Alle drei Jahre eine Kontrolle
Auch im Training nur alle drei Jahre
„Ich sage mit Überzeugung, dass im Fußball nicht gedopt wird“, sagte mir Jürgen Klopp Anfang 2009 im Interview. Das ist natürlich Quatsch. Skandale wie das Teamdoping bei Juventus Turin oder die Aussagen des Dopingarztes Eufemiano Fuentes zu seinen Engagements in Spanien widerlegen Klopp.
Warum Doping auch im Fußball Sinn ergibt, ist einleuchtend: Dopen sich Fußballer mit EPO, steigt die Ausdauer um bis zu 15 Prozent. Umgerechnet ist das nicht weniger, als wenn ein Feldspieler mehr auf dem Platz steht. „Das heißt, da spielen jetzt auf einmal zwölf gegen elf“, sagte der Dopingexperte Perikles Simon in einem Radiofeature der ARD. Für Fußballer kommt die gesamte Palette an Dopingmitteln in Frage, sagte Simon mir. Von Steroiden über Blutdoping und Wachstumshormon bis hin zu Aufputschmitteln. Ein guter Grund, sich die Kontrollen in der Bundesliga genauer anzusehen.
Der Deutsche Fußballbund kontrolliert seine Spieler direkt nach den Spielen. In der Saison 2010/2011 gab es 1659 Urinkontrollen. Eine große Zahl. Doch der Kreis der Getesteten ist ebenfalls sehr groß. Der DFB testet in der ersten, zweiten, dritten Bundesliga, in allen drei Regionalligen, in der Frauen-Bundesliga, in sechs Junioren-Bundesligen (je drei bei A- und B-Jugend) und im DFB-Pokal – insgesamt in 13 Spielklassen etwa 5000 Spieler. Im Schnitt wird jeder Fußballer alle drei Jahre nach einem Spiel getestet. Wobei beim DFB gilt: Je stärker die Liga, desto mehr Kontrollen.
Auch im Training nur alle drei Jahre
Weil viele Dopingmittel am besten in der Trainingsphase wirken, sind unangekündigte Kontrollen im Training und im Trainingslager effektiver. Diese Kontrollen übernimmt die Nationale-Anti-Doping-Agentur (NADA) für den DFB. 121 Mal hat sie die 50 Männer- und Frauennationalspieler in der Saison 2010/2011 kontrolliert. Gut zwei Mal pro Spieler. Die etwa 1150 übrigen Spieler der ersten beiden Bundesligen bekamen im Training 379 Mal von der NADA Besuch. Jeder dieser Profis wird also auch im Training durchschnittlich nur alle drei Jahre kontrolliert. Für Profis unterhalb der zweiten Liga gibt es überhaupt keine Trainingskontrollen.
Für die aktuelle Saison 2011/2012 hatte der DFB vor wenigen Tagen auf Nachfrage noch keine aktuellen Zahlen, bestätigte jedoch, dass sich an Zahl und Durchführung der Kontrollen nicht viel getan habe.
Kader-Athleten in der Leichtathletik, beim Rudern oder im Kanu-Verband müssen persönlich bei der NADA melden, wo sie sich jeden Tag befinden. Allein bei den Leichtathleten betrifft diese strenge Meldepflicht mehr als 500 Athleten. Im Fußball machen das nur die 50 Nationalspieler. Alle anderen Spieler haben keine persönlichen Meldepflichten. Für sie gibt lediglich ein Betreuer, häufig der Vereinsarzt, jede Woche die offiziellen Trainings- oder Reha-Zeiten durch. Das nennt sich Mannschafts-Whereabouts.
Kontrollen nur im Mannschaftstraining
Kommt ein Athlet nicht zum Training, muss er Bescheid sagen, wo er in der Zeit stattdessen unterwegs ist. Außerhalb dieser festen Termine werden die Profis mit Ausnahme der Nationalspieler nicht behelligt. Die viel zitierte Einstundenregel, bei der aus NADA-Sicht besonders gefährdete Sportler eine Stunde am Tag auf Abruf für Kontrollen bereit stehen müssen, muss in Deutschland kein einziger Fußballer erfüllen.
Nationalspieler werden vor großen Turnieren zusätzlich von der FIFA oder jetzt vor der EM der UEFA kontrolliert, allerdings fast ausschließlich im offiziellen Mannschaftstraining (dazu in den kommenden Tagen mehr in diesem Blog). Außerdem testet die UEFA bei international spielenden Vereinen hin und wieder im Training sowie nach den internationalen Spielen.
Wie sieht es mit den Kontrollen in der Praxis aus? Eine Nachfrage bei den Bundesligisten ergibt, dass beispielsweise die Spieler in Schalke und Nürnberg ungefähr nach jedem zweiten Spiel vom DFB getestet wurden. Trainingskontrollen gab es nach Angaben der Vereine seit dem Sommer auf Schalke drei und in Nürnberg sieben.
Besonders rar scheinen Kontrollen in der Vorbereitung zu sein. Sowohl Schalke als auch Nürnberg und Kaiserslautern teilen mit, in den vergangenen Jahren kein einziges Mal in einem Trainingslager kontrolliert worden zu sein.
Obwohl im Trainingslager die Grundlagen für die Saison gelegt werden und Doping besonders in Sommer- und Winterpause Sinn ergeben würde, offenbaren sich dort die größten Lücken. Findet kein Mannschaftstraining statt, gibt es für Nicht-Nationalspieler auch daheim in Deutschland keinerlei Kontrollen. Wer sich individuell fit machen will, dem sind keine Grenzen gesetzt. Wer passend dosiert am Abend dopt, ist bis zum nächsten Training wieder sauber.
Kein einziger Bluttest
Hinzu kommt: DFB- und NADA nehmen ausschließlich Urinkontrollen, aber keinen einzigen Bluttest. Das heißt: Mittel wie Wachstumshormon können überhaupt nicht nachgewiesen werden. Wachstumshormon ist angeblich schon seit Ende der Achtziger Jahre im deutschen Sport verbreitet. Athleten berichten, das Hormon lasse Fett schmelzen wie Butter in der Sonne und sei gut für den Muskelaufbau. Bundesliga-Fußballer können sich ohne Gefahr mit Wachstumshormon dopen.
Quasi ungestört können Fußballer auch ihre Ausdauer manipulieren. Nicht entdeckt wird Blutdoping mit Eigen- oder Fremdblut. Mehrere Berichte legen nahe, dass es das im Fußball schon gegeben hat. Auch einige Formen des Blutdopingmittels EPO sind ohne Blutproben nicht nachweisbar, zum Beispiel das von der Tour de France bekannte CERA. Ebenfalls unentdeckt bleiben würde im Fußball der Einsatz von künstlichen Sauerstoffträgern, HBOC genannt.
Bleiben die Urinkontrollen. Der DFB teilt mit, die Wettkampfkontrollen würden auf alle Substanzen untersucht, die im Urin nachweisbar sind; relativ viele auch auf bestimmte Formen von EPO. Vor einigen Jahren wurden etwa ein Zehntel der Kontrollen auf EPO getestet. Eine detaillierte Liste der heute getesteten Substanzen wollten weder DFB noch NADA veröffentlichen. Trotz der vermeintlich vielen Test: Intelligente Fußballer könnten in der Bundesliga spritzen und schlucken, ohne eine positive Probe fürchten zu müssen.
Ralf Köttker, Pressesprecher des DFB, sieht das anders. Er teilt auf Anfrage mit: „Angesichts des sportartspezifischen Gefahrenpotenzials scheint die aktuelle (Doping-)Regelung angemessen.“