Schweigedeal der Leag: Opposition erwägt Untersuchungsausschuss
Der CDUler und Klimaexperte Heinrich Strößenreuther sieht in der Vereinbarung des Kohlekonzerns Leag mit der Stadt Frankfurt (Oder) und der städtischen Wassergesellschaft FWA ein „vorsätzliches Handeln gegen gesundes Wasser“. Landesbehörden seien verantwortlich. Die Freien Wähler in Brandenburg wollen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses prüfen.
Der Gründer der Klimaunion der CDU, Heinrich Strößenreuther, zeigt sich „entsetzt“ über die Ergebnisse der CORRECTIV-Recherche. „Bei dieser Vereinbarung scheint mit krimineller Energie gegen die Interessen eines ganzen Landstrichs gehandelt worden zu sein“, so Strößenreuther.
Tatsächlich erhielt die Stadt Frankfurt (Oder) sowie deren städtische Wassergesellschaft FWA im vergangenen Februar fünf Millionen Euro von der Leag für die Aufrüstung des Wasserwerks Müllrose. Teil der Vereinbarung ist eine Schweigeklausel: Demnach dürfen sich die Stadt und ihr Wasserversorger auf unbegrenzte Zeit nicht mehr dazu äußern, wenn Vorhaben der Leag ihre Trinkwasserversorgung erschweren oder gefährden.
Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen und Freie Wähler wollen Untersuchungsausschuss prüfen
Die oppositionelle Fraktion der Vereinigten Bürgerbewegungen und Freien Wähler im Brandenburger Landtag sprechen von einem „Skandal“. Ihr Fraktionsvorsitzender, Péter Vida, sagt gegenüber CORRECTIV: „Sollte die Leag wirklich Millionenbeträge einsetzen, um die vom Bergbau verursachten Probleme der Kommunen und Wasserverbände bei der Trinkwasserversorgung zu verschleiern, müssen wir die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in Erwägung ziehen.“
Die Fraktion – die nicht Teil des Bundesverbandes der Freien Wähler mit ihrem Vorsitzenden Hubert Aiwanger ist – weist zudem darauf hin, dass sie zur Problematik der gefährdeten Trinkwasserversorgung zahlreiche Anträge eingereicht habe, die aber stets von der Landesregierung aus SPD, CDU und Grüne abgelehnt wurden. Auch jetzt wollen sich grüne Landtagsabgeordnete, obwohl sie Teil der historisch kritischsten Partei gegenüber dem klimaschädlichen Bergbau sind, nicht äußern. Sowohl die Wasserexpertin der Partei, Isabell Hiekel, als auch die Grüne Sahra Damus, Mitglied im Aufsichtsrat der Frankfurter Wassergesellschaft FWA, wollen nicht öffentlich zum Schweigedeal der Leag Stellung beziehen.
Landesbergbauamt verstößt mit Flutungsgenehmigung des Cottbuser Ostsees gegen EU-Recht
Laut Christdemokrat Strößenreuther scheint das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg (LBGR) den Wasserverband erst in die Situation gebracht zu haben, sich auf den Schweigedeal einzulassen: „Offenbar wurde wider besseres Wissens und vorsätzlich gegen gesundes Wasser gehandelt. Bei diesem vorsätzlichen Handeln entgegen der Bürgerinteressen und dem Rechtsrahmen stellt sich zunehmend die Frage der individuellen Haftung der Angestellten des Staates bei dem LBGR.“
Das LBGR hatte der Leag 2019 die Flutung der ehemaligen Bergbaugrube Cottbus-Nord genehmigt. Dagegen klagte die Stadt Frankfurt (Oder) gemeinsam mit der städtischen Wassergesellschaft FWA. Bekannt ist die Grube unter dem Namen „Ostsee“, der künftig zum größten künstlichen See Deutschlands werden soll. Die Flutung des Cottbuser Ostsees ist allerdings für die hohen Sulfatwerte in Frankfurt (Oder) verantwortlich.
Laila Medina, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, machte in einer Vorabentscheidung deutlich, dass das LBGR bei der Flutungsgenehmigung des Cottbuser Ostsees die Trinkwasserversorgung Frankfurts nicht zur Genüge berücksichtigt habe. Es verstoße so gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die besagt, dass industrielle Projekte die Trinkwasserqualität nicht verschlechtern dürfen.
Dazu will sich das LBGR auf CORRECTIV-Anfrage nicht äußern. Es schreibt, dieser Vorwurf sei verwaltungsrechtlich nicht geklärt, da die Stadt Frankfurt (Oder) ihre diesbezügliche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zurückgezogen habe. Im Übrigen räumt das Amt ein, dass es sich bei der Genehmigung auf Ausnahmen in der europäischen Richtlinie bezogen habe.
Leag und Frankfurt (Oder) streiten Schweigeklausel ab – Umweltrechtler widersprechen
Als Reaktion auf die CORRECTIV-Recherche zum Schweigedeal haben die Leag und die Oderstadt fehlerhafte Pressemitteilungen veröffentlicht. Darin bestreiten sie, dass es einen Schweigedeal gegeben habe. CORRECTIV hat den Passus drei Juristen zur Einschätzung vorgelegt. Die Experten sind sich einig darin, dass es sich um eine „uneingeschränkte und zeitlich unbegrenzte Verschwiegenheitspflicht“ handelt, wie es Alexander Brade, Umweltrechtler von der Universität Leipzig, formuliert. Die Klausel gehe über den eigentlichen Gegenstand des Vertrages – den Folgekosten der Flutung des Cottbuser Ostsees – hinaus.
Auch der Kölner Anwalt und Experte für Umweltstrafrecht, Christian Mertens, teilt diese Einschätzung. Die Regelung bedeute, „dass der Bürgermeister nicht frei in seinen Äußerungen ist, wenn Maßnahmen der Leag einen Einfluss auf die Trinkwasserversorgung haben.“
Dass diese Klausel uneingeschränkt wirkt, hat langfristige Folgen: Künftige Bürgermeister und Vorsitzende der städtischen Wassergesellschaft Frankfurts dürfen sich ebenfalls nicht mehr zu den negativen Folgen des Leag-Bergbaus auf die Wasserqualität und -menge äußern.
„Dieser Fall wirft die Frage auf, wie internationale Konzerne mit ihrem Geschäft die Gesundheit der lokalen Bevölkerung gefährden dürfen“, sagt Christdemokrat Strößenreuther. Es sei vorhersehbar, dass die Verunreinigungen durch den Bergbau noch weiter zunehmen werden – und dies bis in Berlin zu spüren sein werde. Die Stadt Frankfurt geht allerdings in ihren Statements davon aus, dass der Bergbau auf keinen Fall Folgen für die Wasserqualität in ihrer Stadt haben werde.
Haben Sie Hinweise zu Schweigevereinbarungen zwischen Konzernen, Kommunen und Wasserverbänden? Melden Sie sich gern bei uns per E-Mail an: klima@correctiv.org.