„Fragen Sie Ihren Minister“
EU-Kommissarin Cecilia Malmström hat den Bundestag über den Stand der Verhandlungen bei TTIP und CETA informiert – und Erwartungen der Parlamentarier nach mehr Transparenz und Mitsprache gedämpft. In Sachen Leseräumen – in denen Parlamentarier die geheimen Verhandlungsdokumente einsehen dürfen – sagte sie: Es liege an Wirtschaftsminister Gabriel, wann sie eingerichtet werden.
Der Bundestag sei bei TTIP nicht in der gleichen Rolle wie der US-Kongress und das EU-Parlament, sagte die EU-Kommissarin nach Angaben mehrerer Teilnehmer in einer nichtöffentlichen Sitzung des Wirtschaftsauschusses des Bundestages am Donnerstag.
Malmström informierte den Bundestag über die Fortschritte sowohl bei den Verhandlungen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA). Beide Abkommen sind vor allem in Deutschland sehr umstritten. Kritiker befürchten, dass durch die Abkommen Verbraucherstandards gesenkt werden könnten. Verstärkt wird die Kritik, weil die Verhandlungen geheim geführt werden.
Transparenz ein Bonus für den Bundestag
Der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten stehen nach Ansicht der EU-Kommission nicht auf der gleichen Stufe wie der US-Kongress und das EU-Parlament. Es sei ein „Bonus“, dass die EU mit den USA eigene Leseräume für die EU-Mitgliedstaaten aushandeln konnten, sagte Malmström. Sie bezieht sich damit auf die Tatsache, dass die TTIP-Verhandlungen von der EU-Kommission und nicht direkt von den Mitgliedsstaaten geführt werden.
Der Abgeordnete Klaus Ernst (DIE LINKE) hatte sich erkundigt, ob auch Mitarbeiter von Abgeordneten in den Leseraum dürften. Im US-Kongress und dem EU-Parlament dürfen auch Fachreferenten die Entwürfe einsehen. Malmström antwortete, dass nur Parlamentarier Zugang zu den nationalen Leseräumen haben werden. Sie sagte aber zu, dass die Entwürfe auch übersetzt werden sollen.
Die Abgeordneten begrüßten grundsätzlich, dass sich die EU-Kommission für mehr Transparenz eingesetzt hatte. Die Kommissarin hatte vor wenigen Wochen angekündigt, dass die Abgeordneten aller nationalen Parlamente innerhalb der EU Zugang zu allen Verhandlungsdokumenten bekommen werden. Allerdings dürfen Abgeordnete die Vertragsentwürfe nur in einem speziell geschützten Leseraum einsehen. In den Räumen dürfen sich die Parlamentarier unter Aufsicht eines Sicherheitsbeamten Notizen mit Bleistift und Papier machen. Der Ausschussvorsitzende Peter Ramsauer (CSU) sagte dazu, dass das Lesen unter Aufsicht eines Wachmanns nicht dem Selbstverständnis des Bundestages entpreche.
Auf die Frage, wann die Leseräume in Berlin eröffnet werden, sagte die Handelskommissarin nach der Sitzung gegenüber correctiv.org: „Fragen Sie den Wirtschaftsminister! Sobald der Leseraum vom Wirtschaftsministerium eingerichtet ist, schicken wir die TTIP-Dokumente zu“. Die Bundesregierung hat bislang noch kein Datum genannt, ab wann sich die Abgeordneten informieren können.
Unklar, ob Bundestag abstimmen darf
Die wettbewerbspolitische Sprecherin der GRÜNEN, Katharina Dröge, kritisierte, dass noch immer keine Klarheit darüber bestehe, ob der Bundestag am Ende über das Abkommen abstimmen werde. „Aus meiner Sicht ist die Sache klar und es irritiert, dass die Kommission sich hier immer noch nicht festlegen will“, sagte Dröge gegenüber correctiv.org.
Die EU-Kommissarin rechnet zwar damit, dass auch die nationalen Parlamente am Ende zustimmen müssen, legte sich aber nicht fest: „Es ist wahrscheinlich, dass CETA und TTIP gemischte Abkommen sind“, sagte sie. Der Bundestag darf über die Handelsverträge nur abstimmen, wenn die EU den Vertrag als ein Abkommen einstuft, dass auch in Kompetenzen der EU-Staaten eingreift.
Teilnehmer berichten, dass es ein offenes und intensives Gespräch gewesen sei. Malmström beantwortete auch Fragen zu den Fortschritten des Abkommens. Sie versicherte, dass Verbraucherstandards nicht gesenkt würden und auch kein Zwang zu Privatisierungen bestehen werde.
Die Vorsitzende des Rechtsauschusses des Bundestages, Renate Künast (GRÜNE), erkundigte sich, ob in TTIP klar gestellt werde, dass das Vorsorgeprinzip in der EU gelte. In der EU kann die Zulassung neuer Produkte abgelehnt werden, wenn Risiken für Verbraucher drohen. Malmström sagte dazu, dass das Prinzip nicht ausdrücklich in dem Abkommen erwähnt werde, es aber klar sei, dass es im EU-Recht gelte.
Malmström traf sich in Berlin auch mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), um über TTIP zu sprechen. Das Abkommen soll nach dem Willen der Verhandlungspartner noch bis Ende 2016 abgeschlossen werden. Dafür müssten die Verhandlungen deutlich intensiver geführt werden.