Bring Klimawandel back

Teaser Bild des CORRECTIV Spotlight Newsletters

ich schreibe Ihnen heute aus Kopenhagen. Hier besuche ich eine Konferenz mit Journalistinnen und Journalisten aus ganz Europa, die sich um die Frage dreht: Wie können wir Medienschaffende dafür sorgen, dass sich wieder mehr Menschen für den Klimawandel interessieren? 

Wir bei CORRECTIV haben als eine der ersten Redaktionen in Deutschland schon vor einigen Jahren entschieden, dass es ein Recherchethema gibt, das deutlich wichtiger ist: den Klimawandel. Denn ohne das Bewusstsein, dass wir die Erderwärmung stoppen müssen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten (und zum Beispiel auch die Migration von Klimaflüchtlingen nach Europa zu verringern), verblasst am Ende doch alles andere.

Derzeit zerbrechen wir mit unserer Klima-Investigativredaktion uns die Köpfe darüber, wie es gelingen kann, den Leuten dies wieder bewusster zu machen. Und Redaktionen weltweit geht es ähnlich. Folgende Impulse habe ich vom „News Impact Summit“ in Kopenhagen mitgenommen:

Leserinnen und Leser einbinden:
Diese Strategie erklärte hier zum Beispiel eine Reporterin des norwegischen öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders NRK: Als sie dort kürzlich eine Recherche über das Fischsterben in Norwegen gemacht haben, riefen sie Menschen aus ganz Dänemark auf, Fotos von verendeten Fischen zu schicken und dazu zu schreiben, wo genau das war. Auf diese Weise sei die Recherche, noch während sie lief, viral gegangen, auch Vereine in mehreren Städten hätten sich organisiert und mitgewirkt. 

Beim Geldbeutel anfangen:
Das Problem beim Berichten über Klimathemen ist ja: Man kommt als Journalistin eigentlich fast immer oberlehrerhaft rüber, weil man den Leuten sagt: Das müsst ihr lesen, das ist wichtig. Viele Menschen entwickeln da verständlicherweise erst mal eine Abwehrhaltung. 

Darüber habe ich hier vorhin mit einer der Chefredakteurinnen von Politiken gesprochen, einer der großen dänischen Tageszeitungen. Wir waren uns einig, dass man es heute anders machen muss. Die Leute da abholen, wo der Klimawandel sie im Alltag betrifft. Und das, da waren wir uns einig, kann auch mal ganz lapidar der Geldbeutel sein: Wo bezahle ich zu viel und was hat das mit Klimawandel zu tun?

Genau diesen Ansatz haben wir bei CORRECTIV tatsächlich schon ein paar Mal verfolgt und es hat auch gut funktioniert. Zuletzt bei der Recherche „Ökogas-Lüge“ unseres Klima-Teams. Darin ging es um Zertifikate, die uns Gasversorger verkaufen – die aber längst nicht das leisten, was sie versprechen. Die dänischen Politiken-Kollegen haben übrigens kürzlich eine ganz ähnliche Recherche in ihrem Land gemacht.

An kurze Aufmerksamkeitsspanne denken:
In Sozialen Netzwerken, hat vorhin die Social Media-Klimaexpertin Nabihah Parkar erklärt, die unter anderem für die britische BBC arbeitet (hier ihr Instagram-Profil), hat man als Absender nur drei Sekunden Zeit, Leute in sein Video reinzuziehen. Das heißt: zuspitzen, neugierig machen, die Kernbotschaft noch viel mehr auf den Punkt bringen als in „normalen“ Zeitungstexten. Das mag uns Journalisten nicht gefallen, weil wir doch immer so viel zu sagen haben, aber es ist nun mal die Realität dessen, wie heute Medien konsumiert werden.

Interesse über Lifestyle wecken:
Eine nicht ganz unumstrittene Methode, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen, wird gerade auch hier in Kopenhagen diskutiert: Darf/soll/muss man manchmal so tun, als gehe es hier um ein Lifestyle-Thema – und dann damit um die Ecke kommen, dass es eigentlich um Klimawandel geht?

Diese Strategie hat zuletzt der Streaming-Dienst Netflix erfolgreich angewendet: In dessen Doku-Mehrteiler „Du bist, was du isst – ein Zwillings-Experiment“ versprach der Trailer: Es gehe darum, ob bei eineiigen Zwillingen jener von beiden gesünder und fitter werde, der sich nur noch fleischlos ernährt. Schon in Teil 2 des Vierteilers wurde aber klar: Eigentlich geht es hier um etwas ganz anderes – nämlich darum, wie massiv Massentierhaltung dem Planeten schadet.

Ich persönlich fand diesen Trick irgendwie faszinierend. Aber ist es auch redlich, sein Publikum auf diese Weise einzufangen? Wie sehen Sie das – und was denken Sie, wie wir Medien den Klimawandel wieder mehr auf die Agenda heben können? Ich freue mich auf Ihre Ideen!

Schwarzbuch prangert Steuerverschwendung an
Mit dem „Schwarzbuch“ hat der Bund der Steuerzahler neue Fälle von öffentlicher Geldverschwendung vorgestellt. Kritisiert wird beispielsweise ein Musikvideo für eine Rad-Kampagne der Stadt Bielefeld, das 55.000 Euro Steuergeld gekostet hat.
tagesschau.de

NRW: Falsche Informationen über SEK-Einsatz kursieren auf Social Media
Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Reichsbürgers in Bochum kursierten auf Instagram und Facebook Falschinformationen über den SEK-Einsatz. Auf den Plattformen verbreiteten sich Spekulationen über eine mögliche Geiselnahme, Clan-Kriminalität, Bankraub und eine Beziehungstat.
waz.de

Investigativ: Deutsche Maschinen für russisches Militär
Trotz Sanktionen importiert Russland deutsche Maschinen für die Herstellung von Kriegsgerät, Munition, und Ersatzteilen. Recherchen des SWR zeigen, dass im letzten Jahr mehr als 300 Maschinen an Russland geliefert wurden. Viele Importe laufen über die Türkei. Dass auch deutsche Waffen nach Russland gelangen, haben unsere Recherchen im November 2023 gezeigt.
tagesschau.de

An Johanna A.s Schule können Berufsschüler duale und schulische Ausbildungen machen. Besonders jene mit rein schulischer Ausbildung sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen, da sie kein Ausbildungsgehalt oder nur eine geringe Vergütung bekommen. Viele Ausbildungen aus dem Bereich Soziales und Gesundheit fallen darunter. 

Seit ihrem Start vor zwei Jahren haben an der Schule etwa 700 Azubis angefangen. 300 davon hat Johanna A. mindestens zum beratenden Erstgespräch getroffen. Dort ging es nicht immer ums Geld, doch der Bedarf sei hoch. Sie berichtet, dass viele aus „multi-problematischen Familien“ kämen, die keinen finanziellen Rückhalt bieten könnten. Oft wollen die jungen Menschen in einen sozialen Beruf – um „etwas zurückzugeben“, weil sie wüssten „wie scheiße das Leben sein kann.“

Finanzielle Unterstützung kann beispielsweise in Form von Aufstiegs-BAföG, Schüler-BAföG oder Wohngeld beantragt werden. „Ich unterstütze bei bürokratischen Prozessen jeglicher Art“. Häufig erlebt Johanna A. dabei, dass die Ämter für die Bearbeitung von Anträgen zu lange brauchen oder die Zuständigkeiten nicht klar sind. Das hat zur Folge, dass mehrere Azubis jährlich die Ausbildung an Johanna A.s Schule abbrechen müssen. 

Mit der Wohngeldreform Anfang 2023 sollten mehr Menschen die Möglichkeit bekommen, Wohngeld zu beantragen. Johanna A. erzählt, dass für die vermehrten Anträge der Personalschlüssel in den Ämtern aber nicht angepasst wurde. So habe sich die Wartezeit bei Wohngeld-Anträgen teilweise verdreifacht. Einigen Berufsschülern droht deswegen, dass sie ihre Wohnung verlieren. 

Oft dreht Johanna A. bei ihrer Arbeit Schleifen. Sie wird am Telefon auf eine Online-Plattform verwiesen. Wenn sie dort nicht mehr weiterkommt, soll sie die Service-Hotline anrufen. Die sagen ihr, sie müsse sich „im Internet durchkämpfen“. „Ich bleibe hartnäckig und beiße mich durch“, sagt Johanna A. darauf. „Man sollte ja meinen, dass ich nach zwei Jahren Berufserfahrung den Überblick über die Prozesse habe“, aber die Realität sei viel komplexer. 

Immer wieder steht Johanna A. vor „bürokratischen Wänden“, wie sie es nennt. Was helfen würde: eine Übersichts-Seite, die mit einem Abfragesystem an die richtige Behörde vermitteln soll. Sie schlägt außerdem vor, Anträge und Briefe auch in leichter Sprache anzubieten. Denn selbst für deutsche Muttersprachler sei es schwer, die verschiedenen Anträge zu verstehen. 

Hier kommen regelmäßig Menschen zu Wort, die in ihrem Alltag auf bürokratische Hürden stoßen – und Ideen haben, wie es auch einfacher geht. Wenn Ihnen die Bürokratie auch Steine in den Weg legt und Sie konstruktive Lösungen dafür haben, schreiben Sie mir gerne: bianca.poersch@correctiv.org. Wir benötigen ein Foto von Ihnen und die Bereitschaft, dass wir Ihre Geschichte veröffentlichen dürfen.

Endlich verständlich
Nach den deutlichen Zugewinnen der AfD bei den diesjährigen Wahlen wird einmal mehr klar, dass Rechtspopulisten in Deutschland, aber auch anderswo in Europa, auf dem Vormarsch sind. Die ARD hat eine Reihe Audiostücke zusammengestellt, die Rechtspopulismus besser verständlich machen.
ardaudiothek.de (Audio)

So geht’s auch 
Das Heben von Patienten ist eine dauerhafte körperliche Belastung für Pflegekräfte. Zur Rückenschonung wird in der Berliner Charité ein sogenanntes Exoskelett getestet, das die Belastung vom Rücken in die Schultern und Beine leitet.
dw.com (Video)

Fundstück
Wissenschaftler aus Großbritannien konnten erstmals eine beeindruckende Überlebensstrategie von Rippenquallen beobachten: Bei Verletzungen verschmelzen sie einfach mit anderen Artgenossen.
br.de


An der heutigen Ausgabe haben mitgewirkt: Till Eckert, Bianca Poersch, Elena Schipfer und Finn Schöneck