Faktencheck

„Terramar“: Nein, Organisation von Ghislaine Maxwell wurde nicht von Deutschland gefördert

Um den Fall des verstorbenen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein ranken sich allerhand Verschwörungsmythen. Diesmal wird behauptet, die Bundesregierung habe 2023 ein Projekt seiner Geschäftspartnerin Ghislaine Maxwell gefördert, obwohl sie längst im Gefängnis sitzt. Das stimmt nicht – das Geld ging an ein Meeresschutzprojekt in Brasilien.

von Sarah Thust

Der Fall Ghislaine Maxwell
Bei einer Pressekonferenz im Juli 2020 in New York wurde die Anklage gegen Ghislaine Maxwell bekannt gegeben. 2022 wurde sie wegen Mittäterschaft zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. (Archivbild: John Minchillo / AP / Picture Alliance)
Behauptung
Ein Dokument des Deutschen Bundestages, Drucksache 20/9761, zeige, dass die deutsche Regierung das Projekt „Terramar“ finanziert habe, das in Verbindung zu Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein stehe.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. In dem Dokument steht, dass das Bundeswirtschaftsministerium ein Projekt namens „Terramar“ in Brasilien unterstützt hat. Dieses hat jedoch nichts mit der Meeresschutz-Organisation „The Terramar Project“ zu tun, die Ghislaine Maxwell 2012 in den USA gründete und die ihre Arbeit 2019 einstellte.

Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell wurden in den USA wegen Sexualverbrechen zu langen Haftstrafen verurteilt. In Sozialen Netzwerken verbreitet sich in diesem Zusammenhang die Behauptung, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz habe ein Projekt namens „Terramar“ mit rund acht Millionen Euro unterstützt, hinter dem angeblich die Epstein-Komplizin Ghislaine Maxwell stecke. Belegen soll das eine Bundestagsdrucksache, die seit mindestens 8. Januar auf Telegram verbreitet wird und dort insgesamt mehr als 200.000 Mal angezeigt wurde. Auch auf X, von Blogs wie Report 24 und dem Video-Podcast „Hoss und Hopf“ wurde das Thema aufgegriffen. Zudem verbreiten auf Facebook und Instagram Profile mit Namen wie „hoss_und_hopf1“, aber auch andere Profile Ausschnitte aus dem Podcast mit der Behauptung.

Die Behauptung ist falsch. Das von der Bundesregierung unterstützte Projekt steht in keiner Verbindung zu Ghislaine Maxwell.

Über eine Anwaltskanzlei teilten „Hoss und Hopf“ auf Nachfrage mit, dass der Podcast auf Facebook und Instagram keine Profile habe. Die eigenen Aussagen über „Terramar“ habe man in einem Youtube-Video (ab Minute 14:42) vom 26. Januar korrigiert, also 14 Tage nach Veröffentlichung des Videos mit der Behauptung. Dort erklärt einer der Hosts, Philip Hopf, dass die Behauptung nicht korrekt war und er sie hätte weiter nachprüfen müssen; anschließend ordnet er die falschen Aussagen über „Terramar“ ein. Auf Youtube war die „Hoss und Hopf“-Folge laut dem Internet Archive noch mindestens bis zum 14. Februar abrufbar – inzwischen ist sie auf Youtube und Spotify nicht mehr verfügbar (Stand: 1. März 2024). Auf Nachfrage an die beiden Hosts, ob Ihnen bei der Verbreitung der Behauptung bewusst war, dass sie falsch ist, antwortete die Anwaltskanzlei: „Natürlich nicht“.

Hinter „Hoss und Hopf“ stecken ein Krypto-Influencer in Dubai und ein Finanzberater aus Stuttgart. Mehrere Medien berichteten im Februar 2024, dass die beiden Podcaster Finanzinhalte mit politischen, teils rechten und libertären Inhalten verbinden und Verschwörungserzählungen verbreiteten würden. Unter ihren Videos rufen sie zu Kurz-Clip-Wettbewerben auf, bei dem die Videos gewinnen, die ihre Inhalte am stärksten verbreiten. Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Michael Blume, warnte davor, dass die Inhalte und die regelmäßigen Wettbewerbe junge Menschen radikalisieren könnten.

Da sich die Falschbehauptung auch im Februar weiterverbreitet, ordnen wir sie im Folgenden ein.

Wer sind Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein?

Ghislaine Maxwell stammt aus einem reichen Elternhaus und verkehrte in der britischen und amerikanischen High Society. In den 90er-Jahren lernte sie den US-amerikanischen Investmentbanker Jeffrey Epstein kennen und wurde zu seiner Vertrauten. Er wurde 2019 festgenommen und wegen Sexhandel und sexuellem Missbrauch von jungen Mädchen und Frauen angeklagt. Er hatte über Jahrzehnte ein Netzwerk zu vielen Prominenten aus Kunst, Kultur und Politik aufgebaut. Maxwell wurde als seine Komplizin bekannt und im Jahr 2023 zu 20 Jahren Haft verurteilt.  

Laut US-Medienberichten nährte der Fall im Januar erneut Verschwörungsmythen, als eine Liste von Namen aus dem Epstein-Prozess veröffentlicht wurde. Darunter waren auch prominente Personen, wie Stephen Hawking, Cate Blanchett oder Michael Jackson. 

Die Förderung ging an ein brasilianisches Projekt zum Schutz der Artenvielfalt in Meeres- und Küstengebieten

Die Drucksache 20/9761, die in Sozialen Netzwerken genutzt wird, um zu behaupten, Deutschland habe Maxwells Projekt finanziert, geht auf eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zurück. Diese wollte wissen, welche Projekte zur Datenerfassung und -Nutzung Deutschland im Ausland unterstützt. 

Beitrag vom Account hoss_und_hopf1 auf Instagram
In Sozialen Netzwerken wird ein Screenshot der Drucksache 20/2761 verbreitet, die angeblich eine Förderung der Bundesregierung für ein Projekt von Ghislaine Maxwell belegen soll. Doch das stimmt nicht. (Quelle: Instagram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Anfang Dezember 2023 beantwortete das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Anfrage. Die Antwort enthält eine Tabelle (PDF, Seite 4) mit verschiedenen Projekten, die von deutschen Ministerien gefördert wurden. Demnach unterstützte das Bundeswirtschaftsministerium ein Projekt für Meeres- und Küstenbiodiversität namens „Terramar“ in Brasilien mit knapp acht Millionen Euro. 

Auszüge aus der Bundestagsdrucksache 20/9176 zu Terramar
Auszüge aus dem Dokument des Bundestags: Auf Seite vier steht, dass das Projekt Terramar vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) unterstützt wurde (Quelle: Bundestag; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Google-Suche liefert Hinweise, worum es bei dem Projekt geht. Auf der Webseite der Internationalen Klimaschutzinitiative steht, das Projekt werde durch ein Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums unterstützt.

Die Gelder für das Projekt, an dem das Ministerium für Umwelt und Klimawandel in Brasilien und das deutsche Leibniz-Zentrum für marine Tropenökologie in Bremen beteiligt sind, sollen zwischen August 2015 und Februar 2024 eingesetzt werden (Stand: 28. Februar). Wofür, ist auf der Webseite gelistet. Genannt werden zum Beispiel Weiterbildungen in Ministerien beim Monitoring von Mangroven-Wäldern und traditioneller Fischerei.

Projektdaten für Terramar in Brasilien – IKI Förderung 7.987 Millionen Euro – Laufzeit 08/2015 bis 02/2024 – Status: laufend
Auf der Webseite der Internationalen Klimaschutzinitiative stehen Details zum Projekt Terramar (Quelle: Internationale Klimaschutzinitiative; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Namensähnlichkeit zu „The Terramar Project“: Ghislaine Maxwell gründete ihre Organisation 2012 in den USA

Das Projekt „Terramar“ in Brasilien hat nichts mit der gemeinnützigen Organisation „The Terramar Project“ oder mit Ghislaine Maxwell zu tun, wie ein Sprecher des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz auf Nachfrage mitteilte. „Es sind dementsprechend keine deutschen Fördergelder an die Stiftung oder von der Stiftung an das Projekt geflossen.“

Maxwell gründete „The Terramar Project“ 2012 in den USA. Das erklärte Ziel war tatsächlich ähnlich – die Erhaltung der Ozeane. Eine Schwesterorganisation wurde 2013 in Großbritannien mit Maxwell als Direktorin angemeldet. Beide Organisationen stellten 2019 die Arbeit ein, wie Medienberichte, ein archivierter Twitter-Beitrag und das britische Handelsregister belegen. 

Die Fördermittel für das Projekt „Terramar“ wurden laut Ministerium an die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ausgezahlt. Dort fragten wir ebenfalls nach. Sprecherin Katja Sodomann antwortete: „Es handelt sich um eine zufällige Namensgleichheit.“

Redigaturen: Matthias Bau, Max Bernhard