Mr. Cum-Ex: Hanno Berger soll für acht Jahre ins Gefängnis
Er ist der bisher prominenteste Angeklagte, der wegen des CumEx-Betrugs vor Gericht stand: Das Bonner Landgericht verurteilte Hanno Berger nun zu acht Jahren Haft. CORRECTIV hatte 2018 aufgedeckt, wie er und weitere Komplizen die Geschäfte auf ganz Europa ausgeweitet hatten.
Zehn Jahre nach seiner Flucht in die Schweiz wurde Hanno Berger, Mr. Cum-Ex, vom Bonner Landgericht am Dienstag verurteilt. Er soll wegen drei Steuerhinterziehungsfällen acht Jahre in Haft. Bisher hatte Berger immer bestritten, dass die Cum-Ex-Geschäfte illegal waren. Was nicht explizit verboten ist, ist legal, so das Mantra der Juristen.
Lange galt er als der „gefürchtetste Bankenprüfer Deutschlands“. Berger machte zunächst Karriere als Steuer-Beamter, bevor er der Versuchung nachgab: Er verließ den öffentlichen Dienst, um den Reichsten zu helfen, das Gesetz zu umgehen. „Ob das moralisch verwerflich ist, ist ja kein Kriterium“, sagte Berger, selbst ein Pfarrerssohn, einst über die Cum-Ex-Deals. Jetzt ging es nicht um moralische Fragen, sondern um ein juristisches Urteil, in dem der 72-Jährige neben der Haftstrafe auch zur Rückzahlung von mehr als 13 Millionen Euro verurteilt wurde. Ob er gegen das Urteil vorgehen will, hat er noch nicht entschieden. Die Staatsanwaltschaft schätzt den Schaden für die Staatskasse allerdings auf mehr als 270 Millionen Euro.
Cum-Ex-Betrüger: Sie hielten sich für Genies
„Stellen Sie sich ein 38-Stockwerke hohes Haus in Frankfurt vor. Wenn Sie dann runtergeguckt haben auf die Straße, auf die Taunusanlange, dann haben Sie nur noch ganz kleine Menschen gesehen. Wir haben von da oben aus dem Fenster geguckt und haben gedacht: Wir sind die Schlausten. Wir sind die Genies. Und ihr seid alle doof.“ Das sagte einer der engsten Mitarbeiters Bergers und jetzt Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, 2018 gegenüber CORRECTIV und dem ARD-Magazin Panorama.
Die CumEx Files-Recherchen mehrerer europäischer Medien, die von CORRECTIV geleitet wurden, enthüllten 2018, dass Bergers Kanzlei die Möglichkeit des Steuerbetrugs auch in anderen Ländern entdeckt hatte. Er und seine Geschäftspartner – darunter Paul Mora, gegen den ein internationaler Haftbefehl vorliegt – begannen, groß zu denken und die Staatskassen europaweit zu plündern. Steuerexperten der Kanzlei hätten herausgefunden, dass man solche Strukturen in der Schweiz und Österreich aufbauen könne. Desweiteren sei es sehr wahrscheinlich möglich, den Betrug auch in Finnland, Spanien und Frankreich zu begehen.
Berger schimpfte über „Schweinerichter“
In von der Staatsanwaltschaft abgehörten Telefonaten schimpft Berger über „Schweinerichter“, nennt den Staat „totalitär“ und „links-faschistoid“. Er hielt sich für ein Opfer. Tatsächlich hatte Berger damals die Staatsanwälte mit Strafanzeigen überzogen, wegen Verfolgung Unschuldiger. Seine Anwälte haben im Prozess immerhin ein Fehlverhalten Bergers eingeräumt, aber das Ausmaß sei nicht so groß wie behauptet.
Roland Zickler, der Vorsitzende Richter des Bonner Landgerichts, bewertete schon 2019 die Cum-Ex-Geschäfte als strafbar. Eine Einschätzung, die zwei Jahre später vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt wurde.
Die Richter entschieden damals über die Berufung zweier britischer Aktienhändler und der M.M. Warburg Bank. Das Urteil war klar: Die gezielten Cum-Ex-Deals seien nicht „das bloße Ausnutzen einer Gesetzeslücke, weil die gesetzliche Regelung eindeutig war. Es ging vielmehr, übrigens nicht anders als bei dem normalen Umsatzsteuerbetrug, um einen glatten Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler normalerweise einzahlen“, sagte der Richter Rolf Raum.
2021 konnten internationale Medien unter Leitung von CORRECTIV zeigen, dass der Cum-Ex-Betrug auch weltweit begangen wurde. Schätzungen gehen von einem Schaden über insgesamt 150 Milliarden Euro aus. In einem Interview mit dem ARD-Magazin Panorama im Oktober 2021 berichtete die leitende Staatsanwältin Anne Brorhilker, dass der Fall rein zufällig auf ihrem Schreibtisch gelandet sei, sie aber bereit sei, bis zu ihrer Pensionierung an dem Thema weiterzuarbeiten, wenn man es ihr erlaube. Gegen rund 1.000 Personen wird ermittelt, sie hätte damit genug zu tun. Für die anstehenden CumEx-Prozesse wird zurzeit sogar ein neues Gebäude errichtet. Es soll 2024 fertig sein.
Hanno Berger muss sich wegen seiner Beteiligung an dem Cum-Ex-Steuerraub auch in Wiesbaden vor Gericht verantworten. Ihm drohen damit weitere Strafen.
Hinweis: In einer früheren Version stand, dass Hanno Berger als Steuerfahnder gearbeitet habe. Er war tatsächlich Steuer-Beamter.