NRW-Bauminister sucht den Streit
Bislang galt die rot-grüne Koalition in NRW als gesetzt. Doch nun hat Bauminister Michael Groschek (SPD) die Debatte für eine Neupositionierung seiner Partei eröffnet. Er greift die "durchgegrünte" Gesellschaft an. Diese müsse verändert werden.
NRW-Bauminister Michael Groschek (SPD) hat vor der Handwerkskammer Düsseldorf eine bemerkenswerte Rede gehalten. Er fordert das Ende einer „durchgegrünten Gesellschaft“. Wer vermutet, dass Groschek damit einen Frontalangriff auf den Koalitionspartner der SPD in NRW startet, die Grünen, hat Recht. Zu 100 Prozent. Groschek sagt: „Der Schaukelstuhl einer Vorruhestandsgesellschaft kann nicht zum Wappentier Nordrhein-Westfalens werden.“ Er spricht von „Egoisten im Mantel einer Bürgerinitiative“. Er sagt: „Wir brauchen ein anderes Klima“. Oder: „Die Endlosschleife an Verschärfungen in der Energieeinsparverordnung muss und wird ein Ende haben.“
Tobias Blasius hat einen schönen Bericht dazu in der WAZ geschrieben.
Angriff auf die Grünen
Die Rede ist spannend. Sie setzt früh den Ton für die politische Auseinandersetzung gegen die Grünen aus Sicht des Bauministers Groschek aus Oberhausen. Statt Wölfen in NRW will er Eisenbahnstrecken eröffnen, den Güterverkehr organisieren, Rheinbrücken bauen und rote Bänder durchschneiden. Bügerinitiativen sind aus seiner Sicht vor allem gut, wenn sie Dinge ermöglichen will, nicht wenn sie Einsprüche gegen den Bau einer neuen Infrastruktur sammelt.
Diese Positionierung als Bauminister eröffnet Groschek große Chancen. Er kann auf jede Baustelle gehen und sagen, es geht voran. Er kann die Grünen als Bremser und Weicheier anmalen und damit sein Profil als Kümmerer für die Heimat, als Heimatminister Groschek schärfen. Er kann in Fabriken gehen und rufen, ich bin für Euch da. Eure Arbeit interessiert mich mehr als Tiere, die Umwelt und ruhige Nachbarschaften. Wenn es darum geht, Zukunft für die Industrie zu organisieren, könnt ihr Euch auf mich verlassen.
Groschek kündigt an, die Auseinandersetzung um ein neues Gesellschaftsklima im Wahlkampf zu führen.
Öffnung zur CDU und zur FDP
Diese Botschaft ist für die alte Kernwählerschaft der SPD gedacht. Dort kann sie ankommen. Und zweifelnde Gewerkschafter zurück in die Arme der SPD treiben. Gleichzeitig ist der Angriff gegen die Grünen auch im Industrie- und wirtschaftsnahen Umfeld der CDU verfänglich. Die Position des NRW-CDU-Chefs Armin Laschet wird dadurch geschwächt, den schwarz-grünen Gedankenspiele immer mal wieder umtreiben. Auf einer solchen Anti-Grünen-Gesellschafts-Basis wäre eine große Koalition in NRW denkbar. Doch nicht nur das. Groschek bereitet mit seiner Rede den Boden, um die SPD bei Bedarf auch gegenüber der FDP neu zu positionieren. Die FDP will von den Regulierungen weg, von den Bürgern, die verhindern. Groschek öffnet die Partei für die Liberalen.
Groschek hat Erfahrungen damit seine Partei zu treiben. Vor Jahren wollte er als Generalsekretär der NRW-SPD seine Partei ähnlich wie die CSU in der CDU aufstellen. Als eigener starker Block, mit eigenen Ansprüchen und Positionen. Das misslang. Groschek wurde zurückgepfiffen.
Auch bei der jetzigen Offensive ist nicht klar, ob die SPD mitgeht. In den Funktionärsrängen sind nicht mehr viele Arbeiter, die in Betrieben gelernt haben politische zu denken und zu handeln. Funktionäre der SPD sind heute viele Akademiker, die in Hochschulen ihre politische Sozialisierung erlebt haben. Diese Leute sind das, was Groschek „durchgegrünt“ nennt.
Auch ist offen, ob der Vorstoß inhaltlich mit der Partei oder mit Hannelore Kraft, der NRW-Ministerpräsidentin (SPD) abgestimmt ist. Kraft hatte zuletzt öffentlich mehrfach gesagt und beteuert, dass NRW nicht schlecht geredet werden soll, dass hier eigentlich alles prima ist – also so ziemlich das Gegenteil von dem, was Groschek erzählt hat.
Zudem ist Kraft für ihre Nähe zur Grünen Ministerin Sylvia Löhrmann bekannt. Der Angriff auf die Grünen dürfte Löhrmann nicht gefallen.
Es kann also passieren, dass Groschek mit seiner Offensive einen Keil in seine eigene, ohnehin geschwächte Partei schlägt. Einen Kampf gegen die Grünen kann er nicht gewinnen. Deswegen sagt Groschek auch, dass er seinen Angriff auf die „durchgegrünte Gesellschaft“ nicht als Affront gegen die Grünen versteht. Sondern dass seine Partei gut beraten wäre, ihr „ureigenstes“ Profil zu behaupten.