Faktencheck

Berliner ÖPNV: Was tatsächlich rund um Pfefferspray gilt

Eine Verordnung des Berliner Senats soll angeblich seit 17. Juli 2025 Pfefferspray im Nahverkehr verbieten. Doch an den Regeln ändert sich kaum etwas.

von Steffen Kutzner

titelbild_pfefferspray Matthias Balk DPA Picture Alliance
Reizgas zur Selbstverteidigung gegen Menschen darf man gewöhnlich nur auf Privatgelände dabeihaben. Das war auch schon vor dem 17. Juli so. Reizgas zur Verteidigung gegen Tiere ist bei der BVG nach wie vor erlaubt. (Foto: Matthias Balk / DPA / Picture Alliance)
Behauptung
Ab 17. Juli 2025 sei Pfefferspray im Berliner Nahverkehr verboten, wer eines dabei habe, zahle bis zu 10.000 Euro.
Bewertung
Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Frei verfügbares Pfefferspray, sogenanntes Tierabwehrspray, durfte man vor einer entsprechenden Verordnung im Berliner ÖPNV dabeihaben und darf das weiterhin. Pfefferspray, das gegen Menschen eingesetzt wird, dürfen Personen ohne Kleinen Waffenschein gar nicht führen – egal, ob im ÖPNV oder anderswo. Auch Menschen mit Kleinem Waffenschein sind von der neuen Verordnung umfasst, ihnen drohen bis zu 10.000 Euro Strafe, wenn sie so ein Spray im Nahverkehr dabei haben.

„Waffenverbot in Berliner Öffis: Pfefferspray ab heute verboten!“ Das ist die Schlagzeile, die der österreichische Verschwörungskanal Auf1 jüngst verbreitete. Frauen würden zu „Freiwild“ und dürften sich nur unter einer drohenden Strafe in Höhe von 10.000 Euro mit Pfefferspray vor Überfällen schützen. Grund sei ein neues Waffenverbot im Berliner ÖPNV, das seit dem 17. Juli 2025 gelte. Das ist irreführend.

Zwar trat an diesem Tag eine Verordnung der Berliner Polizei in Kraft, die die Mitnahme von Waffen im Nahverkehr untersagt. Schaut man sich an, welche Neuerungen dadurch im Berliner Nahverkehr gelten, stellt man fest: An den Regelungen zu Pfeffersprays ändert sich kaum etwas.

Screenshot eines Beitrags von Auf1.
Der fragliche Beitrag von Auf1 auf X erzielte fast eine Viertelmillion Aufrufe (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Pfefferspray zum Einsatz gegen Menschen im Berliner Nahverkehr verboten

Auf1 bezieht sich auf die Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und Messern in Verkehrsmitteln und Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs, die der Berliner Senat am 24. Juni 2025 beschlossen hatte. Die Verordnung regelt, dass es im Berliner ÖPNV verboten ist, Waffen im Sinne des Waffengesetzes mit sich zu führen und listet danach Ausnahmen von dieser Regel auf. Sie berechtigt die Polizei zu verdachtsunabhängigen Kontrollen in Berliner Bahnhöfen und im Nahverkehr. Bei Ordnungswidrigkeit kann eine Geldbuße von bis zu 10.000 Euro anfallen.

Das Wort „Pfefferspray“ kommt in der Verordnung nicht vor. Im deutschen Waffengesetz findet sich jedoch der Begriff „Reizstoffsprühgerät“. Darunter fällt Pfefferspray, das zur Verteidigung gegen Menschen gedacht ist. Solches ist nun grundsätzlich im Berliner ÖPNV verboten.

Nicht für alle Personengruppen ist das eine Änderung. Wer so ein Spray führen darf, braucht einen Kleinen Waffenschein. Wer keinen solchen Schein hat und ein derartiges Spray führt – egal wo –, musste schon vor der Verordnung wegen des Waffengesetztes mit Strafen rechnen, sogar mit Freiheitsstrafen.

Personen, die einen Kleinen Waffenschein haben, dürfen so ein Spray zwar nach dem Waffengesetz grundsätzlich führen, laut Verordnung aber nicht im Berliner ÖPNV. Für sie drohen nun also Strafen. 

Neben der neuen Verordnung und dem Waffengesetz gab und gibt es verschiedene andere Regelungen. Laut BVG gibt es seit Februar 2025 Waffenverbotszonen an einigen U-Bahnhöfen in Berlin. Seit Mai ist das Waffenverbot auch Teil der Nutzungsordnung

Pfefferspray ist nicht gleich Pfefferspray

Abgesehen davon gibt es aber auch Pfeffersprays, die als Tierabwehrspray gekennzeichnet sind. Sie enthalten andere Wirkstoffe als die Sprays, die unter das Waffenverbot fallen und gelten auch nicht als Waffe. Nur ein solches Spray könnte eine Person legal ohne Waffenschein in der Öffentlichkeit bei sich tragen – in der Regel auch im Berliner Nahverkehr. Gegen Andere eingesetzt werden darf es ausschließlich zur Notwehr gegen einen Angriff.

Auf einer Übersichtsseite, die die Berliner Polizei zu dem Thema eingerichtet hat, steht: Tierabwehrsprays sind „keine Waffen, da sie ihrem Wesen nach nicht dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen […]. Das Mitführen dieser Reizstoffsprühgeräte in einer Waffen- und Messerverbotszone ist daher nicht verboten.“

Auch die Berliner Senatsverwaltung für Verkehr und Mobilität bestätigt das auf Nachfrage: „Die Mitnahme von sog. ‚Tierabwehrsprays‘ im Berliner ÖPNV war in der Vergangenheit zulässig und ist das also auch weiterhin.“

Bundespolizei Berlin hatte kurzzeitig auch Tierabwehrsprays verboten, aber nur an elf Bahnhöfen

Es gibt aber auch Verbote, die das Tierabwehrspray mit einschließen. Ein solches erweitertes Verbot erließ die Bundespolizei mit der Allgemeinverfügung zum Verbot des Mitführens von gefährlichen Gegenständen

Mit der Verordnung des Berliner Senats hat das nichts zu tun: Die Verfügung galt laut Infoblatt der Bundespolizeidirektion Berlin vom 26. Mai bis 31. Juli 2025, jeweils zwischen 14 und 4 Uhr, und nur für elf Bahnhöfe der Deutschen Bahn in Berlin. Konkret: Hauptbahnhof, Zoologischer Garten, Friedrichstraße, Alexanderplatz, Gesundbrunnen, Spandau, Ostbahnhof, Warschauer Straße, Ostkreuz, Lichtenberg, Neukölln und Südkreuz. Die U-Bahnhöfe, die separat von Zug- und S-Bahnhöfen betrieben werden, waren davon ausgenommen. Während der Gültigkeit der Verfügung wurden laut Bundespolizei mehr als 400 verbotene Gegenstände sichergestellt, etwa ein Drittel davon waren Pfeffersprays inklusive Tierabwehrsprays.

Doch auch das bedeutet nicht – wie Auf1 andeutet –, dass eine Frau mit Tierabwehrspray in der Tasche 10.000 Euro Strafe zahlen musste, weil sie an einem dieser Bahnhöfe kontrolliert wurde. Im Infoblatt schreibt die Bundespolizeidirektion Berlin, dass bei Verstößen gegen die Verfügung keine Strafen fällig werden. Es könne ein sogenanntes Zwangsgeld verhängt werden, das in der Regel im Bereich von etwa 200 Euro liege.

Zusammengefasst: Pfefferspray, das gegen Menschen genutzt werden soll, durften Menschen ohne Kleinen Waffenschein schon vor der Verordnung nicht führen. Menschen mit Kleinem Waffenschein dürfen das nun im ÖPNV nicht mehr. Und Pfefferspray gegen Tiere, das also nicht unter das Waffengesetz fällt, war vor dem 17. Juli und ist auch jetzt bei der BVG legal mitzunehmen. Auf unsere Anfrage antwortete Auf1 nicht.

Redigatur: Sarah Thust, Gabriele Scherndl