Fußballdoping

Die lange Reise der WM-Dopingproben

Die Dopingkontrollen bei Fußball-Weltmeisterschaft sind extrem uneffektiv. Bei den letzten vier Weltmeisterschaften wurde kein einziger Spieler positiv getestet. In Brasilien könnte sich das System noch verschlechtern, sollten die Dopingproben nicht rechtzeitig analysiert werden.

von Jonathan Sachse

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Jeden Abend wird aus Sao Paulo ein Flieger nach Lausanne starten. Die wichtigste Ware an Board: Gekühlte Dopingproben. Mal fliegen die Proben von portugiesischen und deutschen Nationalspielern zusammen. An einem anderen Tag wird Blut und Urin von spanischen und niederländischen Kickern in die Schweiz transportiert. Es sind über 20 lange Reisen, die eine von der FIFA beauftragte Transportfirma durchführen wird.

Die Vorgeschichte: Das brasilianische Labor in Rio de Janeiro hat im letzten Jahr seine WADA-Akkreditierung verloren, nachdem Proben fälschlicherweise positiv analysiert wurden. Die FIFA suchte nach einer Alternative und entschied sich für das weit entfernte, aber wohlvertraute, Labor in Lausanne. Der Fußballweltverband entschied sich gegen nähere WADA-Labore in den USA, Kanada oder anderen südamerikanischen Ländern. Mittlerweile gibt die FIFA zu, dass durch die langen Reisewege ernsthafte logistische Probleme entstehen könnten.

Das Thema hat HR INFO letzte Woche durch eine Presseanfrage bei der FIFA neu aufgegriffen. Darin wiederholte die Fifa ein Problem, welches bereits im April vom Fußballweltverband benannt wurde, als der FIFA-Chefmediziner Michel D’Hooghe in einem Interview mit der Agentur AP zugab: Er sei sich „nicht ganz sicher“, ob die Analyse-Ergebnisse immer rechtzeitig zum nächsten Spiel einer Mannschaft feststehen werden.

Wir haben ebenfalls bei der FIFA nachgefragt. Unter anderem wollten wir wissen, um welche Zeit der fast tägliche „Dopingkontroll-Flieger“ starten soll und wie lange jeder Transport den FIFA-Berechnungen zufolge dauern wird. Diese Details möchte die FIFA nicht bekanntgeben, teilt uns ein Sprecher des Weltverbandes mit. Stattdessen wiederholt er das allgemeingültige Kontrollziel: „Das Labor in Lausanne ist darauf eingestellt 24 Stunden pro Tag zu arbeiten mit dem Ziel, dass die Resultate vor dem nächsten Spiel der entsprechenden Teams bereitstehen.“

Schauen wir uns die Transportroute und die Analyse-Zeit der Proben im Detail an.

Nach dem Spiel werden jeweils zwei Spieler aus jedem Team kontrolliert. Die Abendspiele werden in der Regel zwischen 17-18 Uhr Ortszeit abgepfiffen. Anschließend brauchen die Spieler oftmals eine Weile, bis sie pinkeln können. Parallel wird den Spieler Blut abgenommen. Wenn die FIFA eine zeitliche Reserve aufschlägt, müsste sie mindestens drei bis vier Stunden einplanen, bis die Probe zum Transport verpackt wurde. Die Abfahrt vom Stadion könnte dann erst am späten Abend beginnen.

Der Blick auf die Landkarte zeigt wie sehr die Stadien im Land verteilt sind. Die Proben werden immer von Sao Paulo aus nach Europa geflogen.

WM-Spielorte 2014

In diesen Städten wird die Weltmeisterschaft 2014 ausgetragen. Von dort fliegen die Dopingproben in die Schweiz.

CORRECTIV

Bei den Distanzen und der Infrastruktur in Brasilien darf davon ausgegangen werden, dass die Proben aus den Stadien nach Sao Paulo geflogen werden müssen. Die ungefähre Flugzeit kann in der folgenden Tabelle eingesehen werden.

WM 2014: Transportlängen der Dopingkontrollen von Spielorten in die Schweiz

Stadt Anzahl Spiele Entfernung nach SaoPaulo (km) Reisezeit Auto nach SaoPaulo (h) Reizeit Flug nach SaoPaulo (h)
Sao Paulo 6,0 0,0 0,0 0,0
Natal 4,0 2.885,0 41,0 3,25
Fortaleza 6,0 2.880,0 41,0 3,25
Manaus 4,0 3.850,0 55,0 3,75
Bras’lia 7,0 1.000,0 14,0 1,25
Recife 5,0 2.600,0 37,0 3,25
Salvador 6,0 1.930,0 27,0 2,25
Cuiaba 4,0 1.540,0 21,0 1,75
Porto Alegre 5,0 1.130,0 15,0 1,25
Rio de Janeiro 7,0 430,0 6,0 0,75
Curitiba 4,0 400,0 6,0 0,75
Belo Horizonte 5,0 580,0 8,0 1,0

Eigene Erhebung

Am weitesten ist die Amazonas-Metropole Manaus entfernt – ein Direktflug dauert vier Stunden. Ein Weitertransport mit dem täglichen Transportflug um 22:50 Uhr am gleichen Tag ist dann ausgeschlossen. Die Proben müssen also gelagert und vor Zugriff gesichert werden. Mindestens zwölf Stunden dauert der zweite Flug in die Schweiz.

Im Labor angekommen will die FIFA eine positive Probe in 48 Stunden liefern. Zwischen den WM-Spielen liegen aber oft nur vier Tage. Deshalb ist es extrem unwahrscheinlich, dass eine positive A-Probe vor dem nächsten Spiel veröffentlicht werde. Auch ein Protest im Nachhinein ist dann kaum möglich: Laut FIFA-Regelwerk müssen Proteste schriftlich bis zwei Stunden nach Spielende eingereicht werden, sonst würden sie nicht berücksichtigt.

Neu ist bei dieser Weltmeisterschaft, dass alle gesammelten Dopingproben in den Biologischen Pass der FIFA einfließen. Der Pass ist ein positive Entwicklung, die aber im gegenwärtigen Zustand noch kaum Aussagekraft hat (siehe alter Blogeintrag). Im Zusammenhang mit den logistischen Schwierigkeiten bei der kommenden Weltmeisterschaft, wäre es eine Überraschung, wenn in diesem Jahr ein WM-Spieler positiv getestet werden sollte.

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