Flucht & Migration

Raus aus der Illegalität

Seit über einem Jahr recherchiere ich, wie Menschen ohne Papiere in Deutschland leben. Ich habe mich oft gefragt: Was könnte der Staat besser machen? Vor allem eines: Hat jemand einen Job, sollte ihm der Staat eine Chance geben – und eine Aufenthaltsgenehmigung.

von Benedict Wermter

© Carl Gierstorfer

Bei meinen Recherchen in der Dortmunder Nordstadt sind mir Mütter aufgefallen. Eine von ihnen lief mit vier Kindern durch die Straßen. Die jüngsten beiden, vielleicht drei und fünf Jahre alt, waren dunkelhäutig. Ihre beiden ältesten Töchter – 18 und 19 Jahre alt – schoben Kinderwägen vor sich her, in denen ebenfalls je ein dunkelhäutiges Baby saß.

Gut möglich, dass sie alle sich in Afrikaner verliebt haben, dass es wahre Liebe oder Liebe aus Gelegenheit ist. Denkbar aber auch, dass andere Motive eine Rolle gespielt haben. Um Schwangerschaften herum, genau wie um Eheschließungen, sind Märkte entstanden.

Der dunkelhäutige Annan* zum Beispiel kam mit einem Visum aus Ghana und lebte vier Jahre lang ohne Papiere in Deutschland. Er lieh sich offizielle Dokumenten von Landsleuten gegen Geld aus und fand über Zeitarbeitsfirmen Jobs.

Dann bekam er mit einer legal in Deutschland lebenden Afrikanerin ein Kind. Sie bestätigte die Vaterschaft beim Standesamt. Annan konnte auftauchen, Jugendamt sticht Ausländerbehörde. Jetzt wird er geduldet und kann nicht mehr abgeschoben werden.

Er sagt, die Vaterschaft sei nicht vermittelt, das Kind nicht von einem anderen, sondern es sei „gottgewollt“. Überprüfen kann das niemand. Das Jugendamt darf keinen Vaterschaftstest veranlassen.

Es soll Männer ohne Papiere geben, die viel Geld für eine Vaterschaft zahlen. Dafür, dass sie der leibliche Vater eines Kinder werden, oder dass eine Mutter ihre Vaterschaft bestätigt. Man spricht von Summen um die 4000 Euro.

Oft handelt es sich dabei um Männer, die seit Jahren ohne Papiere hier sind. Sie haben einen Job. Sie sind in der Lage, sich ohne Hilfe in unserem Land durchzuschlagen. Etliche von ihnen sprechen Deutsch. Und doch werden sie zu solch krummen Touren quasi gezwungen. Muss das sein?

Ich finde: Menschen, denen es aus eigener Kraft gelungen ist, in Deutschland Fuß zu fassen, die Deutsch sprechen, fleißig und zuverlässig arbeiten, sollten gültige Papiere bekommen. 

Das hätte viele Vorteile. Es würde unserer Wirtschaft junge, motivierte Arbeitnehmer zuführen. Leute, die anpacken wollen, die Jobs machen, die andere nicht gern machen, sei es als Pflegehelferin oder als Lagerist. Es brächte dem Staat Steuereinnahmen. Es würde Ausbeutung, Schwarz- und Scheinarbeit reduzieren.

Schon heute kann ein Einkommen in der „aufenthaltsrechtlichen Illegalität“ in die Legalität führen – bei der Härtefallkommission der Länder. Hier zählt, ob jemand gut integriert ist, Deutsch kann und Geld verdient. Dann kann eine Jury die Innenminister bitten, seinen oder ihren Aufenthalt zu erlauben.

Kritiker könnten einwenden: Wir brauchen aber Platz auf dem Arbeitsmarkt für Schutzbedürftige. Für Verfolgte und für vom Krieg Vertriebene – nicht für so genannte Wirtschaftsflüchtlinge. Oder die Kritiker könnten einwenden: Schafft man Schlupflöcher für eine nachträgliche Legalisierung, schafft man auch wieder Gründe, dass Menschen überhaupt erst illegal nach Deutschland kommen wollen.

Aber: Heimliche Einwanderer werden nach Deutschland kommen. So oder so. Und wenn sie einmal da sind, und wenn sie ohnehin arbeiten, verdienen sie eine Chance. Andernfalls zwingen wir sie zu Scheinehen. Zu Vaterschaften gegen Geld. Zu krummen Touren.

Der Staat sollte ihnen gegenüber großzügiger sein. Und weniger großzügig gegenüber jenen Menschen ohne Papiere, die alle Chancen verspielt haben. Die nicht arbeiten gehen. Die straffällig werden.

Bislang werden sie alle gleich behandelt. Die Fleißigen und die Faulen, die Ehrlichen und die Unerhrlichen ohne Papiere. Das ist nicht fair.

*Name geändert