Faktencheck

Nein, Deutschland lehnt die Einführung von E-Fuels nicht ab

Auf Tiktok erzielt ein Video mit der Behauptung, Deutschland lehne die Einführung von E-Fuels ab, eine Million Aufrufe. Das ist falsch, Deutschland setzt sich auf europäischer Ebene sogar für E-Fuels ein.

von Matthias Bau

E-Fuels-Deutschland-CO2
E-Fuels und das Verbrennerverbot waren im Wahlkampf für die Europawahl Thema. Ein Tiktok-Video zum Thema ging nun viral. (Quelle: Florian Gaertner / Photothek / Picture Alliance)
Behauptung
Zu einem Video über E-Fuels aus Freiberg heißt es, Deutschland lehne die Einführung von „Benzin aus CO2“ ab.
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Falscher Kontext
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Falscher Kontext. Die Behauptung wird aus einem alten MDR-Beitrag aus dem Jahr 2019 abgeleitet, in dem sie aber nicht vorkommt. Dort geht es um eine Anlage, die sogenannte E-Fuels herstellt. Deutschland setzt sich auf EU-Ebene für E-Fuels ein.

Mit einer simplen Botschaft erreichte ein Tiktok-Video eine Million Aufrufe: „Geniale Erfindung: Benzin aus CO2, Deutschland lehnt Einführung ab!“, heißt es dort zu einem Video des MDR über E-Fuels. Doch die Behauptung ist falsch.

Anders als auf Tiktok behauptet, lehnt Deutschland die Einführung sogenannter E-Fuels nicht ab
Anders als auf Tiktok behauptet, lehnt Deutschland die Einführung sogenannter E-Fuels nicht ab (Quelle: Tiktok; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Tiktok-Video bedient sich bei MDR-Video aus dem Jahr 2019 

In dem Video ist ein leicht gekürzter Ausschnitt des MDR-Formats „Sachsenspiegel“ zu sehen. In der Mediathek ist die Sendung nicht mehr zu finden, auf Youtube lud sie ein Nutzer jedoch im Dezember 2019 hoch mit der Angabe, die Sendung sei vom 17. Dezember 2019. In dem Beitrag geht es um eine Versuchsanlage im sächsischen Freiberg, in der eine Firma zusammen mit der TU Bergakademie Freiberg sogenannte E-Fuels herstellt. 

E-Fuels sind flüssige Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren, die aus CO2, Wasser und Strom hergestellt werden. Das nötige CO2 soll laut dem MDR-Beitrag aus Industrieabgasen gewonnen werden. 

Über die Anlage in Freiberg berichtete im Mai 2023 auch die Sächsische Zeitung: „Die ersten 15.000 Liter grünes Benzin sind erstmalig in Europa aus einer Zapfsäule geflossen, und zwar in einer Freiberger Großversuchsanlage. In der sächsischen Stadt haben sich deshalb am Donnerstag Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) getroffen, um ihr Hoffnungsprojekt für den Verbrennermotor zu unterstützen.“ 

Deutschland setzte sich innerhalb der EU für E-Fuels ein

Verkehrsminister Wissing ist auch derjenige, der darauf drängte, dass die EU Ausnahmen für E-Fuels bei dem beschlossenen Verbrenner-Aus im Jahr 2035 prüfen soll. Anders als auf Tiktok behauptet, setzt sich Deutschland also für E-Fuels ein. 

Die Bundesregierung beschloss zudem im Frühjahr 2024, dass E-Fuels ab Mai an Tankstellen in Deutschland verkauft werden können. Der ADAC schrieb dazu im Mai, dass es noch nicht absehbar sei, „ob und wann sie an der Tankstelle bereitstehen“ werden. „Zum einen fehlen Industrieanlagen, die die erforderlichen Mengen davon herstellen könnten. Zum anderen ist derzeit auch kein konkurrenzfähiger Preis in Sicht“, so der ADAC.

Auch im konkreten Fall unterstützen die Bundesregierung und das Land Sachsen das Projekt in Freiberg. Auf der Seite des beteiligten Unternehmens heißt es, man habe „mit eigenen sowie im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte, gefördert vom Bund und dem Freistaat Sachsen, die Entwicklung weiter vorangetrieben, die Technologie patentiert und für die marktreife Großproduktion vorbereitet “ In der Sächsischen Zeitung heißt es, das Verkehrsministerium fördere das Freiberger Projekt mit 12,8 Millionen Euro.

Am Ende des Videos sagt der inzwischen verstorbene Geschäftsführer der Freiberger Firma CAC Engineering, Joachim Engelmann: Man sei in Gesprächen mit Ländern in Südamerika, Nordeuropa und Mitteleuropa, aber in Deutschland nicht. Davon sei er „schwer enttäuscht.“ Möglicherweise leitete der Tiktok-Nutzer aus diesem Satz ab, dass Deutschland die Einführung ablehne. Auf unsere Anfrage reagierte er nicht.

Antje Wappler, Pressesprecherin der Firma CAC Engineering, erklärt auf Anfrage, in Deutschland mache man aktuell keine Geschäfte. Das liege an der mangelnden Sicherheit für Investoren. Die könne laut Wappler dadurch erzeugt werden, dass die „CO2-Einsparung von synthetischen Kraftstoffen in Verbrennermotoren“ anerkannt und das „Neuzulassungsverbot für Verbrenner ab 2035“ rückgängig gemacht werde.

2019, dem Jahr, als der Beitrag des MDR erschien, schrieb das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), die Union habe sich in einem Positionspapier für den Ausbau der Förderung von E-Fuels ausgesprochen. Der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zitiert es mit den Worten: „Wir gehen voll auf saubere Treibstoffe.“ Das damals SPD-geführte Umweltministerium erklärte hingegen auf Anfrage des RND zu E-Fuels, deren Einsatz im Straßenverkehr und insbesondere für Pkw sei „nicht sinnvoll“. 

E-Fuels sind für Autos ökologisch nicht sinnvoll

Doch wie sinnvoll sind E-Fuels für Autos überhaupt? 

Dazu schrieb der Mobilitätsforscher Udo Becker von der TU Dresden im Juni 2023 in der Sächsischen Zeitung: E-Fuels seien nicht nur sehr energieaufwändig in der Herstellung, sondern bedürften auch Raffinerien, die erst noch gebaut werden müssen. Die Herstellung und Nutzung von E-Fuels sei zudem sehr ineffizient, so Becker. Er verweist auf eine Studie des Vereins „Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik“ (VDE) aus 2021. Darin steht, dass eine Windkraftanlage mit einer Leistung von drei Megawatt 1.600 E-Fahrzeuge mit Strom, aber nur 250 Fahrzeuge mit E-Fuels versorgen könne. 

Energie aus Erneuerbaren Quellen für die Produktion von E-Fuels zu verwenden, ist laut einer Studie des VDE weniger effizient als etwa für den Betrieb für E-Autos
Energie aus Erneuerbaren Quellen für die Produktion von E-Fuels zu verwenden, ist laut einer Studie des VDE weniger effizient als etwa für den Betrieb für E-Autos (Quelle: VDE)

Ein Vorteil der E-Fuels ist aber laut der Studie, dass sie „in der bestehenden Infrastruktur von Pipelines, Transportwagen, Tankstellen, Zapfsäulen und herkömmlichen Verbrennungsmotoren unkompliziert eingespeist und genutzt werden können.“ Künftig sei ihr Einsatz in Bestands- und Nischenfahrzeugen, also Sportwagen oder Oldtimer, denkbar. Auch für die Luftfahrt gebe es bereits Tests. 

Becker kommt zu einem ähnlichen Schluss in seinem Gastbeitrag. E-Fuels seien eine „tolle technische Variante“ und müssten unbedingt weiter erforscht werden. „Aber sie dürfen nicht als Argument vorgeschoben werden, um heute keinen Klimaschutz betreiben zu müssen”.

Ein Forschenden-Team des gemeinnützigen Borderstep Instituts errechnete im Mai 2024 mit Unterstützung der Scientists for Future am Beispiel Niedersachsens, dass ein Umstieg auf E-Fuels statt auf E-Autos rund dreimal so teuer wäre und ein Vielfaches an Fläche für Windräder und Photovoltaik benötigen würde. 

Am Beispiel Niedersachsens zeigten Forschende im Mai 2024, dass ein Umstieg auf E-Fuels deutlich ineffizienter wäre als der Umstieg auf batteriebetriebene Fahrzeuge
Am Beispiel Niedersachsens zeigten Forschende im Mai 2024, dass ein Umstieg auf E-Fuels deutlich ineffizienter wäre als der Umstieg auf batteriebetriebene Fahrzeuge (Quelle: Borderstep Institut)

Redigatur: Viktor Marinov, Gabriele Scherndl

Update 14. Juni 2024: Nach einem Leserhinweis haben wir die Information ergänzt, dass E-Fuels seit Frühjahr 2024 an Tankstellen in Deutschland verkauft werden dürfen.

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Publikation des VDE, „Antriebsportfolio der Zukunft“, April 2021: PDF
  • Publikation des Borderstep Institut, „Niedersachsen und die E-Fuels“, Mai 2024: PDF
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