Faktencheck

„Kreaturen wie Würmer“: Bilder aus China falsch interpretiert, sie zeigen Pappelblüten auf Autos

Aufnahmen von Autos in China, auf denen dunkle braune „Kreaturen wie Würmer“ liegen, machen auf Telegram die Runde. Das Material zeigt jedoch etwas völlig Anderes: Die Autos sind übersät von Pappel-Kätzchen, den Blüten von Pappeln.

von Sarah Thust

Keine Wuermer_Bilder aus China zeigen Pappelblüten auf Autos
Keine Würmer: Pappelblüten sind im Frühjahr im Nordosten Chinas häufig zu sehen (Quelle: Telegram; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Aufnahmen zeigten, dass es in China plötzlich Kreaturen wie Würmer vom Himmel geregnet habe.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Die Aufnahmen zeigen Autos in der Provinz Liaoning im Nordosten Chinas, die übersät von Pappelblüten sind. Dass dort Pappeln stehen, belegen zahlreiche Fotos.

Anfang März verbreitete sich skurriles Bildmaterial über Soziale Netzwerke: „In China regnete es plötzlich Kreaturen wie Würmer vom Himmel“, heißt es zu Aufnahmen, die Autos voller dunkler, länglicher Objekte zeigen. Mitte März wurden die Aufnahmen erneut auf Facebook geteilt. Diesmal wurde behauptet, die „Würmer“ seien gefallen, als Saudi-Arabien und der Iran „ihren unheilvollen Deal unterzeichnet“ hätten. Gemeint ist, dass sich Iran und Saudi-Arabien in Peking auf die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen geeinigt hatten.

Dass es sich nicht um Würmer handelt, verraten mehrere Details in einem Video (zum Video-Download), zum Beispiel, dass sich die Objekte nicht bewegen. Der Bürgersteig ist sauber – „geregnet“ hat es die angeblichen Würmer also nicht (Screenshot unten rechts). Die „Würmer“ sind Pappelblüten, die im Frühjahr von den Bäumen fallen. In den Autofenstern spiegeln sich außerdem Bäume auf der anderen Straßenseite (rotes Rechteck im Screenshot unten links). 

Baum spiegelt sich im Autofenster in China
Im Fenster der Pkw am Straßenrand spiegeln sich Bäume (rot) und auf dem Fußweg (blau) liegen keine „Würmer“. Die Ladenschilder oben im Bild und die Autokennzeichen deuten auf China hin. (Quelle: Facebook; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Video stammt aus der Provinz Liaoning im Nordosten von China – die Autos stehen unter einem Baum

In Deutschland berichteten AFP und DPA über die falschen Behauptungen. Die DPA bestätigte, dass die Nummernschilder der Autos im Video auf die Provinz Liaoning im Nordosten Chinas hinweisen. Die AFP fand heraus, dass in einer Aufnahme bei Baidu Maps dieselben Ladenschilder im Hintergrund zu sehen sind – auf der anderen Straßenseite steht wirklich ein Baum, wie in den Autofenstern im Video zu erkennen war. Die Aufnahme stammt demnach aus der Stadt Shenyang. 

Baidu zeigt die Wenhua-Straße in Shenyang mit denselben Geschäften im Hintergrund
Mit dem Kartendienst der chinesischen Suchmaschine Baidu finden wir dieses Foto für die Straße, in der das Video aufgezeichnet wurde. Anhand der Geschäfte lässt sich der Aufnahmeort verifizieren. (Quelle: Baidu; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Suche nach den Begriffen „fact check worms from sky china“ zeigt: Die Falschbehauptung wurde offenbar von einigen Medienberichten genährt. So schrieb The Rio Times am 8. März „‚Regen von Würmern‘ überschwemmt Peking“ und ordnete das Video nicht ein. Später titelte auch die Boulevardzeitung New York Post: „China wurde von einem ‚Wurmregen‘ heimgesucht“. Erst im Text wird dann aufgeklärt, dass im Video vermutlich Blüten in der chinesischen Provinz Liaoning zu sehen sind. Die Überschrift wurde nicht korrigiert (Stand: 28. April 2023).

Nutzerinnen und Nutzer in China kommentieren den New York Post-Bericht mit Fotos von Pappelblüten 

Einige chinesische Medien reagierten auf den Bericht der New York Post und ordneten ein, dass im Video keine Würmer zu sehen sind. Am Tag darauf teilte der offizielle Weibo-Account des Büros für öffentliche Sicherheit in China die Überschrift der New York Post, – dazu ergänzte er ein Foto von Pappelblüten und kommentierte: „Diese Geschichte sagt uns, dass wir mehr lesen müssen!“

Weibo-Mitteilung vom Büro für öffentliche Sicherheit in China
Der Weibo-Account des Büros für öffentliche Sicherheit reagierte auf den Bericht der New York Times, indem er ein Foto von Pappel-Kätzchen danebenstellte – hier ein Screenshot des Beitrags, den wir mit Google Translate übersetzt haben (Quelle: Weibo; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Mit demselben Hashtag, den auch die Behörde nutzte, veröffentlichte Shi Jun, Mitglied des Ausschusses für wissenschaftliche Kommunikation der Chinesischen Botanischen Gesellschaft, am 12. März mehrere Fotos von Pappel-Kätzchen. „​​In letzter Zeit ist eine große Anzahl männlicher Blüten verschiedener Pappeln abgefallen, und es gibt viele auf dem Boden“, schrieb er. Bei Pappeln tragen männlichen, wie auch weibliche Pflanzen Blüten.

Redigatur: Max Bernhard, Steffen Kutzner