In der Bananenrepublik – Wie ein Mann in seiner Freizeit Falschmeldungen verbreitet
Warum glauben Menschen an „Fake News“? Wegen Leuten wie Roland Prauser. In seiner Freizeit schreibt er Falschmeldungen, die er über Facebook in der ganzen Republik streut. Im Netz gibt es tausende wie ihn. Wer sein Profil besucht, versteht, warum der Kampf gegen „Fake News“ so schwer ist.
Im Dezember 2018 prangt über Roland Prausers Facebookprofil eine Deutschlandfahne. In der Mitte: eine Bananenstaude statt dem Bundesadler. Deutschland, eine Bananenrepublik. So sieht Prauser es. „Gelbe Westen Patriot von Macron Regime erschossen! Wahnsinn die Morden für Ihre Macht“, schreibt er am 26. November auf Facebook. In den Tagen zuvor veröffentlicht er Behauptungen wie: „Die Deutsche Regierung hat befohlen nicht über die Revolution in Frankreich zu berichten“. Oder: „10 Millionen Franzosen auf den Straßen. Deutsche Medien schweigen beharrlich per Befehl der Regierung“. Alle drei: Falschmeldungen.
Für einen angeblich erschossenen Demonstranten haben weder wir noch französische Journalisten Belege gefunden. Deutsche Medien haben von Beginn an ausführlich über die Proteste in Frankreich berichtet. Roland Prausers Profil ist gefüllt mit irreführenden Meldungen. An manchen Tagen postet er im Minutentakt.
Der Angriff auf die Charlie Hebdo Redaktion? Für Prauser ein inszenierter Fake der Geheimdienste. Gelbwesten Proteste in Frankreich? Von deutschen Lügenmedien totgeschwiegen. Wenn Falschmeldungen sowas wie Drogen sind, ist Roland Prauser der Dealer im Park. Kein Mafiaboss, niemand, der hinter einer groß angelegten Desinformationskampagne steckt. Seine Posts im Newsfeed kommen vertrauenswürdig rüber, weil man ihn kennt. Er bringt Falschnachrichten unters Volk, abgepackt in kleinen Mengen.
Warum Menschen wie Prauser Falschmeldungen erfolgreich machen
Roland Prauser ist kein Influencer mit hunderttausend Followern. 2.895 Freunde und 1.111 Abonnenten erreicht Prauser mit seinen Posts aktuell. Für Facebook-Maßstäbe nicht wirklich viel, doch Menschen wie er sind für die Verbreitung von Falschmeldungen elementar.
Dank Prauser landet Desinformation in kleinen Häppchen in den Newsfeeds seiner Freunde und Abonnenten. Kurze Sätze in weißen Lettern auf pinkem Grund, die Misstrauen säen. Abgeschickt von einem bekannten Gesicht. Dieser Mechanismus hat Desinformation auf Facebook groß gemacht. Von der Familie und Freunden geteilte Nachrichten hinterfragen wir weniger als Nachrichten von Medien. Wir vertrauen dem Absender, also vertrauen wir auch der Nachricht. Egal ob Fake oder Fakt.
Bananenrepublik und Süßigkeiten
Wer ist Roland Prauser? Für die Facebookseite nutzt er seinen realen Namen. Über der Bananrepublik-Fahne auf seinem Profil prangt ein Zitat, dass Prauser offenbar als Motto gewählt hat: „Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu rufen, wenn er glaubt, dass sie demokratische Rechte missachtet.“ Man kann davon ausgehen, dass der sozialdemokratische Bundespräsident Gustav Heinemann keinen Feldzug der Desinformation meinte, als er das sagte.
Roland Prausers Facebookprofil ist ein Mix aus Verschwörungstheorien, Falschmeldungen und persönlichen Kommentaren zum Weltgeschehen. Im realen Leben besitzt Roland Prauser ein Restaurant. 2014 veröffentlichte die Lausitzer Rundschau einen Artikel über ihn. Es ging nicht um Falschmeldungen, sondern um sein Verkaufsgeschick. Das Artikelbild zeigt ihn in seinem neu eröffneten Restaurant. Skeptisch blickt er in die Kamera. Sein Restaurant taufte er „Lucifer“. Vor der Eröffnung war er Waffelverkäufer, Zuckerwatte-Hersteller und Popcorn Produzent, schreibt die Zeitung. Roland Prauser weiß, wie man den Massen Süßigkeiten verkauft.
„Ist Paris heute Nacht gefallen?“
Im Dezember 2018 wählt Prauser als Profilbild auf Facebook gelbe Warnwesten. Täglich postet er mehrere Kommentare zu den Proteste der Gelben Westen in Frankreich. Prauser würde solche Proteste gerne auch in Deutschland sehen. „Pulverdampf in Europa Es riecht nach Veränderung“, „Deutschland braucht gelbe Westen!“, schreibt er. „Ein Systemsturz beginnt immer mit einigen wenigen Menschen welche dann Millionen zum mitmachen motivieren“.
In anderen Posts ist Prauser drastischer und fantasiert über die Machtübernahme der Gelben Westen in Frankreich. „Gelbe Westen stürmen heute Nacht den Élysée-Palast Macron wird entmachtet“, schreibt er am 24. November. Am nächsten Morgen schreibt er: „Ist Paris heute Nacht gefallen ??? *Leider keine aktuellen Meldungen“. Auf Prausers Profil sind die Grenzen zwischen persönlichen Prognosen, Fragen und irreführenden Behauptungen fließend.
Rassistische Posts eines Patrioten
Wenn es auf Prausers Profil nicht um die Proteste in Frankreich geht, dann um Migranten. Die nennt Prauser „Merkels Gäste“. In einen Post schreibt er: „Unser Fleiß gilt Merkels Gästen, wir die Steuerzahler zahlen mit unserem Geld und unserer Lebenszeit“. Oder: „Das Trojanische Pferd heißt: ZUWANDERUNG“. Zwischendurch teilt er Posts der AfD, rassistische Bilder und Falschmeldungen.
Am 28. September 2017 veröffentlicht er das Bild einer Kostenkalkulation. Demnach gehe es einem Flüchtling finanziell besser als einem Angestellten mit 1200 Euro Nettogehalt. Ein Flüchtling bekomme angeblich 837 Euro und müsse davon nichts ausgeben. Das ist falsch. Wir haben in einem Artikel die Fakten erklärt.
Im April 2018 veröffentlichte Prauser dann das Bild einer gefälschten Werbung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Mehrere dunkelhäutige Männer stehen um eine weiße Frau. „Lass dich besamen, damit deine Kinder in wenigen Jahren nicht rassistisch verfolgt werden“, steht darunter.
Ein Nutzer veröffentlichte in den Kommentaren unter dem Post das Bild einer Pistole mit dem Aufruf „Aufräumen!!!“. Prauser reagierte nicht.
Die Fotomontage der vermeintlichen BAMF-Werbung ist eine Fälschung. Sie stammt von dem bekannten rechten Meinungsmacher Uwe Ostertag, der in der Vergangenheit wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Ein Nutzer weist Prauser in den Kommentaren unter dem Post auf den Ursprung und Uwe Ostertag hin. „Quasi ein Patriot“ antwortet Prauser.
Als Patriot sieht sich auch Prauser selbst. „Patriot 1989“ hat er als Beschreibung in sein Profil geschrieben. Prauser würde gerne mehr Menschen erreichen. Am 21. November schreibt er: „1034 haben es schon getan und mich abonniert. Täglich kurze sachliche Hinweise zum Tagesverlauf.“ Für den Fall, dass er gesperrt werden sollte, hat Prauser vorgesorgt: „Sollte ich gesperrt werden poste ich bei meinem Zwilling Gerhard Prauser weiter“, steht in seinem Profil.
Facebooks wirkungslose Sperre
Am 11. Dezember 2018 ist es soweit. Prausers Posts enden plötzlich. Mit einem anderen Profil kommentiert er auf seiner Facebookseite: „Roland Prauser ist für 30 Tage gesperrt. Grund waren Beiträge über die Gelbwesten. Vermutlich ist der Terroranschlag in Frankreich eine Geheimdienstaktion mit dem Ziel den Ausnahmezustand auszurufen um so die Aktionen der Gelbwesten zu verhindern.“ Es folgt ein Monat Stille. Aber nur auf diesem Profil. Wie zuvor angekündigt, postet er unter dem Profil „Roland-Gerhard Prauser“ weiter. „Facebooksperren sind Adelsschläge“, schreibt er dort. Inhaltlich ändert sich nichts.
Auch auf diesem Profil verbreitet Prauser falsche Meldungen und rassistische Posts. Am 14. Dezember schreibt er: „Die Jusos wollen Kinder bis zum 9. Monat abtreiben“. Das ist falsch, wie wir in einem Faktencheck erklärt haben.
Am 10. Januar meldete sich Prauser dann auf seinem gesperrten Account zurück: „30 Tage Hausarrest zu Ende. Ich melde mich bei meinen 1.220 Abonnenten zurück“.
Das sagt Prauser selbst zu seinen Falschmeldungen
Wir konfrontieren Prauser am Telefon mit seinen Behauptungen und unseren Faktenchecks. Deutsche Medien haben nachweislich von Beginn an über die französischen Proteste der Gelbwesten berichtet. „Aber erst viel zu spät, als der Druck schon gewachsen war“, sagt Prauser.
Und was ist mit seiner Behauptung über einen angeblich erschossenen Demonstranten in Frankreich? Prauser sagt am Telefon: „Ich habe nicht erschossen, sondern beschossen geschrieben“. Das stimmt nicht.
Eine zusätzliche schriftliche Anfrage nach den Quellen für seine Behauptungen lässt Prauser unbeantwortet. Nach unserer Presseanfrage schreibt er: „Eine Journalistin ist auf mich aufmerksam geworden und rief mich an. Alles richtig gemacht.“
Affenbilder und rassistische Kommentare
Auf seinem Profil geht es nach der Facebook-Sperre weiter wie gewohnt. Prauser regt sich über „Gendertoiletten“, die EU und Ausländer auf. Im Februar postet Prauser einen Artikel über die erste schwarze „Tatort“-Kommissarin Florence Kasumba mit dem Kommentar: „Kann man alles machen, aber muss man sich auch nicht wundern, wenn die Zuschauer sich abwenden, so wie ich auch.“ Unter den Post zu dem Thema teilen Nutzer Affenbilder und rassistische Kommentare wie: „Bimbos bei Nacht die Verbrecher jagen im Tatort das tue ich meinen Augen nicht mehr an!“ und „Bei so was muss ich kotzen!“ Prauser reagiert nicht.
Am 3. Februar postet Prauser, wie immer in pink-weiß,: „Das Unrecht fängt in der noch so kleinsten Gemeinde an und endet dann in einem riesigen Staudamm der brechen wird.“ Prauser baut fleißig weiter am Staudamm. Sein Material: Desinformation und Rassismus.