Flucht & Migration

Mit aller Härte und BAMFherzigkeit

Deutsche Ausländerbehörden schieben immer häufiger Schutzsuchende ab, obwohl sie im Kirchenasyl sind. Die Kirchengemeinden im Land sind besorgt: Der Staat respektiere ihre gesellschaftliche Übereinkunft nicht mehr – wegen steigenden Abschiebedrucks aus der Politik.

von Anette Dowideit

Flüchtlingsunterkunft in Kirche
2015 und 2016 richteten Kirchengemeinden – hier in Bremen – teils Sammelunterkünfte in ihren Räumen ein. Mittlerweile beherbergen sie eher Einzelpersonen oder Familien.

Vier Tage vor Weihnachten 2023 griffen die Ausländerbehörde und die Polizei in Schwerin durch. Die Beamten verschafften sich Zutritt in ein Einfamilienhaus am Stadtrand. Dort lebte seit ein paar Tagen eine sechsköpfige, aus Afghanistan stammende Familie – im Kirchenasyl. Trotzdem holten die Beamten die Familie laut Bericht der taz aus dem Kirchengebäude. Grund: Die oberste zuständige Stelle, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg, hatte die Abschiebung der beiden volljährigen Söhne der Familie angeordnet.

Ein Fall, wie es ihn über Jahre hinweg in Deutschland nicht gab – in jüngerer Vergangenheit aber häufiger. Vertreter der Kirchengemeinden im Land sind deshalb extrem besorgt. Sie vermuten, dahinter stehe der steigende politische Druck, Geflüchtete ohne Bleiberecht schneller abzuschieben. Damit schwinde die letzte Hoffnung für viele Schutzsuchende

Nach dem Attentat im nordrhein-westfälischen Solingen, wo ein abgelehnter Asylbewerber, der eigentlich längst hätte abgeschoben werden sollen, drei Menschen erstach und weitere verletzte, hat diese Debatte noch einmal deutlich an Fahrt gewonnen (siehe hier: aktuelle Faktenchecks zum Thema Migration).

Die Bundesregierung reagierte schnell, indem sie eine Gesetzesverschärfung ankündigte. Diese soll über Leistungskürzungen dafür sorgen, dass abgelehnte Schutzsuchende, die kein Bleiberecht haben, tatsächlich das Land verlassen.

Zwar trat erst im Februar das letzte neue Gesetz in Kraft, das Abschiebungen erleichtern sollte, doch eine spürbare Änderung brachte es offenbar nicht: Auf Anfrage von CORRECTIV hatte das Bundesinnenministerium vor zwei Wochen erklärt, die Zahl der tatsächlich abgeschobenen Ausreisepflichtigen sei um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen – was faktisch aber bedeutet, dass immer noch rund 43.000 der Betroffenen im Land leben und nicht mehr rund 55.000 wie zuvor.

Bei den Kirchen befürchtet man: Nun könnte die Härte der Behörden auch jene treffen, die besonderen Schutz brauchen.

Gesellschaftliche Übereinkunft auf der Kippe

Um zu verstehen, welcher Konflikt sich zwischen Kirche und Staat zuspitzt, während man in der AfD immer offener von „Remigration“ spricht, muss man zunächst die Idee des Kirchenasyls erklären: 

Das Kirchenasyl ist eine gesellschaftliche Übereinkunft zwischen den Spitzenverbänden der katholischen und evangelischen Kirchen auf der einen und dem Staat auf der anderen Seite: Wenn Asylbewerber abgelehnt wurden und rechtlich gesehen abgeschoben werden müssten, können Kirchengemeinden ihnen dennoch Zuflucht gewähren – und zwar dann, wenn sie als „Härtefälle“ anerkannt werden. Getroffen wurde die Vereinbarung 2015, als außergewöhnlich viele Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan und Irak nach Deutschland kamen, der Platz knapp und die Not groß war. 

Die Ausländerbehörden respektierten seither dieses Hoheitsgebiet der Kirchen. Zumindest bis vor kurzem.

Mehrere Kirchenasylexperten berichten CORRECTIV, dieser Pakt sei nun ins Wanken geraten. Während bis 2022 höchstens einmal pro Jahr Ausländerbehörden das Kirchenasyl brachen, kam dies im vergangenen Jahr deutschlandweit mindestens sieben Mal vor – zumindest laut einer Aufstellung, die die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche führt. Pastorin Dietlind Jochims ist deren Vorstandsvorsitzende und eine der Kirchenvertreterinnen im Land, die den besten Überblick über das Thema haben.

Zu Abschiebungen trotz kirchlichem Schutz kam es laut Medienberichten zum Beispiel zuletzt im niedersächsischen Bienenbüttel und im rheinland-pfälzischen Büchenbeuren.

„Die Zusicherung wird mit steigendem Druck aus der Politik brüchiger“

Sieben Fälle – das klingt auf den ersten Blick nach einer verschwindend geringen Zahl. Insgesamt gewährten Kirchengemeinden laut Bundesinnenministerium von Januar bis Juli dieses Jahres in 1.528 Fällen Kirchenasyl. 

Ein anderer Kirchenasylvertreter, Jan Niklas Collet vom ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche in Nordrhein-Westfalen, sagt: Die Dunkelziffer sei vermutlich höher. „Die Fälle, in denen trotz Kirchenasyls abgeschoben wird, werden nicht systematisch erfasst und längst nicht alle werden öffentlich bekannt. Das liegt auch daran, dass einigen Gemeinden der Schritt an die Öffentlichkeit nicht recht ist.“ Entweder, sagt Collet, weil die Gemeinde das Verhältnis zur Ausländerbehörde nicht weiter belasten wolle oder auch, weil sie eine breitere Öffentlichkeit vermeiden wollten.

In jenen Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren, sei man sehr besorgt, sagt Pastorin Jochims: „Die Zusicherung, dass der Staat das Kirchenasyl akzeptiert, wird mit zunehmendem Abschiebedruck aus der Politik brüchiger.“ Experte Collet aus NRW sieht es ähnlich: „Der Druck aufs Kirchenasyl steigt.“ 

WAS IST KIRCHENASYL?

Eine Pfarrei oder Kirchengemeinde kann vorübergehend Geflüchtete aufnehmen, um deren Abschiebung zu verhindern. Das Kirchenasyl dient dazu, besonders gefährdete Personen vor dem Vollzug der Abschiebung zu bewahren, wenn diesen Gefahren für Leib und Leben drohen. Es handelt sich um eine rechtlich nicht bindende Übereinkunft zwischen Kirchen und Staat. 

Die Geschichte des Kirchenasyls geht bis in die Antike zurück, wo besonders schutzwürdige Personen Zuflucht unter dem Schutz der Heiligen in den Tempeln fanden. Auch im Alten Testament ist eine Form des „Heiligtumsasyls“ erwähnt. 

In Deutschland gab es den ersten Fall 1983: In der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Berlin-Kreuzberg fanden drei palästinensische Familien aus dem Libanon Zuflucht. Von Berlin aus verbreitete sich die Gruppe jener Kirchengemeinden, die auf diese Weise Schutz gewährten.

 

Härtere Abschieberegeln per Merkblatt

Die Fälle, in denen Ausländerbehörden zuletzt Geflüchtete aus dem Kirchenasyl holten, gehen offenbar auf eine Handlungsanweisung von oben zurück, also vom BAMF. Laut Interpretation der Kirchen begann der jetzige harte Abschiebekurs mit einem Merkblatt aus der Behörde.

Dieses Schreiben schickte das dem Bundesinnenministerium unterstehende BAMF im November 2022 an die Ausländerbehörden im ganzen Land. Es ist noch jetzt unter diesem Link abrufbar. Unter Punkt 5 steht dort sinngemäß: Lehne das BAMF das Gesuch einer Kirchengemeinde ab, Kirchenasyl gewähren zu dürfen, müssten die Schutzsuchenden das Asyl innerhalb von drei Tagen nach dieser Ablehnung verlassen. Daraus ergibt sich: Andernfalls werden sie von den Behörden abgeholt.

Auffällig ist, dass es im Dokument heißt: „Dies würde ansonsten Systemkritik (…) insgesamt bedeuten.“ Die Behörde begründet die Verschärfung also mit politischen Notwendigkeiten, die man dort offenbar schon zu diesem Zeitpunkt sah.

Für Pastorin Jochims liegt hierin ein Knackpunkt: „Das Merkblatt ist nicht Bestandteil der Verabredungen von 2015. Die jetzt aus ihm abgeleitete Verschärfung der Handhabung wurde mit den Kirchen weder verhandelt noch abgesprochen.“

Die offiziellen Regeln des BAMF, an die sich die Ausländerbehörden vor Ort halten müssen, lauten so: Will eine Kirchengemeinde Schutzsuchende aufnehmen, die eigentlich schon von den Behörden als abschiebepflichtig beschieden wurden, müssen sie zunächst ihr Gesuch an die Bundesbehörde schicken, einen sogenannten Härtefall-Antrag. Darin müssen sie begründen, worin konkret die Härte in diesem Fall besteht: Ist der oder die Schutzsuchende zum Beispiel schwer krank und kann nur in Deutschland behandelt werden?

Zurück ins Land, in dem der Erstantrag gestellt wurde

Fast alle Fälle von Kirchenasyl drehen sich um das sogenannte „Dublin-3-Abkommen“. Es besagt – hier vom UN-Flüchtlingsrat ausführlich erklärt – dass Schutzsuchende in Europa lediglich einmal einen Asylantrag stellen dürfen: in jenem Land, in dem sie zuerst ankamen. Bei den sieben Abschiebefällen aus dem Kirchenasyl seit dem vergangenen Sommer ging es nicht darum, die Schutzsuchenden in ihre Herkunftsländer zurückzufliegen, sondern in einen anderen EU-Staat.

Dieser Umstand ist der Grund, warum die zuständigen Behörden ihr härteres Durchgreifen als deutlich weniger dramatisch bezeichnen, als die Kirchen es sehen. CORRECTIV hat den für die Dublin-Verfahren zuständigen Abteilungsleiter im BAMF dazu befragt, Frank Schimmelpfennig. Er formuliert vorsichtig so: „Im Thema Kirchenasyl sind viele Emotionen drin, das muss man einfach akzeptieren.“

Zunächst, sagt Schimmelpfennig, sei es so: Das Kirchenasyl sei kein gesetzlich verbrieftes Recht der Kirchen, sondern Kulanz der Behörden – schließlich gehe es darum, dass Menschen, die rechtlich gesehen ausreisen müssten, vorübergehend doch bleiben dürften. Der Staat drücke also gewissermaßen ein Auge zu und erlaube den Kirchen, das Gesetz zu beugen.

Hier genau liege aber der Knackpunkt, findet Schimmelpfennig: „Ein Kirchenasyl muss immer die Ultima Ratio sein, eine absolute Ausnahme. Tatsächlich haben die Kirchen aber die Zahl der Fälle, in denen sie mit besonderer Härte argumentieren, in den letzten Jahren immer weiter erhöht.“ Der Behördenvertreter sagt also sinngemäß: Die Kirchen nutzten die Gutmütigkeit des Staates aus.

Das zeige die Statistik: Im ganzen vergangenen Jahr habe seine Abteilung rund 2.000 solcher Dublin-Fälle auf besondere Härte hin prüfen müssen. In diesem Jahr seien es schon jetzt deutlich über 2.000. „Und unsere Prüfungen zeigen, dass die allerwenigsten angeblichen Härtefälle, etwas über einem Prozent, wirklich als solche zu bewerten sind.“ Eine solche Härte bestehe aus Behördensicht etwa, wenn die Betroffenen wegen dauerhafter körperlicher Einschränkungen nicht ins EU-Land reisen könnten, in dem sie zunächst den Asylantrag gestellt haben. Oder, wenn ein spezielles humanitäres oder familiäres Abhängigkeitsverhältnis besteht.

Zum Antragstellen gezwungen

Fragt man bei jenen Kirchengemeinden nach, die Kirchenasyl gewähren, wird allerdings klar: das BAMF blendet offenbar häufiger einen entscheidenden Punkt aus – und zwar den, dass auch die Abschiebung in EU-Staaten alles andere als sicher sein kann.

Viele Schutzsuchende haben auf ihrer ersten Station in Europa schreckliche Erfahrungen gemacht. Das schildert zum Beispiel Pfarrer Michael Ostholthoff, der die katholische Gemeinde St. Sixtus im nordrhein-westfälischen Haltern am See leitet. Seit 2020 teilt er seine Pfarrwohnung immer wieder mit Geflüchteten. Damals, erzählt er, sei ein einschneidendes Erlebnis der Auslöser gewesen. Ostholthoff kam gerade aus dem Gottesdienst, da stand eine junge Frau vor ihm, neben ihr ein afghanischer Mann. Sie erklärte, er sei unmittelbar von der Abschiebung bedroht. „Wir müssen dieses Wochenende eine Lösung finden“, sagte die junge Frau, „sonst ist es zu spät.“

Foto des Pastors Michael Ostholthoff
Pastor Ostholthoff teilt seine Pfarrwohnung immer wieder mit Schutzsuchenden. Quelle: Gemeinde St. Sixtus

Ostholthoff überlegte damals fieberhaft, wo er so schnell eine Unterkunft finden könne, erzählt er heute. Seine eigene Wohnung zu teilen, sei ihm als pragmatischste Lösung erschienen. Seither, sagt er, habe er sich von den Schutzsuchenden, die bei ihm unterkamen, erzählen lassen, was ihnen bei der Ankunft in Europa widerfuhr – dort, wo sie ihren Asylantrag stellen mussten.

„Das sind teilweise krasse Verletzungen von Menschenwürde und Menschenrecht, die ich vorher im Rechtsrahmen der Europäischen Union nicht für möglich gehalten hätte“, sagt der Pfarrer. „Dass Menschen gezwungen werden, durch körperliche Gewalt, ihren Fingerabdruck zu hinterlassen. Dass man mit bissigen Hunden eine Nacht lang in einem Käfig eingesperrt wird. Ich nehme es diesen Menschen absolut ab, wenn sie sagen: Wenn ich in dieses Land zurück soll, dann nehme ich mir eher das Leben.“

Vor allem Rumänien, Bulgarien und Litauen, sagt der Pfarrer, der mittlerweile zum Experten geworden ist, würden auch unter Menschenrechtsorganisationen als berüchtigt für ihren brutalen Umgang mit Geflüchteten gelten.

Ein eindrückliches Beispiel dafür schilderte eine im Mai erschienene TV-Dokumentation des ZDF. Darin erzählt der 23-jährige Mustaba Ali aus dem Irak seine Geschichte. Ali, damals im Kirchenasyl im Allgäu, berichtet, wie er auf seiner Flucht aus dem Irak zunächst nach Bulgarien gekommen sei. Dort habe ihn die Polizei festgenommen und ihn mit einem Holzstock verprügelt. Er sei von Hunden bedrängt worden, 28 Tage in eine überfüllte Gefängniszelle gesteckt und auch dort geschlagen worden.

Das EU-Recht besagt: Ali müsste wieder nach Bulgarien abgeschoben werden. Er ist, wie man im Behördendeutsch sagt, ein Dublin-3-Fall. Und zwar einer, für den rechtlich gesehen keine Härtefallregelung greift.

Eine Abteilung überprüft sich selbst

Kirchenvertreter Collet aus NRW sagt noch etwas, das für die Bewertung wichtig ist: Als BAMF und Kirchen 2015 die jetzige Übereinkunft trafen, habe die Behörde zunächst – zumindest in NRW – 93 Prozent aller Härtefall-Gesuche der Kirchen anerkannt, die das Netzwerk Kirchenasyl einbrachte.

Dann aber, im Mai 2016, wechselte innerhalb der Behörde die Zuständigkeit: Jetzt wurde für diese Prüfung jene Abteilung von Frank Schimmelpfennig verantwortlich, und damit jene Stelle, die schon eine erste Entscheidung über das Schicksal des jeweiligen Schutzsuchenden getroffen hatte. „Das ist so, als würde derjenige, der in einem Verein die Kasse führt, selbst die Kassenprüfung machen.“ Dass jemand seine eigene Entscheidung revidiere, sei unwahrscheinlich. Das Ergebnis: Zuletzt sei in seinem Zuständigkeitsbereich kein einziger Härtefall vom BAMF akzeptiert worden. 

So heikel, dass öffentlich bekannte Zahlen geheim gehalten werden sollen

Im politisch verantwortlichen Bundesinnenministerium unter Ministerin Nancy Faeser (SPD) hält man die Frage, ob es stimmt, dass der Staat das Kirchenasyl nicht mehr wie bisher akzeptiert, offenbar für sehr heikel. So sehr, dass man dazu auf Anfrage von CORRECTIV rein gar nichts sagen möchte – weder zum Zitieren noch für den Hinterkopf. 

Ein BMI-Sprecher schreibt lediglich, nach mehrmaliger Nachfrage der Redaktion: Man könne „unter Drei“ (Journalistensprache für „Von mir haben Sie das aber nicht“) sagen, die Kirchenasyl-Zahlen hätten sich seit dem Jahr 2021 verdreifacht. 

Tatsächlich stimmt das grob, auch wenn sich die Geheimniskrämerei nicht ganz nachvollziehen lässt. Denn auf Anfrage der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hat das BAMF die Zahlen längst veröffentlicht: Im Jahr 2021 gab es demnach 822 Anträge von Kirchengemeinden auf Kirchenasyl, 2022 bereits 1.243 Fälle, 2023 dann 2.065. Und in diesem Jahr bereits mehr als 1.500. 

Die Kirchen weisen allerdings darauf hin: Man müsse diese Zahlen in Relation sehen – zu den insgesamt in den jeweiligen Jahren angekommenen Asylsuchenden: 2021 waren es rund 190.000 Menschen, 2022 rund 244.000 und 2023 etwa 350.000

Das Innenministerium möchte mit der ganzen Sache offenbar nicht in Verbindung gebracht werden, obwohl das BAMF, das die Regeln macht und die Härtefall-Anträge prüft, ihm untersteht. Im Gegenteil, ein Sprecher des Ministeriums weist die Verantwortung auf andere: Man müsse sich für Fragen an die Bundesländer wenden, denn die seien für „die Durchsetzung der Ausreisepflicht zuständig“, schreibt er.

Niemand will sich die Finger verbrennen 

CORRECTIV hat, als ein Beispiel, die Regierung Nordrhein-Westfalens befragt. Denn auch dort ereignete sich kürzlich eine Fast-Abschiebung aus dem Kirchenasyl, in Bielefeld. Die Polizei griff Ende Juni einen 24-jährigen Georgier während eines Spaziergangs auf, der wegen einer schweren psychischen Erkrankung im Kirchenasyl lebte – und steckte ihn in Abschiebehaft. 

Die zuständige Ministerin in NRW, Josefine Paul (Grüne), sagte CORRECTIV etwas verklausuliert: Sie bringe sich derzeit in Diskussionen „auch auf höchster politischer Ebene“ ein, mit dem Ziel, „die Akzeptanz für das bewährte Instrument zu erhalten und die Umsetzung etablierter Verfahren zu unterstützen“. Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten sei nötig, beim BAMF ebenso wie bei Kirchen.

Das vorsichtige Zitat zeigt: Das Thema Kirchenasyl ist offenbar ein heißes Eisen für alle Beteiligten. Anders als die NRW-Ministerin wollen sich andere, die dazu durchaus etwas zu sagen hätten, gar nicht zitieren lassen: weder hochrangige Kirchenvertreter noch verantwortliche Politikerinnen und Politiker.