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Rot-rot-grün in NRW? Machbar.

SPD-Linke-Grüne scheint eine mögliche Regierungskonstellation nach der NRW-Landtagswahl am 14. Mai. Doch ein Blick ins Programm der Linkspartei zeigt, dass eine solche Koalition hohe Hürden zu nehmen hätte.

von Stefan Laurin

© Himbeere + Kirsche + Minze von Theo Crazzolara unter Lizenz CC BY 2.0

Dass die Linke in NRW nicht viel mit den anderen Parteien zu tun hat, gehört zu ihrem Selbstverständnis. Die Überschrift des Landtagswahlprogramms gibt eine Richtung vor, der die demokratischen Parteien nicht werden folgen wollen. An einem „Aufbruch zu einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ werden weder CDU oder FPD noch SPD und Grüne mitarbeiten. Und die Linkspartei macht auch deutlich, was sie von ihren Konkurrenten hält. Für die Linke sind sie „Vollstreckerinnen der Interessen der Banken und Konzerne“.

An Selbstbewusstsein und dem Glauben an die eigene historische Bestimmung mangelt es der Linken dementsprechend nicht, obwohl es zur Zeit noch vollkommen offen ist, ob ihr der Einzug in den Landtag gelingen wird. 2012 folgten ihren Parolen gerade einmal 2,5 Prozent der nordrhein-westfälischen Wählerinnen und Wähler.

Vieles im NRW-Programm der Linken wirkt wie Politfolklore für die eigenen Anhänger. Im Wahlprogramm finden sich aber etliche Punkte, die weder mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind, noch mit Landespolitik etwas zu tun haben. Im Landtag NRW wird weder das Ende der Atomwaffenstationierung im niederländischen Volkel entschieden noch der „Stopp sämtlicher Abschiebungen“. Forderungen nach der Legalisierung der Besetzung leerstehender Häuser oder ein Verbot von betriebsbedingten Kündigungen bei Kohle-Unternehmen würden vor keinem Gericht Bestand haben.

In den fünf Jahren, in denen sich die Linke NRW in der außerparlamentarischen Opposition befand, wirkte sie nicht wie eine Partei, die sich auf eine Regierungsbeteiligung vorbereitet. Die Linkspartei übte sich stattdessen in Fundamentalopposition. Mitglieder der Partei und des Jugendverbandes gefallen sich in revolutionärer Pose. Nach einer Kundgebung der Linkspartei in Essen kam es zudem im Sommer 2014 zu antisemitischen Ausschreitungen. 

Bei aller martialischen Symbolik versuchte die Partei trotzdem, zumindest personelle Hürden für eine Koalition zu beseitigen: Ralf Michalowsky wird zwar in den Landtag einziehen, sollte die Linke die Fünf-Prozent-Hürde nehmen, ist aber nicht mehr NRW-Vorsitzender. Das langjährige SPD- und Grünen-Mitglied gilt als undiplomatisch gegenüber seinen ehemaligen Parteifreunden. 

Am Ende wird sich die Frage von rot-rot-grün jedoch weniger an den Personen und schon gar nicht am Revoluzzerpathos entscheiden. Wichtig wird sein, welches Signal von Düsseldorf für die Bundestagswahl ausgeht und wie ein Koalitionsvertrag aussehen könnte. Ein Blick auf die Programme von SPD, Grünen und Linken zeigt, dass es zwar große Probleme, aber auch zahlreiche Überschneidungen gibt.     

Braunkohle

Wie die Grünen will die Linke den Ausstieg aus der Braunkohle. Die SPD hat sich für einen Abbau der Braunkohle bis zur Mitte des Jahrhunderts ausgesprochen. Möglich, dass sich die Parteien auf einen Kompromiss einigen und den Ausstieg vorziehen. Würde die SPD hier Grünen und Linken nachgeben, könnte sie in anderen Bereichen Zugeständnisse verlangen.

Ladenöffnungszeiten

SPD und Grüne haben die Ladenöffnungszeiten etwas zurückgefahren und vor allem die Öffnung von Geschäften an Sonntagen erschwert. Beide Parteien sind mit den bestehenden Regelungen zufrieden. Die Linke will die Ladenschlusszeiten stark einschränken. Hier scheinen zumindest Kompromisse wie ein generelles Verkaufsverbot an Sonntagen oder eine Begrenzung der Ladenöffnungszeiten auf 22 Uhr an Werktagen denkbar.

Sozialer Arbeitsmarkt

SPD, Linke und Grünen wollen den Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung ausbauen. In diesem Bereich würden sich alle drei Parteien prinzipiell schnell einig werden können.

Kindertagesstätten

SPD, Linke und Grüne wollen, dass Kindertagesstätten beitragsfrei werden. Auch hier wird man sich einigen können. Die Forderung der Linken, „allen Kindern den Besuch in einer öffentlich kommunalen Kita (zu) ermöglichen“ werden SPD und Grüne nicht mittragen. Sie wissen um die Bedeutung kirchlicher Träger bei der Versorgung der Kinder und werden den Konflikt mit den Kirchen nicht eingehen.

Ausländerpolitik

Wie SPD und Grüne will die Linkspartei ein Wahlrecht für alle in Deutschland dauerhaft lebenden Ausländer. SPD, Grüne und Piraten sind mit einem entsprechenden Vorstoß zur Änderung der Landesverfassung erst vor kurzem im Landtag gescheitert – kein Grund, diese Forderung nicht in einen Koalitionsvertrag zu schreiben und es noch einmal zu versuchen. Die Forderung der Linken, auch „illegalisierten Menschen“ ein Wahlrecht einzuräumen, werden Grüne und SPD kaum mittragen.

Menschenrechte

Ob der Umgang mit LGBTTI oder der Kampf gegen Rechts: Hier kommen SPD, Grüne und Linke gut zusammen. Forderungen der Linken wie „(r)assistische / faschistische Strukturen vor Ort erkennen und bekämpfen“, „Aufbau einer landesweiten kostenlosen Rechtsberatung für Opfer von Homo- und Transphobie“ oder „Alte Rollenbilder in Bildung und Erziehung aufbrechen“ sind Allgemeingut bis weit in die politische Mitte hinein. Die Forderung nach einem Verbot sogenannter kommunaler „Sexsteuern“ dürfte an den Kommunen scheitern, die Druck machen werden, dass diese Steuer nicht wegfällt.

Sicherheitspolitik

Schwierig erscheint eine Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitspolitik. Bei einer „Auflösung des NRW-Verfassungsschutzes“, wie es die Linke fordert, werden SPD und Grüne nicht mitmachen. Auch ein „Verbot der Nutzung von stillen SMS, Funkzellenauswertungen und IMSI-Catchern“ wird es nicht in einen Koalitionsvertrag schaffen. Außerdem verbieten wollen die Linken  „predictive policing“, ein computergestütztes Verfahren zur Prognose von Straftaten. Für Innenminister Ralf Jäger ist es aber ein wirksames Mittel im Kampf gegen osteuropäische Einbrecherbanden.

Bildung

Vieles, was die Linke fordert, ist auch für Grüne und Sozialdemokraten kein Problem: Mehr Sozialarbeiter an Schulen, bessere Betreuungsmöglichkeiten und der Ausbau der Gesamtschulen scheinen keine Streitpunkte zu sein. Aber, dass das Sitzenbleiben abgeschafft wird, und die Gymnasien des Landes durch Gesamtschulen ähnliche „gemeinsame Schulen“ ersetzt werden, sind Forderungen, die es nie in einen Koalitionsvertrag schaffen werden.

Finanzierung

Sollten Grüne und Sozialdemokraten sich an einen Tisch mit den Linken setzen, um einen Koalitionsvertrag auszuarbeiten, wird Geld eine große Rolle spielen. Viele Forderungen der Linken sind teuer. „Haltestellen barrierefrei“ umzubauen, ist eine nette Idee mit überschaubaren Kosten – die „Finanzausstattung der Kommunen dem Wohnungsbaubedarf an(zu)passen“ würde aber vermutlich den Landeshaushalt sprengen. Gegen die Idee, die „freie Kulturszene gleichwertig zur etablierten Kulturszene öffentlich (zu) fördern“ werden sich vor allem die Städte wehren, die das finanzieren müssten.

Fazit

Wenn es zu einer Koalition mit der Linkspartei kommen soll, wird die Partei auf viele ihrer Forderungen verzichten müssen. SPD und Grüne werden ihr vor allem symbolische Erfolge einräumen. Ihren Forderungen, Geld auszugeben, das die Landeskasse nicht hergibt, werden SPD und Grüne kaum nachkommen. Ob die Linke in der Lage sein wird, ihren Mitgliedern trotzdem eine Koalition vermitteln zu können, bleibt abzuwarten – vielleicht geht es ihnen auch nur darum, SPD und Grüne als unsozial vorzuführen.