Intransparente Resistenz
Italien hat ein ernstes Problem mit Antibiotikaverbrauch und resistenten Keimen. Doch die Behörden weigern sich, das Problem zu beleuchten.
In Italien sind multiresistente Erreger auf dem Vormarsch. Das berichtet das European Center for Disease Prevention and Control, das Daten aus Europas Krankenhäusern sammelt und vergleicht. Danach gehört Italien zu den Spitzenreitern in der Statistik. Zum Beispiel ist etwa jeder zweite getestete Darm-Keim E. coli unempfindlich gegen das wichtige Mittel Fluoroquinolon – europaweiter Negativrekord. Insgesamt gehört das Land zu den Spitzenreitern in der Statistik.
Auch beim Verbrauch liegt das Land nach einer Studie von 2013 vorn: Ein Patient in Italien nimmt im Schnitt etwa 50 Prozent mehr Antibiotika als ein EU-Durschnittsbürger – hinter Frankreich der zweithöchste Wert. Ähnlich ist die Situation in der Tiermast: Pro Kilo Fleisch werden hier doppelt so viel Antibiotika eingesetzt wie im Schnitt – nur in Zypern sind es noch mehr.
Warum werden gerade in Italien so viele Antibiotika geschluckt und damit resistente Erreger gezüchtet? Ein Grund ist, dass das Gesundheitssystem des Landes stark regionalisiert ist. In der Gesundheitspolitik können die 21 Provinzen Italiens viele Dinge selbst entscheiden. Das erschwert koordinierte Aktionen gegen Antibiotikaresistenzen.
Und: Es fehlen verlässliche Daten, um die Lage auszuwerten. Selbst für Wissenschaftler sind sie unzugänglich. Etwa 50 Krankenhäuser melden Vorkommen von resistenten Erregern an das National Institute of Health und an das Gesundheitsministerium. Theoretisch sind diese Daten auch für Journalisten und die Öffentlichkeit im allgemeinen zugänglich. In der Praxis rücken die Behörden allerdings so gut wie nie Statistiken heraus.
In Italien haben Bürger keine weitgehenden Auskunftsrechte, anders als in den USA, Großbritannien oder auch Deutschland. Selbst Open-Data-Aktivisten, die systematisch Anfragen an den Staat stellen, berichten, dass nur jede Dritte innerhalb der vorgeschriebenen Frist von 30 Tagen beantwortet wird. Das administrative Schweigen umfasst Behörden aller Ebenen und wird rechtlich nicht geahndet.
Im September 2015 hat CORRECTIV eine Anfrage an das italienische Gesundheitsministerium geschickt. Wir fragten, wie die Behörde resistente Krankheitserreger erfasst, wie viele Infektionen mit diesen sie in den letzten Jahren registriert hat, wie viele Todesfälle es gab, und so weiter.
Trotz wiederholter Nachfragen und Anrufe haben wir auch sechs Monate später immer noch keine Antwort erhalten.