Faktencheck

E-Autos: 29 Euro für 100 Kilometer Fahrt? Was an der Rechnung falsch ist

Auf Facebook behaupten dutzende Beiträge, das E-Mobilitätsunternehmen Ionity habe im Januar die Preise zum Laden von Elektroautos auf 1,09 Euro pro Kilowattstunde erhöht, das führe zu Kosten von 29 Euro auf 100 Kilometer. Die Behauptung kursierte bereits 2021 – und lässt relevanten Kontext aus.

von Paulina Thom

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Preise für das Laden von E-Autos an Säulen von Ionity werden im Netz falsch wiedergegeben (Symbolbild: Florian Peljak / SZ Photo / Picture Alliance)
Behauptung
Der Strom-Ladesäulen-Betreiber Ionity habe zum 15. Januar seine Preise von 84 Cent auf 1,09 Euro pro Kilowattstunde erhöht. Ein üblicher Ladevorgang von 80 Kilowattstunden koste damit 87,20 Euro. Bei einer Reichweite von 300 Kilometern entspreche das einem Preis von 29 Euro pro 100 Kilometer.
Bewertung
Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Die Preisangabe stammt aus dem Jahr 2021 und bezog sich auf den zentralen Abrechnungsanbieter Plugsurfing und nicht auf das Laden direkt über Ionity. Aktuell sind die Preise bei beiden niedriger als 1,09 Euro. Die Berechnung ist zudem unrealistisch: Selbst bei E-Autos mit sehr hohem Verbrauch liegt der Preis direkt bei Ionity aktuell und lag auch im Januar 2023 unter 29 Euro auf 100 Kilometer.

„Ganz schön happig, liebe E-Auto-Freunde“, schreibt ein Nutzer zu einem Bild, das sich seit Dezember 2023 in verschiedenen Versionen auf Facebook verbreitet. Darauf steht, das Unternehmen Ionity – ein Betreiber von Ladesäulen für Elektroautos – habe im Januar seine Preise erhöht. Statt 84 Cent koste eine Kilowattstunde jetzt 1,09 Euro. Hochgerechnet auf eine Fahrstrecke von 100 Kilometer seien dies 29 Euro. „Da bin ich ja mit meinem Benziner noch billiger“, kommentiert ein Nutzer. 

Es ist nicht das erste Mal, dass die Behauptung in Sozialen Netzwerken kursiert: Schon 2021 stellten wir in einem Faktencheck fest, dass sich die Preiserhöhung auf den zentralen Abrechnungsanbieter Plugsurfing und nicht auf das Laden direkt über Ionity bezog. Sowohl im Januar 2023 als auch aktuell sind die Preise deutlich niedriger. Zudem stellte die Rechnung die Kosten für das Fahren mit Elektroautos übertrieben dar. Das tut sie auch heute noch.

Screenshot von zwei Beiträgen auf Facebook
Die Behauptung zu Ionity kursiert im Dezember 2023 in verschiedenen Varianten. Doch die Preisangabe darin ist falsch und die Berechnung geht von einem ungewöhnlich hohen Verbrauch aus. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Preise zum Laden von Elektroautos bei Ionity sind niedriger als behauptet

Das Unternehmen Ionity ist ein Zusammenschluss verschiedener Automobilkonzerne, darunter BMW und Mercedes-Benz. Es stellt ein Netzwerk von öffentlichen Schnellladesäulen für Elektroautos zur Verfügung. 

Im Januar 2023 verlangte das Unternehmen 79 Cent pro Kilowattstunde, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete. Dafür, dass Ionity danach die Preise auf 1,09 Euro angehoben hat, konnten wir online keine Hinweise finden. Laut einer Pressemitteilung senkte das Unternehmen im August 2023 den bisherigen Tarif um zehn Cent auf 69 Cent pro Kilowattstunde. Auch aktuell verlangt Ionity in Deutschland von Direktkunden ohne Abo 69 Cent, wie eine Preisliste auf der Webseite zeigt (Stand: 20. Dezember 2023).

Preise auf der Webseite von Ionity für Dezember
Ionity verlangt mit Stand 19. Dezember 2023 69 Cent pro Kilowattstunde von Direktkunden, im Januar 2023 waren es 79 Cent. (Quelle: Ionity; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Preisangabe von 1,09 Euro pro Kilowattstunde ist veraltet und stammt von dem Anbieter Plugsurfing

Woher kommen also die in den Sozialen Netzwerken behaupteten Kosten von 1,09 Euro pro Kilowattstunde? Eine Google-Suche führt zu einem Medienbericht von Dezember 2020 über eine geplante Preiserhöhung des Mobilitätsanbieters Plugsurfing. Plugsurfing ist ein zentrales Abrechnungssystem für Besitzerinnen und Besitzer von Elektroautos, mit denen diese bei verschiedenen Anbietern von Ladesäulen via App tanken können – auch bei Ionity. Aufgrund dieses Services können die Preise bei Plugsurfing teurer sein als direkt beim Anbieter.

In dem Bericht heißt es, Mitte Januar 2021 wolle Plugsurfing die Ladepreise deutlich erhöhen: „Vor allem der Strom beim Schnellladenetzwerk Ionity wird mit 1,09 Euro pro Kilowattstunde sehr teuer.“ Diese Preisangabe stand damals ebenfalls so auf der Webseite von Plugsurfing. 

Aktuell sind die Preise für Ionity nicht gesondert auf der Webseite von Plugsurfing aufgelistet, das Unternehmen teilt uns aber auf Anfrage mit, dass Ionity in die Kategorie DC der Preisliste falle. Demnach kostet das Laden derzeit 74 Cent pro Kilowattstunde. 

Es gibt drei Typen von Ladesäulen:

  • AC = Alternating Current, liefern Wechselstrom
  • DC = Direct Current, liefern Gleichstrom und zählen zu den Schnellladesäulen
  • HPC = High-Power-Charging, liefern auch Gleichstrom und sind Schnellladesäulen, aber mit einer noch höheren Leistung als DC-Ladesäulen

Schnellladen von Elektroautos ist teurer als an normalen Ladestationen

Wie teuer es ist, ein E-Auto zu laden, hängt auch von der Ladeart ab. Grundsätzlich speichern Batterien von Elektroautos nur Gleichstrom. Beim Laden an AC-Säulen muss also der Strom noch im Auto umgewandelt werden. DC-Ladesäulen und HPC-Ladensäulen, wie die bei Ionity, wandeln selbst den Strom um, weshalb das Laden schneller geht. 

Ein Preis von mehr als einem Euro pro Kilowattstunde, wie der Tarif von Plugsurfing im Januar 2021, ist unüblich. Die Preise bei den einzelnen Anbietern schwanken, denn teilweise wird auch nach Ladezeit abgerechnet, und manche Betreiber haben monatliche Grundgebühren. Eine Preisübersicht des ADAC (Stand 8. Dezember 2023) zeigt: Die Kosten pro Kilowattstunde variieren bei den Tarifen ohne Grundgebühr zwischen 49 und 69 Cent für AC-Laden, zwischen 51 und 89 Cent für DC-Laden und zwischen 69 und 81 Cent für das Laden bei Ionity.  

Rechnung auf Facebook zur Reichweite eines E-Autos greift zu kurz

Die Preisangaben beziehen sich also auf einen veralteten Medienbericht, aktuell ist das Laden bei Ionity – und auch bei allen anderen Anbietern – günstiger. Aber was ist an den Zahlen zur Reichweite dran?

In den Facebook-Beiträgen steht, ein Ladevorgang von 80 Kilowattstunden sei „bei einem größeren Akku an der Tagesordnung“. Wenn diese Ladung 87,20 Euro koste, seien das bei einer „geladenen Reichweite von 300 Kilometern“ 29 Euro pro 100 Kilometer. Diese Rechnung setzt voraus, dass das Elektroauto auf 300 Kilometer 80 Kilowattstunden verbraucht. Das sind 26,7 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Das trifft auf manche Modelle zu, die meisten Elektroautos verbrauchen aber weniger.  

Preis pro 100 Kilometer liegt beim Schnellladenetzwerk Ionity nicht bei 29 sondern unter 15 Euro

Der ADAC hat im August 2023 einen Test veröffentlicht, bei dem der Stromverbrauch verschiedener Elektroautos pro 100 Kilometer gemessen wurde. Von 70 getesteten Modellen verbrauchten lediglich sechs mehr als 26 Kilowattstunden. Im Durchschnitt ergibt sich bei den Autos im Test ein Wert von 21,25 Kilowattstunden pro hundert Kilometern.

Mit diesem Durchschnittswert für den Verbrauch würde der Preis für 100 Kilometer Fahrt also 14,66 Euro kosten, wenn man für 69 Cent bei Ionity lädt. Bei einer Ladung via Plugsurfing, die 74 Cent kostet, käme man auf 15,73 Euro. 

Je nach Wahl des Ladesäulen-Anbieters und der Ladesäulen-Art können die Kosten aber auch günstiger sein. Mit dem durchschnittlichen Verbrauch von 21,25 Kilowattstunden und Mittelwerten der vom ADAC aufgeführten Ladesäulen-Anbieter ergibt sich ein Preis von 12,54 Euro für die AC-Ladung und 14,87 Euro für die DC-Ladung. Wenn man aus den ADAC-Tests das Auto mit dem höchsten Verbrauch und dem Anbieter mit den höchsten Ladekosten wählen würde, läge der Preis pro 100 Kilometer bei 27,50 Euro – also immer noch niedriger als die auf Facebook behaupteten 29 Euro.

Fazit: Die Rechnung auf Facebook stellt die Kosten für das Fahren mit Elektroautos übertrieben dar – sie nimmt einen veralteten und besonders hohen Strompreis (1,09 Euro pro Kilowattstunde) und einen hohen Verbrauch durch das Auto (26,7 Kilowattstunden pro 100 Kilometer) als Beispiel. Die Kosten für das Laden eines E-Autos sind jedoch üblicherweise – auch an Schnellladesäulen – günstiger. Zudem haben viele E-Autos einen geringeren Verbrauch als auf Facebook behauptet. 

Redigatur: Gabriele Scherndl, Uschi Jonas

Korrektur, 22. Dezember 2023: Wir hatten fälschlicherweise ursprünglich geschrieben, dass die Abkürzung AC für Alternativ Current steht und korrigiert, dass sie für Alternating Current steht.

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • ADAC Test zu Reichweite und Verbrauch von Elektroautos, 4. August 2023: Link (archiviert)
  • ADAC Kosten an Ladestationen im Vergleich, 8. Dezember 2023: Link (archiviert)