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Im Ruhrgebiet fehlen 200.000 bezahlbare Wohnungen

Günstiges Wohnen wird im Ruhrgebiet immer seltener. Zwischen Duisburg und Dortmund fehlen fast 200.000 Wohnungen, die erschwinglich sind.

von Dietmar Seher

Gerade Geringverdiener sind von der Wohnungsnot im Ruhrgebiet betroffen.© Witten / Ruhrgebiet: Kiosk von wwwuppertal unter Lizenz CC BY-NC 2.0

In deutschen Großstädten herrscht ein massiver Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Besonders Mieter mit kleinem Einkommen haben es schwer, für sich erschwingliche Wohnungen  zu finden. Das haben Stadtsoziologen der Berliner Humboldt-Universität und der Goethe-Universität Frankfurt in einer Untersuchung errechnet, die von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung unterstützt wurde. Deutschlandweit fehlen danach 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen. Im Ruhrgebiet sind es fast  200.000.

Mietpreisbremse ausgebremst

CORRECTIV hat die Daten der Forscher für das Revier ausgewertet. Dass große Kommunen im Ruhrgebiet überdurchschnittlich stark betroffen sind, ist eine Überraschung. 2014 hatte die damalige NRW-Landesregierung fast das ganze Revier mit Ausnahme Bottrops von der so genannten  “Mietpreisbremse“ ausgenommen. Sie war von der großen Koalition auf Bundesebene im Jahr zuvor beschlossen worden. Die Begründung in NRW: Zwischen Dortmund und Duisburg bestehe anders als im Rheinland und am Niederrhein keine Wohnraumnot.

Nach der Analyse der Daten aus insgesamt 77 deutschen Städten fehlen laut der Böckler-Studie aktuell aber auch an der Ruhr 190.121 Wohnungen, die Menschen aller Einkommensgruppen als bezahlbare Bleibe suchen. Als bezahlbar gilt eine Wohnung, wenn die Bruttowarmmiete einschließlich der Neben- und Heizkosten 30 Prozent des Haushaltseinkommens nicht überschreitet.

Hoher Anteil von Geringverdienern

Konkret also: Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Netto-Einkommen von 2968 Euro kann sich eine Wohnung bis zu einer Warmmiete von 890 Euro leisten, ein Single-Haushalt mit 1484 Euro im Monat Räumlichkeiten mit einer Warmmiete, die 445 Euro nicht überschreitet.

Bei der Unterversorgung liegt Bochum mit rund 30.000 fehlenden Wohneinheiten auf einem Ruhrgebiets-Spitzenplatz. Die Forscher geben die Unterversorgung in der Stadt mit 31 Prozent an. Im deutlich größeren Essen fehlen 39.000 Wohnungen (29,9 Prozent), auch in Gelsenkirchen, Hamm und Herne gibt es größere Angebotslücken im bezahlbaren Bereich. Herne ist mit bezahlbarem Wohnraum zu 24,8 Prozent unterversorgt. In Bottrop wird die Lage in dem Report dagegen als „entspannt“ bezeichnet. Im Vergleich eher entspannt sieht sie auch in Dortmund und Duisburg aus. Aber auch hier fehlen immer noch 32.561 und 29.160 Wohnungen, die bezahlbar sind.

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Das Ergebnis der Studie: Im Ruhrgebiet fehlen fast 200.000 bezahlbare Wohnungen.

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Auffallend ist, dass die Wissenschaftler den Anteil der Geringverdiener unter denjenigen, die eine bezahlbare Wohnung suchen, sehr hoch einschätzen. Unter Geringverdiener werden hier Mieter gezählt, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Bundesmedian) zur Verfügung haben. Bei einem mittleren Einkommen von 1484 Euro für ein Personen-Haushalte wären das 840 Euro. Bei einem Bundesmedian von 3710 Euro für Vier-Personen-Haushalte liegen Geringverdiener bei 2226 Euro. Für die genannte Bevölkerungsgruppe fehlen in Bochum mehr als 25.000 Wohnungen. Im größeren Dortmund sind es knapp 30.000, in Essen 32.000.

Im Überblick: So sind die Mieten in NRW gestiegen (CORRECTIV.Ruhr)

Stärkung des sozialen Wohnungsbaus

Weit schwieriger als im Ruhrgebiet sieht die Situation in den rheinischen NRW-Großstädten aus. In Düsseldorf fehlen zum Beispiel für die gering verdienenden Mieter rund 32.000 Wohnungen, in der Millionen-Metropole Köln sind das schon 65.352 Wohnungseinheiten. Besonders schwer lässt sich auch in Aachen bezahlbarer Wohnraum anmieten.

Die Forscher haben festgestellt, dass der Mangel vor allem kleinere Wohnungen betrifft. Es sind also gar nicht so sehr Familien von der Wohnungsnot betroffen, sondern vor allem Alleinstehende. Die Autoren der Untersuchung sind der Meinung, nur durch eine „deutliche Stärkung des sozialen Wohnungsbaus“ sei die Entwicklung zu korrigieren. Auch sollten Staat und öffentliche Träger Privatvermietern Wohnungen abkaufen und so Sozial- und Mietpreisbindung ausweiten.