Debatte um AfD-Verbot

Was im AfD-Gutachten steht (und was nicht)

„Völkisch“ und „Muslimfeindlich“: So begründet der Verfassungsschutz die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch. Zu Umsturzplänen und Spionagevorwürfen steht hingegen kaum etwas auf mehr als 1000 Seiten.

von Marie Bröckling , Marcus Bensmann , Jean Peters

Bundestagswahl - Wahlparty AFD
Im Gutachten geht es um die gesamte AfD: Von kleinen Ortsgruppen bis zur Parteispitze.

Das AfD-Gutachten liegt vor. Wir haben es geprüft und halten den Leak für echt.

Neu ist die Fülle an Belegen. Auf über 1000 Seiten analysiert der Verfassungsschutz die vergangenen vier Jahre im Detail. Dessen Fazit: Die AfD ist gesichert rechtsextrem.

Das Gutachten nennt etwa 350 AfD-Abgeordnete und weitere Personen aus ihrem Umfeld, darunter Erika Steinbach von der Desiderius-Erasmus-Stiftung und den rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner. Es werden auch Personen mit Vor- und Nachnamen genannt, die keine öffentlichen Ämter bekleiden, darunter einfache AfD-Mitglieder.

Wie das Gutachten geleakt wurde

Am 2. Mai erklärte der Verfassungsschutz per Pressemitteilung die AfD als gesichert rechtsextrem, ohne Belege zu veröffentlichen. Die AfD klagte dagegen und erhielt am 9. Mai Einsicht in das 1000-seitige Gutachten.

Derzeit gilt eine Stillhalte-Vereinbarung: Der Verfassungsschutz schweigt öffentlich, bis das Gericht im Eilverfahren entscheidet.

Am 13. Mai gelangte das vollständige Gutachten über mehrere Medien an die Öffentlichkeit.

Gutachten: Die AfD ist heute professioneller, populärer und homogener 

Vor einigen Jahren sah der Verfassungsschutz noch gemäßigte Kräfte in der AfD, die sich von verfassungsfeindlichen Gedanken distanzieren könnten. Doch das sei nicht geschehen, obwohl die Partei wusste, dass sie beobachtet wird.

Im Gegenteil: Der Verfassungsschutz schlussfolgert, dass es aktuell keine nennenswerten Kräfte mehr in der Partei gibt, die zu einem rechtskonservativen Kurs zurückkehren wollen. Verfassungsfeindliche Ziele prägen demnach inzwischen den Charakter der AfD.

Die AfD ist laut Verfassungsschutz heute professioneller und ihre Leute agieren linientreuer als beim vorigen Gutachten von 2021.

Die AfD ist laut Verfassungsschutz völkisch und muslimfeindlich 

Für die Einstufung als rechtsextrem sind laut Verfassungsschutz in diesem Fall zwei Aspekte entscheidend: völkisches Denken und Muslimfeindlichkeit. Beides ist aus Sicht der Verfassungsschützer klar belegt.

Das bedeutet: Wer heute in der AfD aktiv ist, bewegt sich demnach in einer Partei, die zwei zentrale Ansichten verbreitet: Menschen mit Migrationsgeschichte seien Deutsche „zweiter Klasse“. Und: Muslime seien gefährlich und gehörten nicht zu Deutschland. Beides widerspräche dem Grundgesetz, wonach alle Staatsbürger gleich sind, unabhängig von Religion, Hautfarbe oder Herkunft.

Starker Verdacht auf Demokratiefeindlichkeit bei der AfD

Die Verfassungsschützer haben geprüft, wie die AfD zu Demokratie und Rechtsstaat steht. Das Ergebnis: Es bestehe ein „starker Verdacht“ auf Demokratiefeindlichkeit, doch eine verfassungsrechtlich relevante Einstellung lasse sich nicht erhärten.

In der AfD kursiere die Erzählung, Deutschland sei fremdgesteuert – etwa durch die USA, „globale Eliten“ oder eine „Deutschland GmbH“. Politiker anderer Parteien würden teils als „Marionetten“ fremder Mächte verächtlich gemacht. Solche Aussagen gelten als demokratiefeindlich, da sie das Vertrauen in die Demokratie untergraben sollen.

Wenig Belege für Antisemitismus in der AfD

Der Verfassungsschutz sieht „vergleichsweise wenig Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Tendenzen in Bezug auf den Rechtsstaat. Nur teilweise behaupteten AfD-Funktionäre, dass beispielsweise Gerichte nicht unabhängig seien.

Auch Antisemitismus spielt laut Verfassungsschutz keine zentrale Rolle in der AfD, obwohl versteckte antisemitische Narrative rund um vermeintliche „Globalisten“ existieren.

Gutachten: Keine Abkehr von der „Jungen Alternative“

Die Einschätzung als „gesichert rechtsextrem“ stützt sich im Kern also auf zahlreiche Belege für völkische und islamfeindliche Äußerungen. Beide Aspekte sind laut Verfassungsschutz gut dokumentiert.

Auffällig ist die Bewertung der „Jungen Alternative“. Die AfD trennte sich im Januar öffentlichkeitswirksam von ihrer rechtsextremen Parteijugend. Die Verfassungsschützer bleiben skeptisch und sehen keine tatsächliche Abkehr von den verfassungsfeindlichen Zielen der Jungen Alternative.

Blauer Sticker der "Junge Alternative", der leicht abgekratzt ist
Bild: Torsten Sukrow / SULUPRESS.DE / picture alliance

Wie der Verfassungsschutz arbeitet

Die Verfassungsschützer stützen ihre Analyse offenbar auf öffentliche Aussagen von AfD-Funktionären. Das Gutachten nennt keine geheimen Quellen, sondern verweist größtenteils auf Facebook- und X-Beiträge, YouTube-Videos, Interviews und Bücher. Ein Beispiel für die Arbeitsweise der Verfassungsschützer ist die Untersuchung des Begriffs „Remigration“.

Anhand von etwa 100 Zitaten zeigen die Verfassungsschützer, wie Mandatsträger der AfD den Begriff verwenden – in Ortsgruppen, Landesverbänden, in sozialen Medien, in TV-Duellen und in ihrem Mitgliedermagazin.

Am Ende ziehen die Verfassungsschützer ein klares Fazit: Die AfD nutzt das Schlagwort „Remigration“, um die „systematische Abschiebung bestimmter Bevölkerungsgruppen“ ohne Einzelfallprüfung zu fordern.

Björn Höcke versuche zwar, seine „wahren Absichten“ aus „taktischen Motiven“ zu verschleiern, doch die AfD-Spitze distanziere sich nicht überzeugend von diesem Verständnis des Begriffs.

Folgen für ein mögliches AfD-Verbot

Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch führt nicht automatisch zu einem Verbot der Partei. Dafür gelten hohe Hürden. Das Bundesverfassungsgericht hätte darüber in einem aufwändigen Verfahren zu entscheiden – vorher müsste der Bundestag, Bundesrat oder die Bundesregierung ein Verbot beantragt haben.

Zentral für ein Verbot ist die Frage, ob die AfD ihre Worte in Taten umsetzen würde. Beispielsweise, ob sie an der Macht tatsächlich Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben würde. Und zwar pauschal als Teil einer bestimmten Bevölkerungsgruppe und ohne Einzelfallprüfung, wie es einige AfD-Politiker fordern. Diese Frage beantwortet das Gutachten nicht, da das nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes ist.

Das lange Warten auf das AfD-Gutachten

Das Gutachten war laut Verfassungsschutz im November 2024 fertig. Wegen vorgezogener Bundestagswahlen wurde es zurückgehalten – um die Wahlen nicht zu beeinflussen.

Am 2. Mai erklärte der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem. Die Einstufung war eine der letzten Amtshandlungen der scheidenden Innenministerin Nancy Faeser (SPD), bevor sie an den neuen Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) übergab.

Der ethnisch-kulturelle Volksbegriff in der AfD

CORRECTIV hat in Recherchen wie „Geheimplan gegen Deutschland” und „Volk der Rechtsradikalen” die Gefahren der völkischen Ideologie aufgezeigt. Dabei geht es um einen „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“, wie ihn der Verfassungsschutz jetzt der AfD attestiert.

Das Gutachten beschränkt sich nicht auf prominente Figuren wie Maximilian Krah oder Björn Höcke, sondern zitiert zahlreiche Funktionäre und Mandatsträger aus der gesamten Partei.

Maximilian Krah vor dem AfD Logo
Maximilian Krah auf dem Bundesparteitag der AfD im Juli 2023 (Quelle: Sven Simon / Frank Hoermann / Picture Alliance)

Es zeigt, wie der ideologische Kopf der Identitären Bewegung, Martin Sellner, mit seinem Konzept der „Remigration“ in der AfD Gehör findet. Wie CORRECTIV aufdeckte, präsentierte Sellner seinen „Masterplan“ auf der Konferenz Ende 2023 in Potsdam und in Videos des rechtsextremen Magazins Compact. Damit zielt er auch auf „nicht-assimilierte Staatsbürger“ ab.

Mehrere Gerichte, darunter das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und das Verwaltungsgericht in München, stuften 2024 das Konzept der „Remigration” als „verfassungswidrig“ ein und sehen es im Widerspruch gegen die Menschenwürde.

Im Gutachten verweist der Verfassungsschutz auf das Oberverwaltungsgericht Münster. Dies stellte klar, dass eine Diskussion über Herkunft, Kultur und Identität von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Doch sobald solche Äußerungen ins Diskriminierende kippen, überschreiten sie die verfassungsrechtlichen Grenzen.

Entscheidung des OVG Münster

Das OVG Münster hat bei der Prüfung, ob die AfD als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf, folgendes Kriterium für Verfassungswidrigkeit aufgestellt: Die Verbindung eines „ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“ mit einer „politischen Zielsetzung“, die „die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage stellt“.

Die Richter stellten fest, dass eine „große Anzahl gegen Migranten gerichteter Äußerungen“ darauf hindeute, Teile der AfD könnten bei entsprechenden Machtverhältnissen „Maßnahmen ergreifen“, die auch „deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte diskriminieren“.

Das OVG Münster wird sich voraussichtlich demnächst auch mit diesem Gutachten beschäftigen.

„Passdeutsche“ und „Bevölkerungsaustausch“

Das aktuelle Gutachten scheint die Vorgaben des Gerichts als erfüllt zu bewerten. Es liefert zahlreiche Belege, dass Menschen mit Migrationsgeschichte als kollektive Bedrohung und deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund als „Passdeutsche“ diffamiert werden.

Es dokumentiert, wie AfD-Funktionäre Konzepte aus der rechtsextremen Ideologie in öffentlichen Debatten nutzen. Etwa die eines geplanten „Bevölkerungsaustauschs“ oder des Ethnopluralismus, der davon ausgeht, es gebe unveränderliche Eigenschaften von bestimmten Völkern. Dabei werden laut Verfassungsschutz „autochthone Deutsche“ und „Deutsche mit Migrationsgeschichte“ gegeneinander ausgespielt.

Gutachten: „Remigration“ im Kern der AfD

Begriffe wie „Remigration“ und „Bevölkerungsaustausch“, die rechtsextreme Ideologen wie Martin Sellner geprägt haben, gehören laut Gutachten fest zum politischen Vokabular der AfD. Sellner beruft sich auf den NS-Juristen Carl Schmitt, der nationale Homogenität als Voraussetzung für Demokratie forderte. Diesen Bezug übernehmen AfD-Funktionäre.

Das Gutachten zitiert einen Facebook-Post von Andreas Harlaß, Mitglied des AfD-Landesvorstands in Sachsen-Anhalt, vom 26. Februar 2022. Darin wiederholt Harlaß Schmitts Aussagen und fordert von Menschen mit Migrationshintergrund „Assimilierung“.

Solche oder ähnliche Forderungen werden in der AfD immer wieder erhoben und gelten für den Verfassungsschutz als ein klares Bekenntnis zum „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnis“.

Der Verfassungsschutz bezieht auch den Bundestagswahlkampf in den Beobachtungszeitraum ein und kommt zu dem Schluss, dass „gemäßigte Kräfte in der AfD“ die „verfassungsfeindliche Prägung“ der Partei nicht mehr umkehren könnten.

Er hebt hervor, dass die AfD den Begriff „Remigration“ in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat. Partei-Chefin Alice Weidel erklärte auf dem Parteitag 2025 in Riesa:

Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.

Alice Weidel auf dem AfD Parteitag im Kölner Maritim Hotel© Ivo Mayr/Correctiv

Laut Verfassungsschutz blieb Weidel bewusst vage, um die Stimmung in der Partei zu bedienen, ohne rechtliche Angriffsflächen zu bieten. Das Amt bewertet die offensive Verwendung des rechtsextremen Begriffs als Provokation.

Debatte um „völkisches“ innerhalb der AfD

Das Gutachten zitiert den AfD-Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah ausführlich und nutzt seine Aussagen als Beleg für die völkische Ideologie in der AfD.

Mit seinem völkischen „Manifest“ von 2023 galt Krah neben Martin Sellner als Vordenker der „Remigration“, und wurde von dem rechten Ideologen Götz Kubitschek 2023 auch so gefeiert.

In jüngster Zeit scheint sich Krah sich aber vom völkischen Gedankengut distanzieren zu wollen, wie CORRECTIV berichtete.

Krah plädiert nun dafür, zwischen Ethnos und Demos zu unterscheiden, also zwischen Staatsvolk und ethnischer Herkunft. Damit vertritt Krah eine Einzelposition in der AfD.

Was nicht im Gutachten steht

Der Verfassungsschutz schreibt, dass das Gutachten keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Doch zwei Themen kommen im Gutachten bemerkenswert knapp zur Sprache. Zum einen Umsturz- und Gewaltphantasien innerhalb der Partei und in ihrem Vorfeld und zum anderen die ausländischen Einflüsse auf die AfD. Diese Aspekte werden genannt, doch die Strukturen und Netzwerke reichen offensichtlich weiter als das Gutachten darstellt.

Da gibt es zum Beispiel die Ermittlungen rund um die Gruppe Reuß, ein mutmaßliches rechtsterroristisches Netzwerk aus dem Reichsbürger-Milieu. Die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann war anscheinend in die Gruppe verwickelt. Dieser Fall wird in dem Gutachten genannt. Es belegt auch die zum Teil antisemitischen Verschwörungs-Erzählungen des ehemaligen Richters und AfD-Abgeordneten Gereon Bollmann.

Dass Bollmann und sein AfD-Parteikollege Steffen Kotré die Terrorverdächtige Malsack-Winkemann laut Stern und RTL mit einer Dauerbesuchserlaubnis in der Justizvollzugsanstalt regelmäßig besuchen, das erwähnt das Gutachten nicht.

Gewaltbereite Gruppen, Umsturzpläne und ausländische Einflüsse

Die von der ARD aufgedeckten internen Chatnachrichten der AfD-Bundestagsfraktion fehlen ebenfalls. Die geleakten Chats belegen verfassungsfeindliche Tendenzen in der AfD-Fraktion, darunter Umsturz-Rhetorik, homophobe und demokratieverachtende Äußerungen sowie Strategien zur Sabotage des Parlamentsbetriebs.

Die AfD-Landtagsabgeordnete Lena Kotré und der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp tauchen mehrfach auf. Das Gutachten nennt sie im Zusammenhang mit ethnisch-völkischen Äußerungen oder Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung.

Dass Kotré in England offenbar bei einer „Remigrations“-Konferenz auftrat, bleibt unerwähnt. Ein Treffen, für das Beckcamp und Kotré in die Schweiz fuhren, wird zwar genannt. Nicht aber, dass sie dort vor Mitgliedern der in Deutschland verbotenen terroristischen Gruppierung Blood&Honor Geld sprachen und Beckamp ihnen Geld aus dem Bundestag anbot. CORRECTIV hatte das Treffen Ende 2024 aufgedeckt.

Rechtsextreme Gewalt auf Höchststand

Die rechtsextreme Gewalt in Deutschland erreicht derweil einen neuen Rekord. Bis zum 30. November 2024 registrierte die Polizei mehr als 33.000 Delikte im Bereich „politisch motivierte Kriminalität – rechts“, also knapp 3.000 Straftaten pro Monat. Auch die Angriffe auf Asyllager stiegen seit 2017 auf weitere Höchstwerte, mehr als jeden zweiten Tag findet durchschnittlich ein solcher Angriff statt.

Unter den Terrorverdächtigen mit AfD-Parteibuch gibt es neben der ehemaligen Abgeordneten Malsack-Winkemann auch den Oberleutnant Maximilian T.  Diesen erwähnt das Gutachten sogar mit vollem Namen als Mitarbeiter des AfD-Politikers Jan Nolte und JA-Funktionär.

Was das Gutachten auslässt ist, dass T. offenbar Verbindungen zu Franco A. hatte – dem Bundeswehroffizier, der offenbar Anschläge plante. Ein Verfahren gegen T. wurde im Sommer 2017 eingestellt und der Haftbefehl aufgehoben.  Mit seiner Anstellung bei einem AfD-Bundestagsabgeordneten bekam T. Zugang zu Informationen aus dem Verteidigungsausschuss.

Im Zusammenhang mit wegen Terrorplanungen verurteilten Franco A. fällt dessen Offizierskamerad Marcel G. auf. Dieser war an der Gründung des Vereins „Uniter“ beteiligt, einem geheimen Netzwerk aus Elitesoldaten, Polizisten und Sicherheitskräften, die mutmaßlich eine Schattenarmee aufbauen wollten – mit Feindeslisten, Schießtrainings und Verbindungen in rechtsextreme Umsturzpläne. In der Folgeorganisation von Uniter, Black Ops Coffee, ist auch ein Nahkampftrainer Mitglied – er sitzt für die AfD in einem Kreistag.

Ein anderes Uniter-Mitglied, ehemaliges CDU-Mitglied, beglückwünschte offenbar den AfD-Mitarbeiter der Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt Michael S. zur Beförderung zum Bundeswehrreservisten mit den Worten „Sieg Heil, Herr Hauptmann!“, beide tauschten sich dort über Rassenkriege aus.

Diese Beispiele tauchten zwar in den Medien auf, fehlen aber im Gutachten.

Bedeutung der Polizei für rechtsextreme Umsturzpläne

In rechtsextremen Umsturzgruppen ist aber nicht nur der Zugang der beteiligten Soldaten zu Waffen immer wieder Thema, sondern auch über den Umgang mit Polizeibeamten. Die Beamten nehmen in den Umsturz-Fantasien in rechtsextremen Chats eine Schlüsselposition ein.

Laut einem Bericht des Stern stehen mindestens 193 Landespolizisten unter Verdacht, rechtsextreme oder verschwörungsideologische Ansichten zu vertreten. Gegen sie laufen Disziplinarverfahren oder Ermittlungen.

Das Gutachten zitiert die AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum in Bezug zur Rolle der Polizei:

Und diese Exekutive, die wird die Entscheidung bringen, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt. Wenn die Polizei sagt: ‚Wir machen da nicht mehr mit‘, dann können die in Berlin alle nach Hause gehen.

Der Polizist Torsten Czuppon zum Beispiel sitzt für die AfD im Thüringer Landtag. Er fiel auf, weil er ein Seminar der KZ-Gedenkstätte Buchenwald zum Thema „Geschichtsrevisionismus und Holocaustleugnung“ besuchte – und dabei ein Thor Steinar-Shirt trug. Als deshalb ein Disziplinarverfahren gegen ihn anlief, schüchterte er zwei Zeugen ein, was ihn 30.000 Euro kostete. Im Gutachten wird er nicht genannt.

Der Fall Mario Müller

Dann gibt es noch den Fall Mario Müller, selbst auch Redner beim Treffen der Rechtsextremen in Potsdam. Glaubt man seinem Vortrag dort, will er offenbar gleich eine Art eigene bundesweit koordinierte AfD-Ermittlungsbehörde gründen. Dafür wollte er Geld der AfD-Landesverbände sammeln. Er brüstete sich damit, Schlägertrupps auf potenzielle Kronzeugen gehetzt zu haben. Es floss bereits Geld in seine Taschen: 2022 wurde bekannt, dass Müller von einem AfD-Abgeordneten im Bundestag eingestellt wurde, als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

In dem Gutachten wird Müller genannt, als Beispiel für die personelle Verflechtung zwischen der Identitären Bewegung und der Partei. Seine Ambitionen, eine Art eigener Ermittlungsbehörde aufzubauen, jedoch nicht.

Keine fremden Mächte?

Seit Jahren decken Medien Verbindungen zwischen AfD-Akteuren und ausländischen Geheimdiensten auf. Auffällig ist hierbei die Nähe zu Russland und China.

Ein Beispiel ist Manuel Ochsenreiter, der 2021 in Moskau starb. Vor seiner Flucht nach Russland arbeitete er für den AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier. Ochsenreiter wird im Gutachten nicht erwähnt, Frohnmaier nur mit seinen Aussagen, die Regierung handle fremdbestimmt und das Heizungsgesetz der Ampel sei faschistisch.

Verbindungen zum russischen Geheimdienst

Wladimir Sergijenjko, einst Mitarbeiter des nordrhein-westfälischen AfD-Abgeordneten Eugen Schmidt, soll laut Spiegel-Recherchen Kontakte zum russischen Geheimdienst FSB gehabt haben. Schmitt besaß bis kurz vor seiner Bundestagskandidatur 2021 die russische Staatsbürgerschaft.

Im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz wird er mehrfach erwähnt – insbesondere wegen prorussischer Aussagen und demokratiefeindlicher Rhetorik –, nicht jedoch im Zusammenhang mit Wladimir Sergijenjko oder etwaigen Verbindungen zum russischen Geheimdienst FSB.

Ein weiteres Beispiel: Ein Bundeswehroffizier und AfD-Mitglied wurde in Düsseldorf zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er militärisch sensible Informationen an Russland weitergegeben haben soll. Zudem zeigen Recherchen, dass die AfD zwischen 2015 und 2017 Wahlkampfhilfe in Millionenhöhe aus der Schweiz erhielt. Die wahren Geldgeber bleiben bis heute unbekannt. CORRECTIV zeigte außerdem, dass ein FSB-Mitarbeiter enge Kontakte zu zwei AfD-Bundestagsabgeordneten pflegte, die von 2017 bis 2021 im Parlament saßen.

Verdacht auf Spionage für China

Auch der AfD-Abgeordneten Maximilian Krah steht nicht nur wegen seiner früheren völkischen Äußerungen, sondern auch wegen seiner Nähe zu einer von Russland finanzierten Medienplattform Voice of Europe in Prag in der Kritik. Der tschechische Geheimdienst soll Tonbandaufnahmen besitzen, auf denen  der damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron Geld zählt und sich über 200-Euro-Scheine beschwerte. Krah und Bystron bestreiten die Vorwürfe. Diese mutmaßlichen Verbindungen bleiben im BfV-Gutachten zur AfD unerwähnt.

Dazu kommt noch der Verdacht von Spionage für China: Aktuell klagt die Bundesanwaltschaft Jian G., einen früheren Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Maximilian Krah, wegen Spionage an. Das wird im Gutachten nicht thematisiert.

Was im Eilverfahren entschieden wird

Im Eilverfahren geht es nur um eine Folgenabwägung, wer durch die Maßnahme größeren Schaden erleiden würde.

Im März 2021 klagte die AfD beispielsweise bereits gegen ihre Einstufung als Verdachtsfall; das VG Köln setzte die Beobachtung zunächst im Eilverfahren aus.

Im März 2022 wies das Gericht den Eilantrag endgültig ab und bestätigte im Hauptsacheverfahren die Einstufung als rechtmäßig, da hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorlägen.

Die AfD legte Berufung ein, die nicht zugelassen wurde, und erhob Beschwerde gegen die Nichtzulassung – auch diese wurde abgelehnt. Das Verfahren liegt nun beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet.

Nächste Schritte

Als Nächstes entscheidet das Verwaltungsgericht Köln im Eilverfahren, ob der Verfassungsschutz die AfD vorläufig weiter als „gesichert rechtsextrem“ einstufen darf. Im Hauptsacheverfahren wird es dann grundsätzlich entschieden.

Politisch hatte das Gutachten bereits Folgen: Mehr Menschen sind seitdem laut Umfrage für ein AfD-Verbot als dagegen. Auch der Umgang mit AfD-Mitgliedern im öffentlichen Dienst und ein Entzug von Waffenscheinen für AfD-Mitglieder werden erneut diskutiert.

Redaktion: Gabriela Keller und Justus von Daniels
Faktencheck: Stella Hersch
Bild: Ivo Mayr