Recherche-Podcast

Coaching-Boom – Wenn schon Jugendliche optimiert werden sollen

Sie versprechen Selbstoptimierung und finanziellen Erfolg: Motivationstrainer und Coaches haben immer größeren Zulauf. Einige gehen sogar unter Minderjährigen auf Kundenfang.

von Steffen Ludwig , Anette Dowideit

Tobias Beck in Osnabrück
Tobias Beck ist einer der Großen in der Branche der Motivationstrainer. Seine Kundinnen und Kunden sollen immer „100 Prozent" geben, findet er.

Sie versprechen, ihren Kunden dabei zu helfen, das Beste aus sich zu machen, kein Potenzial ungenutzt zu lassen – und so im besten Fall auch noch reich zu werden: selbsternannte Coaches oder Motivationstrainer, die ihre Kurse online als Tutorials verkaufen oder ihre Botschaften gegen Geld auf großer Bühne verbreiten.

Der Markt für solche Dienstleistungen ist riesig: Der „Deutsche Coaching Verband“ schätzt, dass schon 2019, vor der Corona-Pandemie, die Deutschen etwa eine halbe Milliarde Euro für solche Lebensberatung ausgaben – und seither hat sich das Angebot tendenziell noch gesteigert. Etwa 30.000 selbsternannte – oder von anderen Coaches zertifizierte – Coaches bieten bundesweit ihre Dienste an. Und es werden immer mehr, denn das Geschäftsmodell vieler von ihnen ist es, neue Coaches auszubilden. Natürlich gegen Geld.

Neue Kundengruppe: Minderjährige

Unsere Jugendredaktion Salon5 hat die Coaching-Branche unter die Lupe genommen – als Teil eines Rechercheschwerpunktes mit dem NDR (Reschke Fernsehen) über den Coaching-Markt. In unserer Recherche, die wir als Podcast erzählen, geht es vor allem darum: dass einige Coaches ihre Dienstleistungen sogar Minderjährigen anbieten, obwohl diese noch nicht voll geschäftsfähig sind. 

Zu unserem Salon5-Recherchepodcast geht es hier:

Unsere Reporter sprachen mit einem jungen Erwachsenen, der selbst Mitglied in einer Coaching-Community ist und schon viel Geld dafür ausgegeben hat. Außerdem mit einer Expertin, die unter anderem Minderjährige betreut, wenn diese in eine Coaching-Falle geraten sind – und sie starteten einen Testanruf bei einem der erfolgreichsten und bekanntesten Motivationscoaches, Tobias Beck. 

Das Ergebnis: Laut Auskunft bei der Hotline des Massencoaches hätte auch unser minderjähriger Testanrufer dort problemlos teure Kurse buchen können, etwa ein Online-Seminar für knapp 2000 Euro.

Auf Becks YouTube-Kanal steht auch ein – kostenloses – 40-minütiges Video, das explizit Jugendliche ansprechen soll: „Gestalte unsere Zukunft – Tobias Becks mentales Training für Jugendliche ab 16“.

Auf eine Anfrage unserer Redaktion, warum von der Hotline auch Minderjährigen kostenpflichtige Angebote gemacht haben, antwortete Becks Unternehmen erst mit Verspätung, nach der Aufnahme des Podcasts, über einen Anwalt. Dieser teilte mit Es gebe eine klare Anweisung, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Hotline nur Personen über 18 Seminarangebote unterbreiten dürften. Der Anwalt verweist darauf, dass der Jugendliche proaktiv nach kostenpflichtigen Angeboten gefragt habe – und die Mitarbeiterin an der Hotline lediglich darauf geantwortet habe.

Bei manchen Coachingangeboten, die sich an Jugendliche wenden, geht es darum, seine Persönlichkeit zu optimieren – zum Beispiel, weniger schüchtern zu sein. Andere zielen darauf ab, in kurzer Zeit viel Geld zu verdienen.

Beraterin Uta Bange vom Verein Sekteninfo NRW, die auch Opfer von unseriösen Coachings betreut, sagte den Salon5-Reportern: Schon vor der Corona-Pandemie ging es bei mehr als jedem zehnten Anruf bei ihrer Beratungsstelle um das Thema Coaching; seither seien es wohl noch mehr geworden. Denn: Ähnlich wie bei Sekten gehe es zumindest unseriösen Coaches oft darum, ihre Kunden in eine Abhängigkeit zu locken, und ihnen auf diese Weise immer mehr Kurse zu verkaufen.

Gerade bei Minderjährigen, sagt Bange, seien solche psychischen Abhängigkeiten leicht herzustellen. Sie berichtet von einem besonders krassen Fall, in dem ein Jugendlicher die Schule schmiss und seinem Coach, den er wie einen Guru verehrte, ins Ausland hinterher zog – bis ihm das Geld ausging und seine Eltern ihn nach Hause holten.

Mehr zum Thema auch bei Reschke Fernsehen: Psychotricks – Die bizarre Show der Life-Coaches.

Podcast: Marie Kotzian, Lennart Schraven und Steffen Ludwig
Recherche: Anette Dowideit, Lennart Schraven und Steffen Ludwig
Faktencheck: Pascal Kornatz
Design/Illustration: Tabea Stock
Kommunikation: Valentin Zick
Redaktion/Abnahme: Marie Kotzian

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