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Urteil: OLG Karlsruhe beanstandet nicht Faktencheck von CORRECTIV, sondern nennt einzelne Verknüpfung missverständlich

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass eine Formulierung in einer Verknüpfung eines CORRECTIV-Faktenchecks mit einem Artikel des Blogs „Tichys Einblick“ auf Facebook „missverständlich“ sei. CORRECTIV hat sie in diesem Einzelfall entfernt. Nun liegt die Urteilsbegründung vor. Der Faktencheck selbst sowie die Kooperation mit Facebook zur Reduzierung von Falschmeldungen wurden nicht beanstandet.

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Oberlandesgericht Karlsruhe (CC BY-SA 3.0, Albtalkourtaki)

Zunächst zur Entscheidung: Das Gericht hat anerkannt, dass der CORRECTIV-Faktencheck als solcher nicht zu beanstanden ist. Dieser stehe unter dem starken Schutz der Meinungsfreiheit. Das Gericht hat ferner anerkannt, dass Facebook-Teilnehmer, so auch die Klägerin, mit Eröffnung des Nutzerkontos in die Durchführung eines Faktenchecks eingewilligt haben und dessen Ziel, Echokammern und Filterblasen zu vermeiden, zugunsten von CORRECTIV zu berücksichtigen sei. 

Beanstandet wurde lediglich die Verknüpfung eines Faktenchecks mit einem Artikel des Blogs Tichys Einblick auf Facebook; diese könne durch den Leser missverstanden werden. Es sei für den Leser nicht eindeutig, worauf sich der Faktencheck beziehe.  

Das Gericht entschied also in einem konkreten Einzelfall über die Verknüpfung des Faktenchecks, nicht hingegen über den Faktencheck als solchen. Das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe erging auf einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung des Blogs Tichys Einblick. In erster Instanz war dieser Antrag vom Landgericht Mannheim zurückgewiesen worden. 

Warum das Gericht die Verknüpfung auf Facebook als „missverständlich“ eingestuft hat 

Konkret ging Tichys Einblick dagegen vor, dass Nutzern auf Facebook, wenn sie den Link zum Artikel von Tichys Einblick teilten, einen Warnhinweis angezeigt bekamen. Dieser enthielt einen Link zu einem Faktencheck von CORRECTIV. Diese Funktion ist Teil der Kooperation von CORRECTIV mit Facebook. Ziel des Facebook-Factchecking-Systems ist es, Filterblasen zu durchbrechen und Nutzern einen faktenbasierten Kontext zu liefern. Die Verknüpfungen mit Faktenchecks führen nicht dazu, dass Beiträge auf Facebook gelöscht werden, sondern versehen sie mit einem Hinweis, dass die Informationen falsch oder teilweise falsch sind. Die Beiträge sind weiterhin teilbar. 

In dem Faktencheck hatte sich CORRECTIV unter anderem mit dem Bericht auf Tichys Einblick über einen offenen Brief von angeblich „500 Wissenschaftlern“ auseinandergesetzt, die erklärten, es gebe keinen Klimanotstand.

CORRECTIV hatte im Bezug auf den Brief dargelegt, dass es keine 500 Wissenschaftler waren, die den angesprochenen Brief unterschrieben hatten, wie es die Überschrift des Berichtes auf Tichys Einblick suggerierte. 

Im Weiteren hatte sich CORRECTIV mit den Thesen des offenen Briefes zum angeblich nicht existierenden Klimanotstand auseinandergesetzt, die Tichys Einblick vollständig wiedergegeben hatte. Die Aussagen des Briefes lassen oft zentralen Kontext aus, etwa zu bisheriger Klimaforschung oder der Einschätzung offizieller Stellen. Weil diese wichtigen Positionen fehlen, können die Behauptungen irreführend gelesen werden, stellte CORRECTIV fest.

In der Verknüpfung auf Facebook hatte es geheißen: „Nein: Es sind nicht 500 Wissenschaftler. Behauptungen teils falsch.“

Der Facebook-Leser könne anhand der Verknüpfung annehmen, dass Tichys Einblick Urheber der kritisierten Passagen im Brief der „500 scientists and professionals“ gewesen sei, während der Blog tatsächlich über den Brief berichtet habe, so das Gericht. Tichys Einblick habe dabei zumindest „den Inhalt des ‚offenen Briefes‘ nicht falsch wiedergegeben“. Auch würden in dem Faktencheck von CORRECTIV nicht lediglich Fakten geprüft, sondern auch Wertungen des offenen Briefs hinterfragt.  

Der Leser würde die Unterschiede zwischen Facebook-Verknüpfung und Beitrag erst bemerken, wenn er in der Folge sowohl den Artikel von Tichys Einblick als auch den Faktencheck lese. Damit sei jedoch in einem auf kurze Beiträge ausgelegten Medium wie Facebook nicht zu rechnen. 

OLG Karlsruhe: Einsatz gegen Filterblasen sei zugunsten von CORRECTIV zu berücksichtigen

Das Gericht beanstandete weder das Faktencheck-System von Facebook noch den Artikel von CORRECTIV. Im Gegenteil: Die Äußerungen von CORRECTIV böten „für sich genommen keinen Anlass für Beanstandungen oder gar ein lauterkeitsrechtliches Unterlassungsverlangen“. Der Faktencheck stütze sich „nicht auf unwahre Tatsachenbehauptungen“, er sei „sachlich gehalten“ und betreffe „überdies ein Thema von großem allgemeinem Interesse“. Tichys Einblick habe eine solcherart geäußerte Medienkritik hinzunehmen. Weder Tichys Einblick noch dem Autor des Artikels werde bei genauester Betrachtung eine Aussage untergeschoben, die sie tatsächlich nicht getätigt haben.

Weiter heißt es in der Urteilsbegründung: „Über die Rechtmäßigkeit von Faktenprüfungen auf Facebook im Allgemeinen ist in diesem Verfahren nicht entschieden worden“.

Das OLG Karlsruhe schloss sich zudem der Einschätzung des Landgerichts Mannheim an, dass die Tatsache, dass CORRECTIV das Ziel verfolgt, Echokammern und Filterblasen zu vermeiden, zu CORRECTIVs Gunsten zu berücksichtigen sei. „Dieses Ziel dient dem allgemeinen Interesse an einem möglichst freien und umfassenden Meinungsaustausch und -wettbewerb. Dem Landgericht ist dahingehend zu folgen, dass dies ein sachlicher Grund für die Einrichtung und Durchführung einer Faktenprüfung ist (…)“.

„Wichtig in diesem Verfahren war für uns, dass das System des Fact-Checkings auf Facebook und die darauf basierende Arbeit von CORRECTIV fortgesetzt werden können, um effektiv Desinformation begegnen zu können. Dies haben wir erreicht. Das Oberlandesgericht hat lediglich einen konkreten Prüfeintrag als ‘missverständlich’ beanstandet. Die Prüfung und Kennzeichnung von Falschmeldungen im bestehenden System ist unverändert möglich“, sagt Thorsten Feldmann, der CORRECTIV in dem Verfahren vertritt.

CORRECTIV nimmt die Kritik des Gerichts an. Wir unterstützen jede Verbesserung, die unsere Arbeit noch transparenter macht. Korrekturen sind Teil der hohen Standards, die wir an unsere Faktencheck-Arbeit anlegen. 

Die missverständliche Verknüpfung auf Facebook wurde entfernt – unser Artikel an sich ist vom Urteil nicht berührt und nach wie vor online zu finden.

Das Faktencheck-Team arbeitet wie gehabt weiter – gegen Falschmeldungen und für einen gesellschaftlichen Diskurs, der auf Fakten basiert.

Update: Das Urteil ist seit dem 23. Juni 2020 rechtskräftig.