Denkanstoß

Dieser Putsch findet mit Software statt – und nicht mit Panzern

Was klingt wie ein dystopischer Thriller, ist in den USA längst Realität. Elon Musk und seine „DOGE“-Truppe kopieren die intimsten Daten der Bürger. Warum das auch für uns in Deutschland relevant ist.

von Markus Beckedahl

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Stellen Sie sich vor, ein autoritäres Regime übernimmt Ihr Land. Keine Panzer rollen durch die Straßen, keine Soldaten besetzen Parlamente. Stattdessen: Notebooks. Rucksäcke voller Notebooks. Und in diesen Notebooks: Ihre Daten.

Was klingt wie ein dystopischer Thriller, ist in den USA längst Realität. Elon Musk und seine „DOGE“-Truppe marschieren – ausgestattet mit einer Art Trump’scher Generalvollmacht – durch die Behörden. Dort kopieren sie hemmungslos die intimsten Daten der Bürger: Wer wohnt wo? Wer hat was verdient? Wer wurde irgendwann mal von der Polizei befragt – schuldig oder nicht? Und vor allem: Wer hat wen gewählt? Manchmal stellen sich mutige Beamte in den Weg und aufrechte Richter urteilen später, dass das Kopieren illegal war. Aber sind die Daten erstmal auf den Notebooks, sind sie außer Kontrolle.

Diese Daten landen aktuell in den gigantischen Auswertungsmaschinen von Palantir – einem Unternehmen, das seit Jahren im Geheimen an der digitalen Überwachung der Gesellschaft arbeitet.

Palantir wurde nicht zufällig nach dem „Allsehenden Stein“ aus Herr der Ringe benannt. In Tolkiens Welt war der Palantir ein Werkzeug, das zwar Wissen versprach, aber am Ende nur in den Bann des Bösen führte. Ein warnendes Symbol. Peter Thiel, Palantirs Mitgründer und frühzeitiger Investor bei Facebook, hat diese Warnung offenbar missverstanden – oder bewusst ignoriert.

Wenn Software zur Waffe wird

Thiel ist nicht nur ein Silicon-Valley-Milliardär, sondern auch einer der wichtigsten intellektuellen Vordenker der autoritären Rechten in den USA. Er träumt offen von einer Welt, in der „Demokratie und Freiheit nicht miteinander vereinbar“ sind. Palantir ist seine Maschine zur Umsetzung dieser Ideologie.

In den Händen eines autoritären Regimes wird Palantirs Software zur perfekten Waffe: Sie analysiert riesige Datenmengen, erstellt präzise Profile, bewertet Menschen nach Gefährlichkeit und „Nützlichkeit“. Laut Recherchen von Medien wie Wired und CNN ist aktuell auch die Rede davon, „Abschiebe-Operationen zu rationalisieren“. Das ist der technokratische Euphemismus für: Wer wird als Nächstes abgeschoben? Effizient, kostengünstig, algorithmisch optimiert. Der Traum einer AfD.

Der nächste Schritt soll schon folgen: Über Social-Media-Schnittstellen werden politische Gesinnungen mitgerechnet. Ein falscher Tweet, ein kritischer Facebook-Post, das Liken kritischer Professoren – und schon steht man ganz oben auf der Liste.

Herzlichen Glückwunsch, willkommen im digitalen Faschismus 2.0.

Wer jetzt glaubt, das sei ein rein amerikanisches Problem, unterschätzt die Geschwindigkeit, mit der autoritäre Technologien und Ideologien exportiert werden. Palantir-Technologie wird schon von Sicherheitsbehörden bei uns in einzelnen Bundesländern genutzt und das soll massiv ausgebaut werden. Wir müssen leider bei dem aktuellen politischen Klima immer mitberücksichtigen, dass wir in Deutschland nur eine Wahl davon entfernt sein könnten, dass die Falschen die richtigen Knöpfe drücken.

Man weiß nie, wer nach der nächsten Wahl in den Serverräumen sitzt.

Datenschutz ist Brandschutz für die Demokratie

Sind wir vorbereitet, wenn dann ähnliches geschieht? Wenn Behördenchefs ausgetauscht werden, sich nicht an Regeln halten und alles schnell geht? Wahrscheinlich nicht. Wir müssen das aber zumindest als mögliches Szenario mitdenken.

Wir reden uns ein, dass Datenschutz lästig sei, ein bürokratisches Relikt. Dabei ist es genau das Gegenteil:

Datenschutz ist Brandschutz für die Demokratie. Datensparsamkeit ist unser Notausgang, wenn das System in Flammen steht.

Denn am Ende entscheidet eine einzige Frage darüber, wie wehrlos wir sein werden:

Welche Daten liegen dann noch auf den Servern?

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