Hintergrund

Alice Weidel bei Elon Musk: Diese Behauptungen haben wir geprüft

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel war zu Gast bei Tech-Milliardär Elon Musk. Im Gespräch fielen mehrere Falschbehautpungen. Wir haben einige der Aussagen von Alice Weidel geprüft.

von Matthias Bau , Max Bernhard , Johannes Gille , Kimberly Nicolaus , Gabriele Scherndl

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Am 9. Januar 2025 sprach AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel mit X-Chef Elon Musk. Dabei fielen zahlreiche Falschbehauptungen. (Quelle: Frank Hoermann / Sven Simon / Picture Alliance)

Schon in der Einladung zum Gespräch stand eine Falschbehauptung: Er spreche mit der „führenden Kandidatin, um Deutschland zu regieren“, schrieb Tech-Milliardär und X-Chef Elon Musk über das Gespräch mit der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, das am 9. Januar 2025 live auf X stattfand. 

Dabei ringen im aktuellen Politbarometer in der Kanzlerfrage aktuell der Grünen-Kandidat Robert Habeck und der CDU-Kandidat Friedrich Merz um Platz eins – Weidel wollen laut der Daten 15 Prozent der Befragten an der Spitze sehen. In der Sonntagsfrage liegt die AfD aktuell auf Platz zwei.

Dass Weidel die führende Kandidatin ist, ist nicht die einzige Falschbehauptung, die Musk aufstellt. CORRECTIV.Faktencheck konzentriert sich in diesem Text auf Alice Weidel. Wir haben mehrere Behauptungen, die sie in dem Gespräch aufgestellt hat, überprüft. 

Steuerbelastung in Deutschland im OECD-Vergleich

Alice Weidel: „Germany has the highest taxes of all OECD countries.“

Bewertung: Falsch

Ab Minute 15:22 sprechen Weidel und Musk über Bürokratie und Steuern. Weidel behauptet, Deutschland habe die höchsten Steuern unter allen OECD-Staaten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist ein Zusammen­schluss von 38 Industrie­nationen. Neben Deutschland und vielen weiteren EU-Staaten sind die USA, Japan und Australien Mitglieder. 

Die aktuellste Publikation der OECD dazu stammt aus April 2024. Im Bericht „Taxing Wages 2024“ (PDF) werden Zahlen von 2023 aus allen OECD-Ländern miteinander verglichen. Im Vergleich der Gesamtsteuerbelastung eines durchschnittlichen Arbeitnehmers ohne Kinder liegt Deutschland (47,9 Prozent Steuerbelastung) auf Platz zwei hinter Belgien (52,7 Prozent). Der OECD-Durchschnitt liegt bei 34,8 Prozent.

In einigen OECD-Ländern, so auch in Deutschland, sinkt die Steuerlast, wenn es um Familien geht. Bei einem Einverdiener-Ehepaar mit Durchschnittseinkommen und zwei Kindern liegt die Steuerlast in Deutschland bei 33,1 Prozent und damit niedriger als etwa in Belgien (37,3 Prozent), Frankreich (39,1 Prozent) oder Schweden (37,4 Prozent). Der OECD-Durchschnitt liegt bei 25,7 Prozent.

Zwei Tabellen, in einer liegt Deutschland auf dem zweiten, in der anderen auf dem sechsten Platz.
Ausschnitte aus dem OECD-Bericht von April 2024 über die Steuerbelastung der OECD-Mitglieder in 2023 (Quelle: oecd.org; Screenshots und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Verdienen beide Personen eines Elternpaares, liegt die Steuerbelastung in Deutschland bei 40,7 Prozent hinter Belgien (45,1 Prozent) und über dem Durchschnitt (29,5 Prozent). Im OECD-Vergleich liegt Deutschland also prinzipiell im hohen Bereich der Steuerbelastung. In keiner der Konstellationen, die die OECD analysiert hat, war Deutschland aber Spitzenreiter.

Kriminalitätsrate in Deutschland

Alice Weidel: „[The state] doesn’t provide for security, so we have skyrocketing criminal rates here.“

Bewertung: Falsch

Ab Minute 16 behauptet Alice Weidel, dass die Bundesregierung nicht für Sicherheit sorge. „Wir haben hier explodierende Kriminalitätsraten“, sagt sie. Die Behauptung ist eine beliebte These von AfD-Unterstützenden. Wie wir schon 2019 berichteten, gab es über die Jahre immer wieder Schwankungen – „explodiert“ ist die Kriminalitätsrate aber nicht. 

Die Anzahl der erfassten Straftaten ist laut der aktuellsten polizeilichen Kriminalstatistik in den Jahren 2022 und 2023 angestiegen, um 11,5 und 5,5 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr. Von einer „Explosion“ kann jedoch keine Rede sein. Das zeigt ein Blick auf den Verlauf der Zahlen in den letzten Jahren.

Eine Grafik des Bundeskriminalamts. Eine „explodierende“ Kriminalitätsrate ist darin nicht zu erkennen.
Eine Grafik des Bundeskriminalamts bildet die Anzahl der erfassten Straftaten der vergangenen Jahre ab. Eine „explodierende“ Kriminalitätsrate, wie sie Weidel beschreibt, ist darin nicht zu erkennen. (Quelle: BKA, Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die polizeiliche Kriminalstatistik steht dabei immer wieder in der Kritik. So erfasst die Statistik nur der Polizei bekannt gewordene Straftaten. Das sogenannte Dunkelfeld – also Straftaten, die nicht angezeigt werden – wird für die Statistiken nicht erfasst. Außerdem werden nur Tatverdächtige erfasst und nicht tatsächlich Verurteilte. 

Immer wieder wird die Kriminalstatistik auch mit Migration in Verbindung gebracht und dabei relevanter Kontext ausgelassen. Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass „nicht die Staatsbürgerschaft oder der Migrationshintergrund ursächlich für die Begehung von Straftaten (insbesondere Gewaltkriminalität) ist“, wie ein Sprecher des Bundeskriminalamts für eine vergangene Recherche auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck erklärte. Bedeutsamer seien Faktoren, die unabhängig von der Herkunft wirken, wie Gewalterfahrungen, Bildungsniveau, sowie Armut und Diskriminierung.

Darüber hinaus ist die Zahl der Verdächtigen keine verlässliche Datenquelle für Aussagen über Unterschiede in der Kriminalität verschiedener Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel eine Studie zur Gewalt bei Flüchtlingen zeigt: Übergriffe von als fremd wahrgenommenen Menschen werden Opferbefragungen zufolge eher zur Anzeige gebracht. Und Menschen, die als „nichtdeutsch“ wahrgenommen werden, werden Studien zufolge häufiger verdachtsunabhängig durch die Polizei kontrolliert, wodurch sie zusätzlich in der Statistik überrepräsentiert sein können. 

Neben Deutschland hat auch Italien Atomkraftwerke abgeschaltet

Alice Weidel: „Germany is the only industrial country that unplugged the nuclear power plant.“

Bewertung: Falsch

Gleich zu Beginn des Gesprächs (ab Minute 2:30) behauptet Weidel, Deutschland habe als einziges Industrieland Kernkraftwerke abgeschaltet. Das stimmt nicht. Eines der größten Industrieländer in der EU neben Deutschland ist Italien. Tatsächlich wurde dort bereits 1987, ein Jahr nach der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl, der Atomausstieg per Volksabstimmung beschlossen. Das letzte Kraftwerk wurde 1990 stillgelegt. Allerdings plant die Regierung unter der rechtsextremen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Rückkehr zur Atomkraft, wie mehrere Medien berichteten.

Neben Deutschland und Italien gibt es dutzende weitere EU-Länder, in denen momentan keine Atomkraftwerke betrieben werden (Stand: Januar 2024). Dazu zählen Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Portugal, Zypern und Polen. In Polen plant die Regierung aber den Bau zweier Kernkraftwerke, die ab 2033 in Betrieb gehen sollen. Informationen darüber finden sich zum Teil direkt auf den jeweiligen Regierungswebseiten oder zum Beispiel auf der Seite des EU-Wissenschaftszentrums.

Atomenergie ist nicht CO2-neutral

Alice Weidel: „Nuclear energy is carbon free.“

Bewertung: Falsch

Ab Minute 5:30 sagt Alice Weidel, die Atomkraft müsse gestärkt werden, da Kernenergie CO2-neutral sei. Ab Minute elf des Gesprächs wiederholt sie die Behauptung. Weidels Aussage stimmt jedoch nicht. 

Atomkraftwerke stoßen zwar bei der eigentlichen Stromproduktion keine CO2-Emissionen aus, Treibhausgase entstehen aber über den gesamten Lebenszyklus eines Kraftwerks. Zum Beispiel beim Bau, der Instandhaltung und dem Rückbau.

Bereits im Jahr 2019 schrieb der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in seinem Gutachten „CO2-Emissionen der Kernenergie“, dass es bei der Ökobilanz jedes Energieträgers eine Vorkette, Folgeketten und eine Nachkette gebe. Das heißt, dass der Bau des Kraftwerks und der benötigten Infrastruktur, die Urangewinnung und die Anreicherung beziehungsweise die Wiederaufarbeitung des Brennstoffs mit einbezogen werden müssen.

Wie hoch die CO2-Emissionen bei der Nutzung von Atomenergie sind, steht in dem Gutachten nicht. Es nennt verschiedene Quellen, die Werte von fünf Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde Strom (für Neuanlagen in der Schweiz) bis hin zu 110 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde errechnen. 

Der Weltklimarat (IPCC) schätzte im Jahr 2014 auf Basis der damals vorhandenen Literatur ebenfalls, dass die Atomkraft bei einer solchen Betrachtung zwischen 4 und 100 Gramm CO2-Äquivalent pro produzierte Kilowattstunde Strom verursache. 

Das Umweltbundesamt gibt demgegenüber in einer Veröffentlichung aus dem Dezember 2023 die CO2-Bilanz von Photovoltaikanlagen mit rund 56,6 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde an. Für Windkraftanlagen an Land sind es 17,7 Gramm, für Windkraftanlagen auf See sind es rund 9,7 Gramm, bei Wasserkraftwerken variiert der Wert je nach Situation zwischen rund 2,7 und 24,9 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde.

Deutschland beschloss lange vor Beginn des Ukraine-Krieg, die letzten AKW abzuschalten

Alice Weidel: „Do you know what the government decided in this crisis when the energy prices skyrocketed after we were cut off from cheap energy supply from Russia? They switched off the last nuclear power plant.“

Bewertung: Falsch

Es geht weiter um Atomkraftwerke: Weidel fragt Musk ab Minute 9:50 rhetorisch: „Wissen Sie, was die deutsche Regierung beschlossen hat, als in der Krise die Preise in den Himmel schossen, nachdem wir von billiger Energieversorgung aus Russland abgeschnitten waren? Sie schalteten das letzte Atomkraftwerk ab.“

Diese Entscheidung kam aber keineswegs nach Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 – sondern wurde schon vor rund 20 Jahren in die Wege geleitet. Am 22. April 2002 wurde durch eine Änderung des sogenannten Atomgesetzes beschlossen, die Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zu beenden. 

Auf der Webseite des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung ist nachzulesen, dass dieser Ausstieg 2010 wieder etwas abgeschwächt worden sei: Die Laufzeiten seien verlängert, Elektrizitätsmengen erweitert worden. Das Neubauverbot für AKW sei aber bestehen geblieben. 2011 waren dann bis auf sechs alle AKW vom Netz, Ende 2021 folgten drei weitere Abschaltungen. Die drei übriggebliebenen AKW (Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2) hätten planmäßig Ende 2022 abgeschaltet werden sollen.

Doch im Dezember 2022 – also zehn Monate nach Russlands Angriff auf die Ukraine – änderte der Bundestag das Atomgesetz erneut: Die drei AKW sollten doch bis April 2023 weiterbetrieben werden. Denn zunehmend kam weniger Gas aus Russland nach Deutschland, die Rufe nach mehr Unabhängigkeit von russischem Gas wurden laut. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte damals zur Novelle: „Wir müssen in dieser Krise die Stromerzeugungskapazitäten kurzfristig erhöhen, schaffen aber gleichzeitig die Voraussetzungen für eine langfristig sichere und klimafreundliche Stromversorgung“. 

Mitte April 2023 gingen die letzten drei AKW dann vom Netz. Zu diesem Zeitpunkt waren die Strompreise bereits deutlich niedriger als noch einige Monate vorher – Höchststand war im Herbst 2022.

Die deutsche Bundesregierung hat also nicht, wie von Weidel behauptet, nach Russlands Angriff auf die Ukraine beschlossen, alle AKW abzuschalten. Sie hat stattdessen die schon längst beschlossene Abschaltung um einige Monate nach hinten verlegt.

Hitler war kein Kommunist

Alice Weidel: „He [Hitler, Anm. d. Red.] was a communist and he considered himself as a socialist“

Bewertung: Falsch

Im Gespräch sagt Musk nach etwa einer halben Stunde, dass deutsche Medien versuchten, eine rechte Partei wie die AfD in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken. Weidel nimmt die Äußerung auf und behauptet, dass das schon deshalb keinen Sinn ergebe, weil im Wort Nationalsozialismus das Wort Sozialismus vorkomme. Ihre Partei hingegen sei konservativ und libertär. Adolf Hitler sei darüber hinaus Sozialist und Kommunist gewesen und habe sich selbst auch so verstanden. 

Weidels Aussage widerspricht allen historischen Tatsachen und Einschätzungen von Extremismusforschenden. Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 zählten Kommunisten und Sozialdemokraten, also die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) zu ihren Gegnern. Wie das Lebendige Museum Online (Lemo) schreibt, saßen im Sommer 1933 rund 15.000 kommunistische Funktionäre und Aktivisten in sogenannter Schutzhaft. „Kommunistische aber auch sozialdemokratisch orientierte Widerstandsgruppen verbreiteten Flugschriften und Klebezettel gegen den Nationalsozialismus, pinselten Wandparolen und unterstützten rassisch und politisch Verfolgte. Wer bei solchen Tätigkeiten entdeckt oder verraten wurde, dem drohten Verhaftung, Misshandlung, Haft in einem Konzentrationslager oder die Hinrichtung.“ Das Lemo ist ein Kooperationsprojekt der Stiftung Deutsches Historisches Museum, der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesarchivs. 

Dass die Nationalsozialisten allenfalls so taten, als seien sie antikapitalistisch oder sozialistisch, wie Weidel sagt, erklärte der Extremismusexperte Jürgen P. Lang im Jahr 2018 gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: „Als die Nazis noch nicht an der Macht waren, existierte in der Tat ein Flügel, der sich antikapitalistisch und revolutionär gab. Man wollte auf diese Weise die Linke für sich gewinnen. Hitler ließ die Leitfigur, Gregor Strasser, aber 1934 liquidieren. Und das bedeutete auch das Ende dieser Strömung.“ Bereits bei der „Bamberger Führertagung“ am 26. Februar 1925 sei es Hitler gelungen, „die Verankerung antikapitalistischer Forderungen nach einem ‚nationalen Sozialismus‘ und Verstaatlichung der Wirtschaft, wie es vor allem die Brüder Gregor und Otto Strasser sowie anfänglich auch Joseph Goebbels forderten, in das Parteiprogramm zu unterbinden“, so das Lemo.

Zudem unterschieden sich die politischen Ziele beider Parteien fundamental: Die KPD orientierte sich an der Revolution im sowjetischen Russland, wollte Demokratie und Kapitalismus in einer Weltrevolution abschaffen und die Diktatur des Proletariats errichten, so das Lemo. Die NSDAP hingegen hatte ein völkisches und antisemitisches Weltbild, das auf die Bildung einer nationalen arischen Volksgemeinschaft unter Lenkung eines Führers zielte. In dieser Gemeinschaft sollte alles Fremde ausgeschlossen und vernichtet werden – so wie es dann im Holocaust versucht wurde.

Hinsichtlich der Ideologie der AfD schrieb das Verwaltungsgericht München am 20. Juni 2024

„Es liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine jedenfalls bei Teilen der AfD bestehende Zielsetzung, Deutsche mit Migrationshintergrund menschenwürdeverletzend auszugrenzen, vor. Deutschen mit Migrationshintergrund soll ein rechtlich abgewerteter Status zuerkannt werden, wenn zwischen ihnen – den ‚Passdeutschen‘ – und einem auf einem ethnisch-biologischen bzw. ethnisch-kulturellem Volksverständnis basierendem deutschen Staatsvolk unterschieden wird und Forderungen nach „Remigration“ befürwortet werden, die Deutsche mit Migrationshintergrund einschließen.“

Über den Begriff der „Remigration“ und die beim Potsdamer Geheimtreffen besprochenen Pläne, die auch die Vertreibung von sogenannten nicht-assimilierten Staatsbürgern umfassen, berichtete CORRECTIV Anfang letzten Jahres. Beim Treffen waren auch führende AfD-Politikerinnen und Politiker dabei.

Menschen ohne Pass können trotzdem abgeschoben werden
Alice Weidel: „Our state allows people to throw away their passports before they cross our borders that are not protected and controlled, so 57% almost 60% of the people coming into our country through an open border, they throw away their papers. Why do they do that? Because once entered our country […] they cannot be deported anymore.“

Bewertung: Fehlender Kontext

Nach etwa zwanzig Minuten sagt Weidel, dass beinahe 60 Prozent der nach Deutschland kommenden Geflüchteten vor der Einreise ihre Pässe wegwerfen würden. Belege dafür gibt es nicht. Von Januar bis Oktober 2024 konnten laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken 52 Prozent der Erstantragsteller keine Identitätspapiere vorlegen, jedoch bedeutet das nicht, dass diese Menschen ihre Pässe weggeworfen oder vernichtet hätten.Es gibt viele Gründe, weshalb Menschen keine Identitätspapiere besitzen können. Sie „lassen nicht zwangsweise auf eine bewusste Täuschung der deutschen Behörden schließen“, schreibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Zwar gehört dazu auch die bewusste Verschleierung der Identität oder Herkunft, um beispielsweise die Chancen auf Asyl zu erhöhen. Das Bamf nennt aber auch Probleme im Herkunftsland, wie Korruption, oder Behördensysteme, die im Falle eines Krieges kollabiert sind, als Gründe. Die Papiere wurden also teilweise von Vornherein nie ausgestellt.

Auch Schlepper und Behörden in Transitländern nehmen Geflüchteten laut Bamf und Berichten oft Pässe ab. Menschen werden mitunter auf der Flucht geboren, nach der Geburt nicht registriert oder von ihrer Regierung nicht anerkannt. Weshalb Asylsuchende keine Papiere vorweisen können, kann also viele Gründe haben. Wie viele tatsächlich vorsätzlich ihre Papiere verschwinden lassen, lässt sich nicht prüfen. 

Weidel behauptet darüber hinaus, dass Menschen ohne Pass nicht abgeschoben werden können. Das stimmt so nicht. Wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde, die Person aber keine Ausweispapiere besitzt, ist eine Abschiebung tatsächlich deutlich schwieriger. Selbst wenn die Behörden wissen, wo die Person herkommt, wollen die Herkunftsländer sie häufig nicht zurücknehmen

In diesen Fällen gilt eine Abschiebung als unmöglich und wird vorübergehend ausgesetzt. Die betroffene Person ist weiterhin ausreisepflichtig und gilt in Deutschland als „geduldet“. Um Menschen ohne Pass dennoch abschieben zu können, hat Deutschland Rückübernahmeabkommen mit diversen Herkunftsländern geschlossen, wodurch diese sich zu einer Zusammenarbeit bei der Beschaffung von Ersatzpapieren und etwaigen Rückführungen verpflichten. 

Alle Faktenchecks rund um die Bundestagswahl 2025 lesen Sie hier.

Redigatur: Sophie Timmermann, Steffen Kutzner

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Livestream des Gesprächs zwischen Musk und Weidel, The Economic Times, 9.Januar 2025: Link (archiviert)
  • ZDF-Politbarometer, 10. Januar 2025: Link (archiviert)
  • Taxing Wages, OECD, 25. April 2024: Link (PDF, englisch, archiviert)
  • Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, „CO2-Emissionen der Kernenergie“, vom 25. November 2019: Link
  • Beitrag der Arbeitsgruppe drei des Weltklimarates zum fünften Sachstandsbericht, „Climate Change 2014 Mitigation of Climate Change“, aus dem Jahr 2014: Link
  • Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, 22. April 2002: Link (archiviert)
  • Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 20. Juni 2024: Link
  • Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung, „Wirtschaft und Gesellschaft unterm Hakenkreuz“, vom 6. April 2005: Link
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