Gefährliche Keime

Kurze Ärmel gegen Keime

Öffentlichkeitswirksam haben die Asklepios-Kliniken in diesen Tagen den langärmeligen Ärztekittel eingemottet. Weil dadurch weniger Keime übertragen würden. Experten sind skeptisch, ob das etwas bringt

von Hristio Boytchev

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Unter großem Medienecho hat der Klinikbetreiber Asklepios angekündigt, dass man sich vom klassischen Ärztekittel verabschieden will – künftig würden die hauseigenen Ärzte in kurzen Ärmeln ihre Arbeit verrichten. Weil sich Krankheitserreger auf der Kleidung des medizinischen Personals einnisten und so von Patient zu Patient springen können. 

Asklepios zitiert Empfehlungen des Robert Koch Instituts (RKI) und der WHO zu kurzärmeliger Kleidung. Angenehme Nebenwirkung: Man werde jährlich mehrere Millionen einsparen, kurzärmelige Kittel sind einige Euro billiger.

Vorteile allerorten. Warum ist man dann nicht viel eher auf diese Idee gekommen, in viel mehr Krankenhäusern?

Weil Ärzte an ihren langärmeligen Kitteln hängen. Sie sind eine Konvention. Es ist ihre Uniform, sie verleiht ihnen Sicherheit und Autorität. Und weil die Sache mit den Keimen viel weniger klar ist, als es zunächst den Anschein hat. 

Das sagt etwa Petra Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner Charité. Sie verweist auf eine Studie von 2010. Darin gehen die Wissenschaftler davon aus, dass kurze Ärmel keine nachgewiesenen Vorteile für die Hygiene brächten. Zudem würden deren Träger von Patienten als weniger professionell eingeschätzt – und als weniger hygienisch, im Sinne von: geschützt gegen Keime. Auch das Robert Koch Institut sagt auf Nachfrage, dass es keine entsprechende Empfehlung für kurze Ärmel ausgesprochen hat. 

„Die deutschen Krankenhäuser würden gut daran tun, zunächst Maßnahmen durchzusetzen, deren Wirksamkeit gut bewiesen ist“, sagt Gastmeier. Kurzärmelige Ärztebekleidung gehöre nicht dazu. „Ich bin nicht dagegen“, schließt die Hygienikerin, „aber ich bin gegen den Hype“.


Nachtrag 4. Februar 2016, 11 Uhr

Im Wortlaut heißt es in der Pressemeldung von Asklepios, der Anlass für die Entscheidung sei „eine Empfehlung von Experten des Robert-Koch-Instituts“. Asklepios zitiert auf Anfrage Arne Simon, Vorsitzender der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI. Darauf das RKI: Simon habe sich „in einzelnen Medien positiv zum Kurzkittel geäußert, als Professor der Universität Homburg“.

Asklepios verweist zudem auf eine Mitteilung des RKI. Dort heißt es aber, die vorliegenden Daten seien „nicht ausreichend für eine Empfehlung“ kurzer Ärmel.

Nachtrag 4. Februar 2016, 16 Uhr

Die dpa hat eine nachträgliche Berichtigung verteilt. Die Stelle, in der von einer RKI-Empfehlung gesprochen wird, sei zu streichen. Ursprünglich hatte die dpa geschrieben: „Der Konzern folge damit Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und der Weltgesundheitsorganisation (WHO)“.