Fußballdoping

„Aufputschmittel sind weit verbreitet“

Bis zu 20 Prozent der Besucher von Fitnessstudios dopen. Wie gelangt das Doping in den Fußball? Interview mit Mischa Kläber von der TU Darmstadt.

von Daniel Drepper

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Bis zu 20 Prozent der Besucher von Fitnessstudios dopen. Wie gelangt das Doping in den Fußball?
Mischa Kläber:
Die Schnittmenge zwischen Studiobesuchern und aktiven Fußballer ist relativ hoch. Viele Sportler in Fitnessstudios machen Krafttraining, um ihren Körper für ihre eigentliche Sportart zu optimieren. Fußballer besuchen Fitnessstudios zum Beispiel in der Winterpause und es gibt häufig Kooperationen zwischen Fußballvereinen und Studios. Da wird dann einmal pro Woche im Mannschaftskollektiv das Studio besucht.

Wie hoch ist dieser Doping-Austausch bei Fußballern?
Kläber:
Weil es so viele Fußballer gibt und durch die häufigen Kooperationsverträge sind Fußballer diejenigen, die am häufigsten in den Studios anzutreffen sind – neben Radsportlern und Schwimmern. Die Ausstrahlungseffekte von den Doping-Netzwerken in den Studios auf den Fußball sind mit am größten.

Dopende Amateufußballer sind also oft Fitnessstudio-Besucher?
Kläber:
Nicht nur. User in Studios finanzieren ihren eigenen Konsum häufig durch den Verkauf von Präparaten und meine Befragten haben erzählt, dass hier auch Fußballer Kunden sind. Die kaufen in größerem Umfang insbesondere das Aufputschmittel Ephedrin, was dann wiederum an Mitspieler weitergegeben wird. Ephedrin und verschreibungspflichtige Schmerzmittel sind zumindest in den niedrigeren Klassen sehr weit verbreitet. Dazu gibt es immer wieder Trainer, die sich in Fitnessstudios nach Nahrungsergänzungsmittel erkundigen. Hier wird oft Kreatin genutzt. Das steht nicht auf der Dopingliste, aber es gab Diskussionen, es auf die Liste zu setzen. Kreatin nimmt man als Kur ein, man hat einen Einnahmezyklus von acht bis zwölf Wochen; im Prinzip setzt sich hier schon eine Dopingmentalität durch, die sogenannte Kurenlogik. Der nächste Schritt sind dann verschreibungspflichtige Medikamente. Das stößt eine Dynamik an: Doping führt zu Doping, das dann wiederum zu Doping führt.

Wie viele dopende Hobbyfußballer konnten Sie denn befragen?
Kläber:
Insgesamt vier haben nebenbei Fußball gespielt. Drei in der Kreisliga, einer in der Bezirksoberliga. Und alle vier Athleten haben gesagt, dass sie das Doping-Knowhow aus dem Fitnessstudio in die Fußballvereine getragen haben. Am Anfang lief das in kleinerem Stil: Man hat einem Kumpel gesagt, er solle vor dem Spiel doch auch mal Ephedrin probieren. Das hatte so eine überzeugende Wirkung, dass es regelmäßig eingesetzt wurde.

Sind die Fitnessstudiobesucher als Dealer aufgetreten?
Kläber:
Beim Doping wird das Knowhow oft kollegial weitergegeben. Es bildet sich ein kleiner Geheimbund von zwei, drei, vier Personen, die in der Regel auch anderen Mitteln wie Betäubungsmitteln recht offen gegenüber stehen. Die konsumieren dann die Dopingmittel. Ein systematisches Doping in den Amateurvereinen ist mir wie grad beschrieben nur von einem einzigen Fall bekannt.

War das Aufputschmittel Ephedrin die einzige Substanz?
Kläber:
Nein, ein Proband hat erzählt, dass mehrere seiner Fußballkollegen auch mal Speed oder Kokain nehmen, um aggressiver und ausdauernder zu spielen. Es gibt also eine ganze Palette von Substanzen zur Leistungssteigerung im Fußball. Mir wurde auch erzählt, dass klassische Amphetamin-Präparate im Fußball verwendet werden, also härtere Aufputschmittel.

Gab es auch Athleten, die Steroide genommen haben?
Kläber:
Ein Beispiel war dabei: Der hatte einen Kreuzbandriss und kannte sich mit Steroiden aus und hat dann seinen Genesungsprozess nach der Operation durch eigenständige Gabe von Nandrolon verbessert, ohne ärztliche Betreuung. Er stand einige Monate früher wieder auf dem Platz, als es sein behandelnder Arzt prognostiziert hat. Sein Arzt war absolut überrascht und der Fußballer feiert das in seinem Freundeskreis als Erfolg.

Können Sie sagen, wie verbreitet Doping im Amateurfußball ist? Oder haben sie ausgerechnet die vier einzigen dopenden Hobbykicker Deutschlands befragt?
Kläber:
Letztendlich ist das Spekulation. Natürlich könnten Probanden, die in Verein und Fitnessstudio unterwegs sind, eher offen für leistungssteigernde Substanzen sein. Man kann das nicht pauschalisieren. Allerdings ist es naiv, Doping im Fußball zu leugnen. Meine Probanden geben in der Regel an, dass es flächendeckend zum Einsatz kommt. Allerdings entwickeln die meisten Dopingkonsumenten eine leicht verschobene Wahrnehmung. Die befragten Konsumenten empfinden das als ganz normal; Koffein, Schmerzmittel und Ephedrin gehört genauso dazu wie das Bier in geselliger Runde nach dem Spiel.

Nehmen sich Hobbykicker ein Vorbild an Maradona, an Juventus Turin, an dopenden Profis?
Kläber:
Die Dopingfälle haben natürlich eine negative Vorbildfunktion. Viele Sportler gehen heute sowieso davon aus, dass im Hochleistungssport flächendeckend gedopt wird. Auch durch die umfassende und harte mediale Berichterstattung. Man ist dadurch eher bereit, Präparate selbst mal auszuprobieren. Es machen eh viele, es scheint zu wirken und es scheint nicht so gefährlich zu sein – sonst müssten die Spitzensportler ja sterben wie die Mücken.

Also fördert unser Gespräch hier im Moment Doping im Amateurfußball.
Kläber:
Gut gemeinte Aktionen provozieren oft ungewollte Effekte. Das Gleiche gilt für Aufklärungsliteratur. Wenn man Dopingkuren preisgibt, die verstorbene Profi-Bodybuilder genutzt haben, hat das natürlich den Effekt, dass der Freizeit-Bodybuilder denkt: Na gut, dann ist ja das bisschen Anabolika, das ich nehme, überhaupt kein Problem. So kann eine sehr kritische Dopingberichterstattung durchaus auch nach hinten losgehen.

Mischa Kläber (35) arbeitet am Institut für Sportwissenschaft der TU Darmstadt im Arbeitsbereich Sportsoziologie. Sein Doktorarbeit „Doping in Fitnessstudios“ ist auch als Buch erschienen.