Faktencheck

Manche Wahlurnen lassen sich aufhebeln – wieso Betrug trotzdem nicht einfach ist

In einem Video im Netz ist vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zu sehen, wie eine Wahlurne aufgehebelt wird, obwohl sie vorne verschlossen ist. Das belege, dass Wahlbetrug leicht möglich ist. Laut Wahlordnung dürfen Urnen aber nie unbeobachtet sein, um genau das zu verhindern.

von Max Bernhard

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Dieses Video zeige, wie einfach Wahlbetrug in Deutschland sei, heißt es auf Telegram und X. Urnen sind jedoch nie unbeobachtet, um genau das zu verhindern. (Quelle: Telegram; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeigt, wie eine verschlossene Wahlurne aufgehebelt wird, und belege damit, dass Wahlbetrug einfach möglich sei.
Bewertung
Falsch. Urnen dürfen laut Bundeswahlleitung und den Landeswahlleitungen in Sachsen und Thüringen nie unbeobachtet sein. Der gesamte Wahlprozess findet außerdem öffentlich statt. Mit diesen Maßnahmen soll Wahlbetrug verhindert werden.

Am 1. September finden in Sachsen und Thüringen Landtagswahlen statt. In den Wochen davor verbreitet sich im Netz ein Video, das zeige, wie einfach Wahlbetrug sei: „So ist Wahlbetrug auch in Deutschland möglich!“ heißt es in einem Telegram-Beitrag vom 18. August, der über 60.000 Mal angezeigt wurde.

Im Video dazu zeigt ein Mann eine verschlossene Wahlurne. Er sagt „und dann passiert das Magische“ und zeigt dann, wie sich die Urne von hinten mit zwei Messern aufhebeln lässt. Vorne ist die Urne weiterhin verschlossen, von hinten lässt sich der Deckel jedoch anheben. Am Ende der Aufnahme sagt er: „Geöffnete Thüringer Wahlurne eins zu eins“ und zeigt ein Foto einer offenen Wahlurne. Das Video mit der Behauptung wird auch auf X und Tiktok verbreitet.

Doch möglicher Wahlbetrug wird nicht etwa durch eine abgeriegelte Urne verhindert, sondern dadurch, dass die Wahlurnen bis zur Auszählung ständig beaufsichtigt werden. Das erklärten uns die Büros der Landeswahlleiter in Thüringen und Sachsen sowie die Bundeswahlleitung.

Auf Telegram heißt es, ein Video in dem eine Wahlurne aufgehebelt wird, zeige wie leicht Wahlbetrug ist – aber ganz so einfach ist es nicht (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wahlvorgang ist öffentlich und Urnen werden vom Wahlvorstand durchgehend beaufsichtigt

Das Video mit derselben Falschbehauptung kursierte bereits 2021 vor den Bundestagswahlen. Damals erklärte uns eine Sprecherin der Bundeswahlleitung: „Die entscheidende Sicherung besteht darin, dass die Wahlurne stets vor Fremdzugriff beziehungsweise vor einer widerrechtlichen Öffnung geschützt ist. […] Dies wird durch die durchgängige Besetzung des Wahlraumes mit Wahlhelfenden sowie durch die Öffentlichkeit gewährleistet.“

Thomas Wolf vom Büro des Landeswahlleiters in Sachsen erklärte auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck: „Die Vorschriften zum Umgang mit Wahlurnen sind für die verschiedenen parlamentarischen Wahlen prinzipiell vergleichbar“. Laut der sächsischen Landeswahlordnung müssten „während der Wahlhandlung stets (mindestens) drei Mitglieder des Wahlvorstandes anwesend sein“. Die Wahlurnen werden also durchgehend beaufsichtigt.

„Der gesamte Prozess ist – wie die Abläufe im Wahllokal im Übrigen auch – von der Öffentlichkeit beobachtbar,“ so Wolf weiter. Geheim bleibe nur die eigentliche Kennzeichnung des Stimmzettels durch die Wahlberechtigten.

Ähnlich äußerte sich auch der Thüringer Landeswahlleiter Holger Poppenhäger: „Die Wahlurnen werden durch die Anwesenheit des Wahlvorstandes oder sonstiger Maßnahmen vor einem Fremdzugriff beziehungsweise einer widerrechtlichen Öffnung geschützt.“ Auch die Thüringer Landeswahlordnung sieht vor, dass während der Wahl immer mindestens drei Mitglieder des Wahlvorstands anwesend sein müssen.

Wahlurnen müssen verschließbar sein, aber nicht unbedingt mit Schloss oder Siegel

Zu der Frage, wie genau Wahlurnen verschlossen werden müssen, gibt es immer wieder irreführende Aussagen, die in Sozialen Netzwerken für Verunsicherung sorgen. Wie wir im Juni 2024 erklärten, müssen diese aber nicht unbedingt versiegelt oder verschlossen sein.

Das erklärte uns auch Anna-Karina Elbert aus dem Büro der Bundeswahlleiterin im Juni 2024 in einer E-Mail: Nach dem Europawahlgesetz und dem Bundeswahlgesetze seien für die Aufnahme der Stimmzettel Wahlurnen zu verwenden, die die Wahrung des Wahlgeheimnisses sicherstellen. „Zu diesem Zweck müssen die Wahlurnen verschließbar sein,“ so Elbert.

„Verschließbar“ im Sinne der Wahlordnung bedeutet Folgendes: „es muss irgendeine Art Verschlussmöglichkeit vorliegen, die eine durchgehende Verbindung von Urnengehäuse und Deckel bis zum Schluss der Wahlhandlung darstellt/sichtbar macht“. Ob es sich dabei um Vorhängeschlösser handelt, um einfache Kabelbinder oder eine Verplombung, ist nicht festgelegt. Das Mindeste, so erklärte Elbert, sei aber ein Klebestreifen oder eine Schnur mit Siegel. Sobald eine Wahlurne einmal vom Wahlvorsteher verschlossen wurde, darf sie bis zum Schluss der Wahlhandlung nicht mehr geöffnet werden.

Weil die jeweiligen Gemeindebehörden für die erforderlichen Wahlurnen zuständig seien, könne es bei der Ausgestaltung der Wahlurnen zu regionalen Unterschieden kommen. „Die Wahlurne muss mit einem Deckel versehen sein. Ihre innere Höhe soll in der Regel 90 cm, der Abstand jeder Wand von der gegenüberliegenden mindestens 35 cm betragen. Im Deckel muss die Wahlurne einen Spalt haben, der nicht weiter als 2 cm sein darf“, erläuterte Elbert weiter.

Bei der Thüringer Landtagswahl 2019 wurde eine Urne gewaltsam geöffnet

Wie wir 2021 berichteten, spricht der Mann im Video von einer Wahl in Thüringen, wo angeblich eine Urne geöffnet worden sei. Er bezieht sich offenbar auf ein Foto, das 2019 nach der Landtagswahl in Thüringen im Netz kursierte und eine hinten geöffnete Wahlurne zeigte.

Damals wurde tatsächlich eine Urne aufgebrochen, wie wir in einem anderen Faktencheck berichteten. Eine Sprecherin des Büros des Landeswahlleiters teilte uns damals mit, dass eine Person die Urne gewaltsam hinten geöffnet und ein Foto gemacht habe. Mit „genügend krimineller Energie“ sei so etwas möglich. Es sei aber nicht zu Wahlfälschung gekommen.

Alle Faktenchecks rund um die Landtagswahlen 2024 finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas