TTIP

Kaum Vorteile durch TTIP

Die ungarische Regierung wollte wissen, welche Auswirkungen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA auf die heimische Wirtschaft haben wird und beauftragte einen Think Tank mit einer Studie. Die Ergebnisse wurden im September 2014 vorgelegt - und von der Regierung als „Verschlusssache“ eingestuft. Wir veröffentlichen die Studie in Kooperation mit der ungarischen Wirtschaftszeitung hvg.hu.

von Marta Orosz

© Ivo Mayr

Welche Auswirkungen hätte eine Liberalisierung der Märkte für die unterschiedlichen Bereiche der ungarischen Wirtschaft? Das hat das regierungsnahe Századvég-Institut untersucht. Die Regierung von Viktor Orbán fand sie offenbar so brisant, dass sie die Ergebnisse unter Verschluss hält. Offiziell unterstützt die Regierung Orbán das Abkommen.   

Die ungarischen Schlachthöfe für Hühner, Rinder und Schweine seien von der neuen Konkurrenz aus den USA bedroht, genau wie Maisbauern und Weinproduzenten. Die amerikanischen Firmen produzierten hier günstiger. Auch die europäischen Elektronikhersteller müssten sich auf härtere Zeiten einstellen. Dieser Wirtschaftssektor trägt in Ungarn maßgeblich zum Bruttoinlandseinkommen bei. Ungarische Weizenproduzenten stünden dagegen besser da als ihre US-Konkurrenten und könnten durch das Abkommen gewinnen.

Bescheidener Optimismus

Insgesamt seien die Auswirkungen von TTIP aber gering. „TTIP könnte das Einkommen, die Zahl der Beschäftigten und die Investitionen steigern, aber es bedeutet keine Lösung für die strukturellen Probleme des Landes“, so die Studie weiter. Die ungarischen Ökonomen haben ausgerechnet, dass eine umfassende Liberalisierung ein Wirtschaftswachstum von höchstens 0,2 Prozent auslösen würde. Dies würde im besten Fall 20.000 bis 30.000 neue Arbeitsplätze bedeuten und zusätzliche Investitionen von 16 bis 28 Millionen Euro. Was die wirtschaftliche Auswirkungen angeht, muss man TTIP mit einem „bescheidenen Optimismus“ betrachten.

Wachstum kann sich vor allem die Autoindustrie erhoffen – und damit auch die ungarischen Zuliefererbetriebe für Konzerne wie Opel, BMW oder Audi.

Dagegen dürfte TTIP eine Gefahr für die schwächer entwickelten Regionen des Landes bedeuten: Die Anpassungsphase nach der Marktliberalisierung könnte für die weniger entwickelten Regionen beschwerlich sein. Die Studie erinnert daran, dass die Marktliberalisierung nicht nur in Ungarn, sondern auch in der EU und in den USA von unterschiedlich entwickelten Wirtschaftsbranchen und Regionen eine Anpassung verlangen wird.

Auch die Öffnung der europäischen Märkte für genmodifizierte Pflanzen hätte weitreichende Folgen für Ungarn. Der Abbau von Zöllen könnte ungarische Maiskonserven und Mais-Bioetanol unrentabel machen, weil amerikanische Betriebe, dank weniger strikter Vorschriften, niedrigeren Energiepreisen und der Zulassung von Gentechnik, effektiver und günstiger produzieren.

Da Ungarn ein großer Saatguthersteller ist, macht sich das Land gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft stark. Ein entsprechendes Verbot ist neuerdings sogar in der ungarischen Verfassung verankert. Ungarn befürchtet, dass Konzerne im Zuge von TTIP  diesen Passus anfechten könnten.

Deutschland

Über die Nachteile des EU-US Freihandelsabkommens reden Regierungen nicht gerne. Auf Anfrage von CORRECTIV hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) geantwortet, dass es zwei Studien über die Chancen und Risiken in Auftrag gegeben habe (Ifo-Studien). Doch die Ergebnisse der Studie wurden von vielen Seiten kritisiert – vor allem wegen der zu optimistischen Prognosen. Dennoch sieht das BMWi keinen Bedarf für weitere konkrete Folgenabschätzungen und arbeitet weiter mit der Ifo-Studie aus dem Jahr 2013. Zu den möglichen Risiken oder Nachteilen des Freihandelsabkommens auf bestimmte Branchen äußerte sich die Bundesregierung bisher nicht.