Politik spricht über strengeres Gesetz zum Infektionsschutz
Politiker von SPD und CDU wollen offenbar gefährliche Keiminfektionen in Krankenhäusern durch bessere Hygiene und strengere Vorschriften bekämpfen. Das plant zumindest der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach – und sein Gegenpart von der Union, Jens Spahn, stimmt ihm nun zu. Das Ziel: ein verschärftes Infektionsschutzgesetz.
Die Recherchen von CORRECTIV, Funke-Mediengruppe, ZEIT und ZEITonline stoßen auf erste Reaktionen aus der Gesundheitspolitik. Gesundheitsexperte Lauterbach sagt dem WAZ-Reporter Klaus Brandt in einem Interview, in deutschen Kliniken sehe er „ein riesiges Problem bei der Hygiene“. Lauterbach will bei einer anstehenden Novelle des Infektionsschutzgesetzes voll durchgreifen.
SPD: „Größter Teil auf Hygiene-Fehler zurückzuführen“
„Der größte Teil der vermeidbaren Todesfälle und auch der größte Teil der vermeidbaren schweren Komplikationen dort ist auf Hygienefehler zurückzuführen“, sagte der SPD-Bundestagsfraktionsvize. Infektionsrisiken würden unterschätzt und beschönigt. Statt einer „Kultur der Keimvermeidung“ herrsche „eine Kultur des Verharmlosens, des Vertuschens und des Ignorierens – und daran sind schon viele Patienten gestorben“, so Lauterbach im Interview mit der WAZ.
Die Politik müsse jetzt eingreifen, „verbindliche Vorgaben machen und diese auch unabhängig überprüfen“. Lauterbachs Forderungen: mehr Hygieneärzte, mehr Pflegepersonal, strengere Kontrollen der Hygienestandards und Strafen bei Fälschungen von Dokumenten.
CDU: Infektionsschutz braucht „politischen Druck“
„Was davon auf Bundesebene machbar ist, unterstützen wir“, sagte gestern Jens Spahn, Chef der Arbeitsgruppe Gesundheit in der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion. Infektionsschutz brauche offenbar „politischen Druck“.
Die Hygiene-Praxis in deutschen Kliniken sei „weit von dem entfernt, was Sicherheit gewährleisten würde“, sagt Lauterbach. Deutschland könne „im internationalen Vergleich nicht mithalten“.
Einige „Funktionäre der Ärzteschaft“ würden „das Problem verharmlosen statt es ehrlich darzustellen“, kritisiert der SPD-Gesundheitsexperte. Die Politik müsse vorgeben, dass jedes größere Krankenhaus einen verantwortlichen Hygienearzt einzustellen habe. „Die können die Schwachpunkte der eigenen Klinik genau analysieren.“ Verantwortlich für die Übertragung gefährlicher Keime von Patient zu Patient sei „sehr häufig das Personal“.
Endlich Transparenz bei Infektionsraten der Kliniken?
Auch sollen die Verhältnisse in deutschen Kliniken transparenter werden. Die Qualitätsdaten der deutschen Krankenhäuser sollen bald im Internet veröffentlicht werden. Auf diese Weise könnten Patienten vor einer Operation erfahren, wie es um Infektionsraten und Komplikationen in einzelnen Häusern stehe. „Wirtschaftliche Interessen“ dürften nicht länger über dem Patientenwohl stehen, sagt Lauterbach.
Das komplette Interview mit Karl Lauterbach findet Ihr online bei DerWesten.
Wir freuen uns natürlich über die prompte Reaktion aus der Politik. Diese dürfte zum Teil auch mit unserer Berichterstattung zusammenhängen. Am vergangenen Donnerstag hatten die ZEIT, ZEITonline, die Funke-Mediengruppe und CORRECTIV über die hohe Verbreitung multiresistenter Keime, über mangelnde Hygiene in Krankenhäusern und zu viel Antibiotika in Human- und Tiermedizin berichtet. Zusätzlich hatte etwa zwei Dutzend Regionalzeitungen eigene Berichte über die lokale Situation vor Ort produziert. Bislang erwähnten laut Google News mehr als 150 Webseiten unsere Recherche.
Alles zu unserer gemeinsamen Recherche findet Ihr unter mrsa.correctiv.org.
In den kommenden Tagen geht es hier im Blog und auf den Themenseiten der Kollegen von DerWesten und ZEITonline weiter.
Falls Ihr selbst Erfahrungen mit Keimen oder mangelnder Hygiene im Krankenhaus gemacht hat, füllt unseren Fragebogen aus – den schon mehrere hundert Menschen ausgefüllt haben – und diskutiert mit in unserer Facebook-Gruppe.
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