Black Sites Turkey

CORRECTIV-Recherche im Europarat

Unsere Recherche über das Entführungsprogramm des türkischen Geheimdienstes beschäftigt die internationale Politik. Die parlamentarische Versammlung des Europarats informierte sich heute über die Recherche #blacksitesturkey. Vize-Chefredakteur Frederik Richter berichtete den Ratsmitgliedern von den Recherchen. Einige Eindrücke aus Straßburg.

von Frederik Richter

© FREDERICK FLORIN / AFP
© FREDERICK FLORIN / AFP

Als wir unsere Recherche #blacksitesturkey am 11. Dezember 2018 veröffentlichten, war der Zeitpunkt – ohne unser Wissen – gut gewählt. Denn am nächsten Tag traf sich jener Ausschuss des Europarats, der sich mit Regelverstößen seiner Mitgliedsstaaten befasst, das „monitoring committee“.

Und #blacksitesturkey war sofort Gesprächsthema: denn die Recherche erinnerte die Abgeordneten an den berühmten Bericht, den der Schweizer Parlamentarier Dick Marty 2006 über das geheime Entführungsprogramm der CIA für den Europarat erstellte. Der Bericht spielte damals eine wichtige Rolle darin, die von investigativen Journalisten aufgedeckten Einzelheiten zu bündeln und das ganze Ausmaß der „renditions“ sichtbar zu machen.

Heute steht unter anderem die Türkei im Fokus des Komitees. Sie steht wegen der Menschenrechtsverletzungen seit April 2017 unter verschärfter Beobachtung durch den Europarat. Anders als die direkt gewählten Abgeordnete des EU-Parlaments bilden Vertreter aus den nationalen Parlamenten der 47 Mitgliedsstaaten die parlamentarische Versammlung des Europarats in Straßburg.

Neun internationale Medien hatten in einer von CORRECTIV koordinierten Recherche das ganze Ausmaß eines internationalen Entführungsprogramm des türkischen Geheimdienst aufgedeckt. Das Programm richtet sich gegen Anhänger der Gülen-Bewegung, die der türkische Staat für den gescheiterten Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich macht.

Mit Privatjets, die einer Tarnfirma des MIT gehörten, werden die Gülenisten gegen ihren Willen und ohne rechtstaatliche Verfahren in die Türkei gebracht. Die Recherche enthüllte zudem, dass die Türkei laut den Aussagen von zwei Opfern bei ihrem Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung auch geheime Folterstätten einsetzt, sogenannte „black sites“.

Das Komitee lud CORRECTIV ein, die Ergebnisse in Straßburg vorzustellen. Es war das erste Mal, dass ein Austausch mit einem Vertreter der türkischen Regierungspartei AKP über die Recherche möglich war. Die Sitzung fand jedoch „in camera“ statt. Das bedeutet, dass über den Austausch nicht berichtet werden darf.

Während türkische Medien unsere Recherchen heftig attackierten, nehmen die Abgeordneten die Rechercheergebnisse sehr ernst. Die beteiligten Medien zählten zur Spitze des investigativen Journalismus, sagte die estnische Abgeordnete Marianne Mikko in einem anschließenden Interview. Mikko ist eine der Türkei-Berichterstatterinnen des Europarats. An den Recherchen waren unter anderem das ZDF-Magazin Frontal 21, Le Monde, Haaretz die schwedische Nachrichtenagentur TT sowie die spanische Zeitung El Pais beteiligt.

Das Komitee will bei seinem nächsten Vorortbesuch die türkische Regierung auf die Recherchen ansprechen und eine Untersuchung der Foltervorwürfe fordern. Nach seinem letzten Besuch kritisierten die Berichterstatter die Türkei unter anderem für die mehrmalige Verlängerung des Ausnahmezustands, die Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit sowie das Vorgehen gegen die Opposition. In dem Bericht verwiesen sie bereits auf zahlreiche Foltervorwürfe.

Die türkische Regierung hat sich zu den Foltervorwürfen nicht geäußert. Stattdessen reagierten regierungsnahe Medien mit einer tagelangen Schmierenkampagne gegen CORRECTIV. Auch vor dem Besuch beim Straßburg sprach eine Zeitung davon, wir würden unsere Lügen nun zum Europarat tragen.

Die Türkei hat offensichtlich immer weniger Interesse an internationalem Austausch – sie hat ihren Beitrag zum Budget des Europarat kürzlich reduziert.

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