwärtssuche zwei weitere Videos der Proteste. Eines stammt von der Lokalzeitung La Gazzetta di Bologna und wurde am 20. Mai 2019 unter dem Titel „Bologna, Antifaschisten stellen sich gegen die Kundgebung von Roberto Fiore von Forza Nuova und die Polizei“ auf Youtube veröffentlicht. Fiore ist Mitbegründer und Vorsitzender der rechtsextremen Splitterpartei Forza Nuova.
Ab Minute zwei ist zu erkennen, wie sich der Protestmarsch in eine engere Straße bewegt. Mit Google Street View lässt sich diese als Via dell’Archiginnasio identifizieren. Im Hintergrund sind Werbeplakate unter Rundbögen zu erkennen, die sich auch im aktuell geteilten Video befinden. Zudem halten die Protestierenden in beiden Videos rote und grüne Fahnen und Schilder.
Weiteres Video zeigt identische Szene einer Auseinandersetzung
Die Zeitung La Repubblica hat am 21. Mai 2019 ebenfalls ein Video der Proteste auf Youtube veröffentlicht. Laut der Zeitung nahmen etwa tausend Demonstrierende an der Kundgebung teil. Als die Demonstrierenden eine Absperrung durchbrechen wollten, hätten die Einsatzkräfte gewalttätig reagiert, heißt es weiter.
Ab Sekunde 14 ist in dem Video von La Repubblica zu sehen, wie Demonstrierende mit Schildern auf eine Absperrung schlagen. Kurz darauf drängen Einsatzkräfte der Polizei die Demonstrierenden mit Schlagstöcken zurück. Etwa ab Sekunde 45 ist die Auseinandersetzung zwischen einer Einsatzkraft und einer Frau zu erkennen, die anschließend zu Boden geht. Dieselbe Szene findet sich im aktuell kursierenden Video bei Sekunde fünf.
Proteste gegen teure Energiekosten in Genua fanden am 21. September 2022 statt
Am 21. September kam es in Genua laut mehreren lokalen Medien zu Protesten gegen hohe Energiekosten. Wir konnten jedoch keine Hinweise finden, dass es dabei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam.
Fotos und Videos von Demonstrationen sind immer wieder Gegenstand von Falschmeldungen und Desinformation. Häufig werden dabei alte Aufnahmen in einen falschen Kontext gesetzt, wie wir in mehreren Faktenchecks zeigten.
Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas