Vettern in Ämtern – Was danach geschah
Unsere Recherche zum Kommunalbetrieb Prosoz Herten fand großen Anklang in der Öffentlichkeit. Große Medienhäuser berichteten über die Geschäftspraktiken von Prosoz, die zuständige Staatsanwaltschaft prüft ein Verfahren gegen das Unternehmen, und in einigen Landkreisen, die Kunden von Prosoz sind, gibt es politische Spannungen.
Anfang Oktober haben wir über die Geschäftspraktiken der Hertener Software-Firma Prosoz berichtet. Sie bezahlt quer durch deutsche Städte und Kreise „freie Mitarbeiter“ in Behörden, in Jobcentern und Bauämtern. Offiziell sollen die Verwaltungsmitarbeiter neue Software-Versionen testen oder ihre Kollegen schulen. Tatsächlich könnte die enge Bindung an Prosoz dafür sorgen, dass im jeweiligen Amt weiterhin Prosoz-Lizenzen genutzt werden. Oder dass Einfluss genommen wird auf Ausschreibungen und Aufträge.
Unsere Recherche fand breiten Widerhall in den Medien. Der Artikel wurde unter anderem vom „Tagesspiegel“, der „Berliner Zeitung“ und den „Ruhrnachrichten“ veröffentlicht, die das Thema auf die Titelseite nahmen. In einigen Bundesländern wurde unsere Recherche von wichtigen lokalen Medien aufgegriffen, die selbst recherchierten und berichteten. Einige Kollegen befinden sich auch noch in der Recherche.
Und es gab weitere Konsequenzen:
– Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruption in Bochum prüft, ob ein Verfahren gegen Prosoz eröffnet wird.
– Wir haben weitere – zum Teil anonyme – Hinweise zu Prosoz-Missständen in Berlin und im Ruhrgebiet erhalten. Wir gehen den Hinweisen jetzt nach.
– Das Fass zum Überlaufen brachte unsere Veröffentlichung in Recklinghausen. Im Kreis fragte die CDU, ob Prosoz den Wahlkampf von SPD-Landrat Cay Süberkrüb unterstützt hat. Süberkrüb war einst Chef von Prosoz – und ist nun empört über diese Fragen. Er forderte öffentlich eine Entschuldigung von der CDU.
CDU wirft SPD vor, Geld von Prosoz bekommen zu haben
– Die CDU Recklinghausen wollte zudem wissen, ob Prosoz eine Strafe an den Kreis zahlen muss, weil die Prosoz-Software im Jobcenter ewig lang nicht funktionierte. Die CDU fragte weiter: Welche geschäftlichen Verbindungen bestanden zwischen Mitarbeitern von Prosoz, der Kreisverwaltung und anderen Unternehmen?
– Prosoz gehört zu 100 Prozent der Stadt Herten. Auch dort schlugen die Wellen hoch. Die Unabhängige Bürgerpartei (UBP) in Herten forderte vom parteilosen Bürgermeister Fred Toplak eine „lückenlose Aufklärung“, um herauszufinden, wie viele Honorarkräfte Prosoz in Herten selbst bezahlt. Und die FDP in Herten will vom Bürgermeister wissen, warum der Aufsichtsrat von Prosoz so lange untätig blieb.
– Auch im Kreis Borken gab es Wirbel um die Nebenjobs. In Stadt und Kreis Borken waren seit 2011 bis zu fünf Mitarbeiter nebenher für Prosoz tätig. Nach unserer Veröffentlichung rechtfertigte sich die Kreisverwaltung in einer E-Mail an die Kreistagsfraktionen: Keiner der Mitarbeiter mit Nebenjob bei Prosoz sei an Vergabeentscheidungen für Prosoz-Software beteiligt gewesen.
Stadt Borken hat Nebenjobs schon 2012 verboten
– Der „Borkener Zeitung“ liegt ein interner Revisionsbericht der Stadt Borken aus dem Jahr 2012 vor. Darin wird moniert, es sei eine „enge Beziehung“ zwischen Verwaltungsmitarbeitern und Prosoz entstanden, zwei Mitarbeiter seien sogar zu Prosoz gewechselt. Daraufhin seien die bisher genehmigten Nebentätigkeiten in der Stadt Borken untersagt worden, heißt es in dem Bericht. Nach unseren Recherchen wurden allerdings im Kreis Borken noch bis 2014 mehrere Mitarbeiter von Prosoz bezahlt. Im Jahr 2011 gab es hier laut Prosoz drei bezahlte Mitarbeiter – nur zwei sind dem Kreis aber laut Pressestelle bekannt.
– Dafür räumt der Kreis Borken jetzt ein, dass eine Fachkraft des Landes NRW, die von 2008 bis Ende 2012 im Umweltamt des Kreis Borken eingesetzt wurde, für das Jahr 2012 eine Nebentätigkeit für Prosoz angezeigt habe. Die Vergabe der Prosoz-Software im Umweltamt sei bereits Mitte 2010 erfolgt. Die Fachkraft sei also an der Vergabeentscheidung nicht beteiligt gewesen.
– Das Rechenzentrum Dataport Altenholz in Norddeutschland verwaltet Datensätze für Bundesländer wie Hamburg oder Schleswig-Holstein und für etliche Kommunen. Dataport sitzt auf beiden Seiten des Tisches: Im Namen seiner Kunden beschafft es Software. Und auch im Namen von Prosoz verkauft es Software – mit Prosoz gibt es seit über 20 Jahren eine „Vertriebspartnerschaft“. Laut Prosoz wurden noch in den Jahren 2012 und 2013 Mitarbeiter bei Dataport bezahlt. Dataport liegen dazu laut einer Sprecherin keine Informationen vor.
– Prosoz argumentiert bis heute: Es sei branchenüblich, freie Mitarbeiter bei Kunden einzusetzen. Das macht es nicht besser. Doch tatsächlich ist uns jetzt ein weiteres Unternehmen bekannt geworden, das Mitarbeiter von Kommunen an sich bindet: Auch die Firma L&D-Support unterhält Honorarkräfte unter den Mitarbeitern der Kommunen. Die Dimensionen sind allerdings andere: L&D-Support hat eine Hand voll freie Mitarbeiter, die in Behörden arbeiten – nicht, wie Prosoz, über 100.
BDST nimmt Prosoz in sein Schwarzbuch auf
– Der Bund der Steuerzahler (BDST) bemängelt in seinem Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung“ von 2016 Steuergeld-Missbrauch in Deutschland. Auch Prosoz Herten ist in diesem Jahr dabei: Zur Heimlichtuerei von Prosoz vor Gericht sagen die Finanzkontrolleure des BDST: „Wieder einmal sind Zeit, Geld und Energie, beim jahrelangen Prozessieren verschwendet worden.“
Spannend ist jetzt, ob die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Prosoz eröffnet, und wenn ja, was ein Ergebnis der Ermittlungen sein könnte. Danach wird sicherlich diskutiert werden, ob die städtische Firma nicht in private Hände übergeben werden muss und welche Personen die Verantwortung für die Geschäftspraktiken der Prosoz Herten GmbH tragen müssen.