Faktencheck

Nein, es hat nicht „jeder Haushalt“ 162.000 Euro – Vermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt

Anders als auf Facebook behauptet, hat nicht jeder Haushalt in Deutschland ein Vermögen von 162.600 Euro. Bei der Zahl handelt es sich um einen Durchschnittswert.

von Matthias Bau

Privatvermögen in Deutschland
In Deutschland besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung mehr als die ärmsten 50 Prozent (Symbolbild: Pixabay / Leonhard_Niederwimmer)
Behauptung
Laut Statistischem Bundesamt habe jeder deutsche Privathaushalt 162.600 Euro Vermögen.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Die angegebene Zahl vom Statistischen Bundesamt ist ein Durchschnittswert für das Jahr 2018, der durch die ungleiche Verteilung des Vermögens in Deutschland nach oben verzerrt wird. Er sagt nichts darüber aus, wie viel Vermögen jeder einzelne Haushalt hat.

„Laut Statistischem Bundesamt hat jeder deutsche Privathaushalt 162.600 Euro Vermögen“, heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 18 Juli. Bisher wurde der Beitrag, der sich auf einen Artikel von Focus Online bezieht, rund 1.700 Mal geteilt.

Der Facebook-Beitrag zitiert die Zahl mit dem ironischen Zusatz: „Herzlichen Glückwunsch! Wir sind reich.“ Kommentare unter dem Beitrag machen deutlich, dass die Statistik nach Ansicht der Facebook-Nutzenden nicht die Realität abbilde. „Statistiken sind der größte Betrug, den es gibt“, schreibt einer. „Ach was, schau gleich mal unter meinem Bett nach“, kommentiert ein anderer. 

Die Aussage, „jeder deutsche Haushalt“ habe so viel Vermögen, stammt aus einem Artikel von Focus Online, der in dem Beitrag auf Facebook verlinkt wird. Sie ist inhaltlich nicht korrekt. Bei den 162.600 Euro handelt es sich um einen Durchschnittswert, der durch die ungleiche Verteilung des Vermögens in Deutschland deutlich nach oben verzerrt ist. Das macht Focus Online in seinem Artikel auch klar, aber erst später im Text: „Viele Bürger haben weniger Vermögen, einige deutlich mehr. Der Medianwert lag 2017 bei 70.800 Euro. Das bedeutet: Genau die Hälfte aller Befragten hatte weniger als 70.800 Euro Vermögen, die andere Hälfte mehr.“

Obwohl deutsche Haushalte im Jahr 2018 durchschnittlich ein Vermögen von 162.600 Euro hatten, heißt das nicht, dass jeder Haushalt ein solches Vermögen hat
Obwohl deutsche Haushalte im Jahr 2018 durchschnittlich ein Vermögen von 162.600 Euro hatten, heißt das nicht, dass jeder Haushalt ein solches Vermögen hat (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Zahl auf Facebook ist ein Durchschnittswert des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2018

Auf Facebook heißt es, die verbreitete Angabe stamme vom Statistischen Bundesamt (Destatis). Das ist richtig. Das Destatis veröffentlichte am 16. April 2019 die Information, dass im Jahr 2018 ein privater Haushalt im Durchschnitt ein Nettogesamtvermögen von 162.600 Euro habe. Darin sind Geld­vermögen und Immobilien­vermögen enthalten, Schulden sind bereits abgezogen. 

Ein Durschnittswert sagt nichts über den Einzelnen oder die Einzelne aus. Ein Beispiel: Wenn sich zwei Menschen in einem Biergarten treffen und der eine vier Apfelschorlen trinkt und der andere vier Bier, dann haben beide im Durchschnitt zwei Apfelschorlen und zwei Bier getrunken. Der Durchschnittswert ist völlig ungeeignet, um zu beschreiben, wer tatsächlich was getrunken hat. 

Das gilt auch für die Darstellung von Vermögensverhältnissen. Besitzen die einen sehr viel mehr als die anderen, wird der Durchschnittswert stark verzerrt. Besitzt der eine Mensch eine Million Euro und der andere nur 12.000 Euro, besitzen beide im Durschnitt 506.000 Euro. Somit ist der eine im Durchschnitt plötzlich sehr viel reicher und der andere sehr viel ärmer, als es tatsächlich der Fall ist.

Vermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt

Um die Vermögensverteilung in Deutschland darzustellen ist der sogenannte Medianwert besser geeignet. Er gibt an, welcher Wert in der Mitte einer Datenreihe liegt. Bei den Werten eins, drei und fünf liegt beispielsweise der Wert drei in der Mitte und ist somit der Median. Der Median-Wert des Nettovermögens eines Privathaushalts (70.800 Euro), den Focus Online im Text zitiert, ist aus einer Studie der Bundesbank von 2017

Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) hat außerdem Daten zum Vermögen pro Kopf für das Jahr 2017 aufbereitet und veröffentlicht. Anders als bei den Daten des Statistischen Bundesamtes oder der Bundesbank geht es dabei um Einzelpersonen. 

Daraus geht hervor, dass das Durchschnittsvermögen pro Kopf im Jahr 2017 bei 111.000 Euro lag, der Medianwert, der die reichere Hälfte von der ärmeren trennt, jedoch nur bei 27.000 Euro. Das sei „ein Indiz für die ungleiche Verteilung des Vermögens“, so die BPB. Weiter zeigen die Daten, dass 21,8 Prozent der Menschen über kein Nettovermögen verfügen und 6,8 Prozent sogar mehr feste Ausgaben als Einnahmen haben und somit verschuldet sind. Demgegenüber verfügte 2017 ein Prozent der Bevölkerung über so viel Vermögen wie drei Viertel der gesamten Bevölkerung. 

Verschärft wird diese Ungleichheit durch Erbschaften und Schenkungen. Einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge erhielten zwischen 2002 und 2017 etwa sieben Prozent der Erwachsenen eine Schenkung oder Erbschaft, die im Median bei 32.000 Euro lag. Weiter geht aus dem Bericht hervor, dass Menschen, die ohnehin ein großes Einkommen haben, auch mehr erben. „Die Ungleichheit der Erbschaften und Schenkungen fällt damit insgesamt in etwa so groß aus wie jene der individuellen Nettovermögen“, fassen die Forschenden ihre Ergebnisse zusammen.

Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Veröffentlichung des Destatis über durchschnittliche Haushaltsvermögen in Deutschland im Jahr 2018: Link
  • Artikel der BPB über die Höhe des Nettovermögens in Deutschland: Link
  • Artikel der BPB über die Vermögensungleichheit in Deutschland: Link