Faktencheck

Covid-19: Dass die Impfung schneller aufgefrischt wird als bei anderen Krankheiten, bedeutet nicht, dass sie nicht wirkt

Laut einer Liste, die sich auf Facebook verbreitet, wirken Impfungen gegen verschiedene Krankheiten viel länger als Impfungen gegen Covid-19. Es fehlt Kontext. Dass die Covid-19-Impfung schon so früh aufgefrischt werden soll, bedeutet nicht, dass sie schlechter ist, als andere Impfungen. 

von Tania Röttger , Alice Echtermann

Impfpass Covid-19
Einer aktuellen Behauptung über die angeblichen Dauer der Wirkung von Impfungen fehlt Kontext (Foto: Picture Alliance / Zoonar / Axel Bueckert)
Behauptung
Eine Impfung gegen Covid-19 halte nur drei bis sechs Monate, Impfungen gegen andere Krankheiten mindestens zwei Jahre oder lebenslang.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Gegen Covid-19 soll es nach fünf bis sechs Monaten eine Auffrischungsimpfung geben. Der Grund hierfür ist, dass man angesichts der hohen Infektionszahlen den größtmöglichen Schutz erreichen möchte. Für die unterschiedlich langen Wirksamkeiten von Impfungen gibt es verschiedene Gründe, sie sind kein grundsätzliches Qualitätsmerkmal. 

In einem Facebook-Bild wird die Behauptung aufgestellt, dass Impfungen im Normalfall viele Jahre halten würden, außer die gegen Covid-19. Die Person, die den Beitrag veröffentlicht hat, schreibt dazu: „Lasst es euch mal durch den Kopf gehen, von der großen Freiheit, die uns nach dem zweiten Piks versprochen wurde, ist nicht viel zu sehen… es ist ein Abzock-Programm der übelsten Sorte.“ Bisher wurde der Beitrag mehr als 6.000 Mal geteilt. 

Die Liste erweckt den falschen Eindruck, die Covid-19-Impfung sei schlechter als andere Impfungen. Es fehlt jedoch Kontext. Das RKI empfiehlt, die Covid-19-Impfungen nach fünf bis sechs Monaten aufzufrischen, um den maximalen Schutz aufrecht zu halten. Sehr viele Impfungen müssen aufgefrischt werden, damit sich das Immunsystem an den Erreger „erinnert“. Das bedeutet nicht, dass Impfungen, die häufiger aufgefrischt werden müssen, eine geringere Qualität hätten. 

Liste mit unterschiedlichen Schutzwirkungen von Impfstoffen
In dem Bild werden verschiedene Impfungen aufgelistet, deren Schutz mehrere Jahre anhält. Der Vergleich mit Covid-19-Impfungen ist irreführend. (Quelle: Facebook / Screenshot am 30. November 2021: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Immunsystem „vergisst“: Schutzwirkung durch Impfungen lässt mit der Zeit nach, oft sind Auffrischungen nötig

Impfungen trainieren das Immunsystem, indem sie es zum Beispiel mit abgetöteten oder abgeschwächten Krankheitserregern in Kontakt bringen. Der Körper produziert durch die Impfung schützende Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper und außerdem Gedächtniszellen. Die Menge der Antikörper im Blut lässt mit der Zeit nach. Was lange bleibt, sind die Gedächtniszellen. Kommt der Körper erneut in Kontakt mit dem Erreger, aktivieren die Gedächtniszellen wieder die Produktion von Antikörpern.

Je nach Art des Impfstoffes wird das „Gedächtnis“ des Immunsystems unterschiedlich ausgeprägt. Manchmal hält es ein Leben lang, wie bei Masern- oder Röteln-Impfungen, oft sind aber nach einigen Jahren Auffrischungsimpfungen nötig. Denn das Immunsystem „vergisst“ nach einiger Zeit den Erreger. Die Auffrischungsimpfung reaktiviert die Gedächtniszellen. Die Gründe, weshalb das Immunsystem manche Erreger schneller vergisst als andere, sind nicht ganz klar, wie der MDR kürzlich in einem Artikel erklärte. Bei den Impfungen, die es schon viele Jahre gibt, beruht alles auf Erfahrungswerten.

Grafik Funktionsweise des Immunsystems
Die Funktionsweise des Immunsystems (Quelle: Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e.V. / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Liste auf Facebook enthält teilweise falsche Angaben

Die Angaben in dem Bild zu den zeitlichen Abständen der Impfungen sind teilweise falsch. Über Impfungen gegen Ebola, die es erst seit einigen Jahren gibt, schreibt das RKI zum Beispiel: Wie lange die Schutzwirkung anhalte, sei unbekannt. Bei der Tollwut-Impfung wird bei höherem Infektionsrisiko dazu geraten, sie schon nach einem Jahr aufzufrischen und nicht erst nach fünf Jahren. Die Impfung gegen Tuberkulose wird in Deutschland nicht mehr empfohlen

Dem Beitrag auf Facebook fehlt außerdem als Kontext, dass bei vielen der genannten Impfungen zwei bis drei Dosen für die vollständige Grundimmunisierung nötig sind. Zu einer Impfung gegen Masern etwa gehören zwei Dosen in kurzem Abstand, danach ist die Impfung lebenslang gültig. Ein Beispiel für einen Impfstoff, bei dem eine dritte Impfdosis nach fünf bis zwölf Monaten nötig ist, ist die Impfung gegen FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis; ausgelöst durch Zeckenstiche). 

Impfkalender der Stiko 2021
Der Impfkalender der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfiehlt bei vielen Impfungen mehrere Dosen für die Grundimmunisierung (G) sowie Auffrischungen (A) in regelmäßigen Abständen (Quelle: RKI; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Es gibt zudem Impfungen, die nur sehr kurze Zeit schützen, weil sich der Erreger – zum Beispiel ein Virus – verändert und mutiert. Die Impfungen gegen Influenza (Grippe) müssen jedes Jahr erneuert werden, weil jedes Jahr neue Varianten des Virus auftreten. Die WHO legt die Zusammensetzung des Influenza-Impfstoffs regelmäßig auf Basis von Forschungsdaten aus der ganzen Welt fest. 

Dieser ganze Kontext fehlt in dem Bild auf Facebook. Dadurch wird suggeriert, der Covid-19 Impfstoff sei schlechter als andere Impfstoffe. Das stimmt aber nicht. 

Covid-19-Impfung wirkt, muss aber aufgefrischt werden, um den maximalen Schutz zu erhalten

Die Impfung gegen Covid-19 wirkt, wie mehrere Studien belegen – das haben wir in Faktenchecks bereits berichtet. Auch die deutlich geringeren Inzidenzen unter vollständig Geimpften sind ein Zeichen für die Wirksamkeit (siehe RKI-Wochenbericht vom 18. November 2021, Seite 22). 

Allerdings schmälert die Delta-Variante des Coronavirus die Effektivität der Impfung – sie nimmt offenbar schneller ab als bei anderen Varianten. Zuletzt schätzte das RKI, die Impfeffektivität liege „gegenüber einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung für die vergangenen vier Wochen (…) in der Altersgruppe 12-17 Jahre bei ca. 90 Prozent, in der Altersgruppe 18-59 Jahre bei ca. 68 Prozent und in der Altersgruppe ≥60 Jahre bei ca. 65 Prozent“ (Wochenbericht vom 25. November 2021, Seite 24).  

Deshalb empfiehlt das RKI inzwischen eine Auffrischung der Covid-19-Impfung nach fünf bis sechs Monaten. Bei den meisten Impfstoffen bedeutet das, dass eine dritte Dosis verabreicht wird. Bei dem Impfstoff Janssen war zunächst nur eine Dosis vorgesehen, auch hier empfiehlt die STIKO eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff.

Gründe für die Empfehlung von Auffrischungsimpfungen sind laut einer Pressemitteilung des RKI vom 18. November 2021 „die höhere Übertragungsrate der vorherrschenden Delta-Variante, der mit der Zeit nachlassende Impfschutz auch vor schwerer Erkrankung derzeit besonders bei älteren oder vorerkrankten Menschen, sowie die Transmission von SARS-CoV-2 nicht nur durch Ungeimpfte, sondern auch durch vollständig grundimmunisierte Personen“.

Immunologin: Angesichts hoher Infektionszahlen ist maximaler Impfschutz nötig

Christine Falk arbeitet an der Medizinischen Hochschule Hannover und ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Sie erklärte uns per E-Mail, weshalb die Auffrischungsimpfung bei Covid-19 so früh nötig ist:

Die höchste Stufe des Schutzes sei der Schutz vor Ansteckung (die sogenannte sterile Immunität). „Aber dazu braucht man sehr viele und sehr spezifische Antikörper gegen das Spike-Protein, die es wie ein Kaugummi einen Schlüssel, am Bart des Schlüssels, umhüllen“, so Falk. Die Antikörper könnten verhindern, dass das Coronavirus an menschlichen Zellen andockt. Nicht alle Geimpften würden jedoch so viele Antikörper entwickeln, sie seien sogenannte „low responder“. Vor allem unter älteren Menschen kämen diese häufig vor; diese könnten dann trotz Impfung erkranken. Sie seien aber immerhin durch andere Abwehrmechanismen noch vor schweren Verläufen geschützt. 

„In dieser Infektionslage brauchen wir mehr als die Grundimmunisierung, und darum müssen wir noch mal draufimpfen mit der Auffrischimpfung“, schrieb Falk. Sie vergleicht den Impfschutz mit einem Deich gegen Hochwasser: Wenn die Infektionszahlen nicht so hoch wären, wäre der Immunschutz jedes Einzelnen noch ausreichend. Wenn aber eine „Welle mit Hochwasser“ drohe, müsse der Impfschutz möglichst vieler Menschen erhöht werden, „um das Hochwasser kollektiv abzuhalten“. 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • RKI-Wochenbericht vom 18. November 2021: Link
  • RKI-Wochenbericht vom 25. November 2021: Link
  • RKI-Pressemitteilung vom 18. November 2021 Link
  • Empfehlungen der STIKO zur Auffrischimpfung einer COVID-19-Impfung bei Personen ab 18 Jahren vom 18. November 2021: Link
  • BZGA über aktive und passive Immunisierung: Link
  • Sanofi Pasteur über Auffrischimpfungen: Link
  • Bundeszentrale für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz über „Das Prinzip der Impfung“: Link

Redigatur: Till Eckert, Steffen Kutzner

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