Fußballdoping

Warum dopen Fußballer?

Was bringt einen Fußballer zum Dopen, Antje Dresen?

von Daniel Drepper

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Was bringt einen Fußballer zum Dopen?
Antje Dresen:
Ein Profi-Fußballer ist immer in ein Netzwerk siegesorientierter Akteure eingebunden. Also: Trainer, Physiotherapeut, Manager; da steht eine riesige medial-industrielle Arena hinter. Der Fußball ist hochkommerzialisiert und ein Profi ist von diesen Strukturen existenziell abhängig. Das Umfeld hat ein extremes Anspruchsniveau, es geht um permanente Leistungssteigerung. Sie wissen ja: Das nächste Spiel ist immer das wichtigste. Auf der anderen Seite sind die natürlichen Ressourcen beschränkt. Um diese Kluft zu verringern, kann Doping eine Möglichkeit sein. Doping ist eine Art Mehrzweckwaffe, um die sehr, sehr großen Druckverhältnisse auszuschalten. Im Fußball stehen so viele Emotionen dahinter, dazu die politischen, wirtschaftlichen und medialen Interessen.

Die Soziologie spricht von der „biographischen Falle“, die einen Sportler zum Doper macht. Können Sie das erklären?
Dresen:
Doping ist keine plötzliche Entscheidung. Wir Soziologen gucken uns an: Wo wird ein Pfad gelegt, der Doping wahrscheinlich macht. Dieser Weg in die Dopingfalle wird relativ früh gelegt. Ein Jugendlicher entscheidet sich für eine Sportart, dann rekrutiert sich dort der Freundeskreis und wenn sportlicher Erfolg kommt, motiviert das, diesen Weg weiterzugehen. Eine entscheidende Schnittstelle: Gehe ich in den Profisport und kann ich mich damit auch finanziell über Wasser halten – oder kümmere ich mich um Ausbildung und Studium? In der Dopingfalle sitzt der Fußballer, wenn er sich ausschließlich auf den Sport konzentriert. Ein Sportler ist mit 35, maximal 40 Jahren am Ende seiner Karriere. Diese Abhängigkeit vom eigenen Körper spielt eine ganz, ganz große Rolle. Verletzungen, die hohe Trainings- und Wettkampfdichte. Das ist eine Drohkulisse für den Fußballer.

Auch weil Fußballer in einer Mannschaft untereinander Konkurrenten sind.
Dresen:
Genau. Deshalb muss man schauen, dass man nicht zum Bankspieler wird. Das erhöht den Druck zusätzlich.

Können Fußballer neben der Karriere überhaupt eine Ausbildung machen oder ein Studium?
Dresen:
Ein Abitur oder zumindest eine abgeschlossene Schulausbildung haben relativ viele Fußballer. Parallel eine Berufsausbildung zu machen, ist im Fußball schwierig. Ob Spitzensportler nebenher eine Ausbildung vorantreiben, hängt auch von den Verdienstmöglichkeiten ab. Im Frauenfußball gibt es mehr Spielerinnen, die eine Ausbildung haben oder parallel studieren. Wenn sich jemand ausschließlich auf den Spitzensport konzentriert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Doping das einzige Mittel ist, um mit dem Leistungsdruck zu Recht zu kommen.

Im Fußball gibt es immer mehr Statistiken, jeder Spieler ist mit harten Fakten überprüfbar. Fördert das den Dopingdruck?
Dresen:
Davon gehe ich auf jeden Fall aus. Diese Dauerbeobachtung hat die Folge, dass Fehler schneller auffallen. Die Notenrankings, diese Dauerbegutachtung sind ein besonderer Druck, permanent bessere Leistungen zu bringen, als andere. Genau dafür können Dopingmittel zuträglich sein.

Sie haben zur Berichterstattung über Doping geforscht. Warum gibt es über Doping im Fußball so wenig öffentliche Diskussionen?
Dresen:
Weil der Sport die Massen begeistert, ein unglaubliches Prestige hat, die Nation zusammenschweißt, Emotionen weckt. Da hat das Thema Doping wenig Platz. Wenn der Sport regelmäßig in den Dreck gezogen wird, führt das zur Desillusionierung des Publikums. Nach sportlichen Großereignissen ist das Sportpublikum durchschnittlich zufriedener mit der Arbeit der Regierung. Da wirken Sport und Politik ganz stark zusammen. Fußball fördert das nationale Prestige. Hinter dem Fußball steckt ein unheimlich großes, machtpolitisches Potenzial. Frau Merkel lässt sich ja auch gerne auf der VIP-Tribüne ablichten.

Aber einen großen Dopingskandal aufzudecken hat doch großes Prestige für Journalisten. Haben Medien trotzdem kein Interesse an einer harten Berichterstattung zum Doping im Fußball?
Dresen:
Medien sind primär an Aufmerksamkeit interessiert. Dazu bieten sich Dopingfälle an. Die Gefahr: Wenn der Leser oder Zuschauer den Eindruck hat, dieser Sport ist komplett verseucht, dann wendet er sich ab. ARD und ZDF haben während der Fuentes-Affäre 2006 und 2007 sehr dopingzentriert berichtet und hatten sehr starke Quotenverluste. Wenn man Doping partiell einstreut und an Einzelfällen festmacht, eignet sich das sehr gut dazu, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Aber sobald der Sportfan den Eindruck gewinnt, hier sei eine ganze Sportart durchseucht, schaltet er ab.

Sky, ARD, ZDF zahlen hunderte Millionen Euro, um Fußball übertragen zu dürfen. Die haben ein Interesse, den Sport positiv zu präsentieren.
Dresen:
Es kommt natürlich auf das Medium an. Es gibt in den Printmedien Boulevard- und Sensationspresse, die ganz stark moralisiert und Dopingereignisse in Szene setzt. Beim Fußball habe ich eher den Eindruck, dass das Prestige der Sportart so hoch ist, dass auch die Journalisten unter Druck stünden, würden sie zu viel über Doping berichten. Deshalb geht es vor allem darum, eine gute EM zu übertragen, sich auf die Spiele zu konzentrieren, tolle Bilder zu liefern, Emotionen zu schüren. Das Thema Doping wird klein gehalten. Journalisten stehen in Abhängigkeiten, ähnlich wie Sportler.

Also nicht die idealsten Voraussetzungen für die vierte Macht beim Thema Doping im Fußball?
Dresen:
Die Medien haben eigentlich eine große Macht, weil sie die Wirklichkeit produzieren. Der Soziologe Niklas Luhmann hat gesagt: „Dass, was wir über die Welt wissen, wissen wir aus den Massenmedien.“ Die Medien wären theoretisch eine sinnvolle Instanz, um den Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Das Interview ist für die Schriftform etwas gekürzt und sprachlich angepasst worden.

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