Journalismus in Gummistiefeln: unser Campfire-Festival
Ja, der Wettergott hat uns im Stich gelassen. Na und? So lebendig ist der Journalismus schon lange nicht mehr präsentiert worden wie in diesen drei Festivaltagen an der TU Dortmund: für Bürgerinnen, Studenten, Expertinnen und auch Journalisten. Das machen wir noch mal.
Es ist vorbei. Es war großartig. So großartig, dass wir es wieder tun werden – ein Journalismus-Festival für alle zu veranstalten. Für alle Bürgerinnen und Bürger. Keine Fachtagung, auf der Experten unter sich bleiben. „Wir wollen den Muff ablegen und das Erleben der guten Seiten des Journalismus für jedermann attraktiv und lebendig gestalten“, dieses Motto hatte unser Publisher David Schraven vor dem Campfire-Festival ausgegeben. Und so kam es. Um die 2000 Besucher trotzten dem verregneten Wetter und kamen nach Dortmund, saßen kuschelig zusammen in den 22 weißen Festival-Zelten und debattierten darüber, wohin die Reise geht im Journalismus.
Der Mittwochabend. Kühl, aber noch halbwegs trocken. Der syrische Pianist Aeham Ahmad war gekommen und spielte eines seiner bewegenden Klavierkonzerte. Dazu las ich aus Aehams Autobiographie „Und die Vögel werden singen“. Das Buch erscheint in diesen Tagen. „Das war echtes Campfire“, bemerkte einer der Zuhörer. Ein Lagerfeuerabend fürs Herz.
Der Donnerstag. Zunächst sonnig, später die ersten Regentropfen. „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt stellt sich den Fragen unseres Kollegen Justus von Daniels – und den, klar, sehr kritischen Einwürfen des Publikums. Er pariert sie mit Bravour. ZDF-Moderatorin Dunja Hayali ist zu Gast auf der großen Bühne und betont, es sei ein Privileg, Journalistin in Deutschland zu sein. Was unsere Redakteurin Annika Joeres in der Fragerunde „Was mit Medien – ein schöner Traum?“ nur bestätigen kann, sie bereue keine Sekunde, Journalistin geworden zu sein. Trotz allen Krisengeredes.
Eine Reporterin der „Süddeutschen Zeitung“ streift über das – noch unverschlammte – Gelände und erlebt in den weißen Debatten-Zelten haufenweise „Optimismus“, ja, eine „Gegenbewegung zur Krise“. Ein Befund, dem der Berichterstatter vom „Deutschlandfunk“ nur beipflichten kann: Dieses „Indianerdorf der Medienbranche“ sei ein „Forschungscamp der Journalistenzukunft“.
Der Freitag. Und da war es dann leider vorbei mit dem halbwegs guten Wetter. Morgens noch Nieselregen, während Recherche-Gottvater Günter Wallraff auf der großen Bühne – in die sich die 50 Zuhörerinnen und Zuhörer gleich mit reingekuschelt hatten – von seinen Erkundungen mit dem „Team Wallraff“ bei RTL berichteten. Dessen Anspruch es ist, nicht Missstände bei „denen da oben“ aufzudecken, sondern solche, die den Alltag der Bürger betreffen. Also Schikanen in Betrieben, Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Der die Welt nicht nur abbilden, sondern auch verändern will.
Und dann öffnete der Himmel die Schleusen, und „Spiegel“-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer und „Zeit Online“-Chefredakteur Jochen Wegner hasteten durch strömenden Regen zu ihrem Talk über „Journalismus nach Trump“. Und diskutierten angeregt, wie Journalisten auf einen US-Präsidenten – und andere Politiker – reagieren können, die schamlos lügen, beschimpfen und verdrehen: mit Besonnenheit und noch mehr Recherche.
Der Chefredakteur unserer türkischen Plattform #ÖZGÜRÜZ, Can Dündar, diskutierte wenig später im strömenden Regen mit der Integrationsstaatsekretärin aus NRW, Serap Güler, über den richtigen Umgang mit der Türkei im Bundestagswahlkampf. Das Publikum saß dicht dabei, teilweise unter Decken gekuschelt. Ist es frech, dass Erdogan über die Partei ADD direkt in die Diskussionen auf der Straße eingreift? Sein Plakat hängt in etlichen Städten auf den Straßen. Oder ist es falsch, die EU-Verhandlungen mit der Türkei zu beenden? Can Dündar ist für mehr Dialog, statt mehr Abschottung. Es war ernst.
Am letzten Tag, am Samstag, kam dann die Sonne wieder raus. Zaghaft, schüchtern. Zunächst dachten wir, der Regen fällt einfach weiter und haben einige wenige Veranstaltungen abgesagt. Doch dann festigte sich das Wetter.
Wir saßen vor den Zelten, auf der Bühne spielten syrische Rapper, unsere Zeichner Greg und Diala vollendeten ein großes Mural. Dann eine Jazz-Band. Da kam dieses Festival-Gefühl auf. Dieses: „Wir haben durchgehalten und es war gut.“ Der Stress war weg. Wir waren erschöpft. Aber wir haben etwas geschafft. Paul von Ribbeck vom PENG! Kollektiv erklärte seine Call-A-SPY-Telefonzelle gut zwanzig Leuten. Wir redeten über die nächsten Reportagen und Geschichten.
Das Campfire-Festival 2017 war eine Bereicherung für CORRECTIV und für unseren Partner, das Institut für Journalistik an der TU Dortmund.
Wir werden weitermachen. Es wird im nächsten Jahr wieder ein Campfire-Festival geben!!
Schaut vorbei – und bleibt auf dem laufenden!
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