Europa

Europa brennt: Wie steigende Temperaturen die Energieversorgung bedrohen

Immer heißere Sommer sind ein Risiko für die Gesundheit – und für die Stabilität der Energieversorgung in Europa. CORRECTIV.Europe zeigt auf einer interaktiven Karte, welche Regionen am stärksten betroffen sind.

von Lilith Grull

Hitze Klimaanlage Stromversorgung

Der Klimawandel hat eine Nebenwirkung, die angesichts von Starkregen, Überschwemmungen und Hitzewellen in vielen europäischen Ländern leicht übersehen werden kann: Der steigende Energiebedarf bringt das Netz in Europa an seine Grenzen, zeigt eine Recherche von CORRECTIV.Europe.

CORRECTIV.Europe hat Daten der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU analysiert und einen Atlas des durchschnittlichen regionalen Energiebedarfs ab 1978 in Europa erstellt. Die Daten zeigen einen deutlichen Rückgang des Heizbedarfs in ganz Europa und einen Anstieg der künstlichen Kühlung; letzteren insbesondere in südlichen Regionen. 

„Gerade in Südeuropa ist der Klimawandel wegen der grundsätzlich heißeren Temperaturen am deutlichsten spürbar“, sagt Dominic Royé, Wissenschaftler der Climate Research Foundation. Dennoch ist der Wandel auf dem gesamten Kontinent spürbar: Nach den neuesten Daten der Weltorganisation für Meteorologie und der EU-Klimaagentur Copernicus erwärmt sich Europa seit 1991 doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. „Den wachsenden Kühlbedarf gibt es in ganz Europa, und der führt zu einer höheren Nachfrage an Strom, gerade in der heißen Jahreszeit.“

Was ist der Gradtage-Index?

 

Es ist wichtig zu beachten, dass „Gradtage“ nicht dasselbe sind wie normale 24-Stunden-Tage. Der Begriff „Tag“ ist hier also etwas irreführend, aber dennoch das Fachwort.

Der von der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) erstellte Index der Heizgradtage kombiniert die Anzahl der Tage, an denen die Temperatur unter einen bestimmten Wert (15°C oder weniger) fällt, und wie kalt es ist. Den Tagen mit einer Durchschnittstemperatur von 15°C oder weniger wird ein Wert zugewiesen, der sich danach richtet, wie viele Grade die Außentemperatur unter dieser Schwelle liegt. An solchen Tagen muss geheizt werden, um ein angenehmes Raumklima zu schaffen.In ähnlicher Weise wird beim Index der Kühlgradtage ein System zur Messung der Tage verwendet, an denen der Einsatz einer Klimaanlage oder eines Ventilators erforderlich ist. In diesem Fall werden nur Tage mit einer Durchschnittstemperatur von 24ºC und mehr berücksichtigt.

Was sind Heiz- und Kühlgradtage?

Die GFS bewertet die Lufttemperaturen (ohne Berücksichtigung der Luftfeuchtigkeit) während zweier Zeiträume:

• April bis September
• Oktober bis März

Die Kühlgradtage des Index werden auf der Grundlage der Daten des ersten Zeitraums - während der wärmeren Monate - berechnet, wobei sowohl die Außen- als auch die Innentemperaturen berücksichtigt werden. Die Heizgradtage werden auf der Grundlage der Daten des zweiten Zeitraums - während der kälteren Monate - berechnet, wobei sowohl Außen- als auch Innentemperaturen berücksichtigt werden.

Die GFS registriert dann die durchschnittlichen Tagestemperaturen während der ausgewählten Monate.

Das bedeutet, dass sie nicht mit den täglichen Spitzentemperaturen arbeiten, sondern mit dem Durchschnitt für den ganzen Tag. So kann die Temperatur beispielsweise am Nachmittag auf einen Höchstwert von 36 Grad ansteigen, bevor sie in der Nacht auf ein viel entspannteres Niveau fällt, was zu einer Durchschnittstemperatur von nur 26 Grad für den ganzen Tag führt. Das Gleiche gilt für den Winter: Nachts kann es einen Höchstwert von -23 Grad geben, aber der Tagesdurchschnitt könnte immer noch bei -8 Grad liegen.

Für Heiz- und Kühlgradtage registriert die GFS daher nur die mittlere Temperatur und nur an Tagen, an denen die mittlere Temperatur über oder unter dem Schwellenwert liegt (24ºC oder mehr für Kühlgradtage, 15ºC oder weniger für Heizgradtage).

Abhängig von den Durchschnittstemperaturen wird ein Wert abgeleitet, der die Anzahl der Heiz- und Kühlgradtage darstellt

 

2024 war einer der heißesten Sommer des Jahrzehnts. Die zunehmenden Tropennächte und Temperatursprünge sind für den menschlichen Körper besonders schwer zu verkraften, was den Bedarf an Kühlung weiter erhöht und im wahrsten Sinne des Wortes spürbar macht. Gerade, wenn es mal wieder schlichtweg zu heiß war, um einkaufen zu gehen, ein acht Stunden Arbeitstag unmöglich erscheint, und der Kreislauf aus den Fugen gerät. 

Die Datenanalyse zeigt, dass sich der Bedarf an künstlicher Gebäudekühlung in Deutschland während der Hitzeperioden seit 1979 mehr als verfünffacht hat. Gleichzeitig ist der Heizbedarf stetig gesunken. Dieser Rückgang ist auf einen langfristigen Erwärmungstrend zwischen den Monaten Oktober und März zurückzuführen. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur ist die Durchschnittstemperatur in diesem Zeitraum in den letzten Jahrzehnten um mindestens 3,42 Grad gestiegen. 

Heizbedarf in Deutschland ist gesunken

Der Heizbedarf in Deutschland ist um 18 Prozent gesunken. Im Vergleich mit den anderen 30 Ländern ist es der elfthöchste Rückgang. Dabei ist zu beachten, dass es je nach Region individuelle und erhebliche Unterschiede geben kann.

Die Daten zeigen klare Trends beim Heiz- und Kühlbedarf in Europa. Letzterer könnte sich nach Angaben der britischen Royal Meteorological Society im 21. Jahrhundert sogar verdoppeln. Dieser alarmierende Trend hängt stark von der Entwicklung der Treibhausgasemissionen und der daraus resultierenden Erwärmung des Planeten ab. 

Im europäischen Vergleich sind einige Länder besonders auffällig. So sticht Zypern als das Land mit den extremsten Bedingungen in Bezug auf die Kühlgradtage hervor. Im Jahr 1980 lag der Wert bei 362, bis 2023 stieg er auf 735 an. Ähnlich bemerkenswert ist die Veränderung bei den Heizgradtagen, die um 211 abgenommen haben. Malta, das ähnliche Bedingungen aufweist, ist das einzige andere Land, das europaweit diese Werte annähernd erreicht. Die nächst größeren Anstiege sind in Italien, Spanien, Bulgarien und Griechenland zu verzeichnen.


Trotz der geografischen Nähe gibt es auffällige Unterschiede zwischen den Entwicklungen in Spanien und seinem Nachbarland Portugal. Spanien beherbergt einige der heißesten Städte Europas, und Wissenschaftler gehen davon aus, dass bestimmte Teile des Landes in den kommenden Jahrzehnten durch wüstenähnliche Bedingungen im Vergleich zu heute nur noch schwer bewohnbar werden. 

Portugal liegt an der Atlantikküste und erwärmt sich im Durchschnitt nicht so schnell wie sein Nachbarland Spanien, das vom wärmeren Wasser des Mittelmeers beeinflusst wird. „Der Mittelmeerraum ist ein Hotspot des Klimawandels. Die Meerestemperaturen wirken sich auch auf das Land aus“, sagt Royé. „Das Mittelmeer kann sozusagen mit einem warmen Badewannengang verglichen werden.

Überall in Europa stellt sich die Frage: Ist die Infrastruktur vorhanden, die nötig ist, um eine angenehme Raumtemperatur in privaten und öffentlichen Gebäuden aufrechtzuerhalten? Können Kommunen oder Haushalte sich eine künstliche Anpassung leisten? Kann das Stromnetz die Versorgung überhaupt sicherstellen? Und wenn nicht, was passiert dann?

Nach Angaben des Online-Magazins efeverde forderten diesen August Lehrer in Italien, die Ferienzeit landesweit um bis zu einen Monat zu verlängern. Grund war die noch anhaltende Hitze. In den nicht klimatisierten Klassenzimmern hätten Temperaturen um 35 Grad nicht nur die Konzentration extrem erschwert, sondern auch ein erhebliches Gesundheitsrisiko dargestellt.

Klima und Wetter sind nicht dasselbe. Aber es ist wichtig zu verstehen, dass Wetter durch Klima beeinflusst werden kann: Wenn die Temperaturen steigen, wird mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre gespeichert. Im Sommer führt dies zu weniger regelmäßigem Regen, kann aber Ereignisse wie Starkregen mit anschließenden Überschwemmungen auslösen, insbesondere nach Hitzewellen. Im Winter kann es wiederum so zu extremen Schneefällen innerhalb eines kurzen Zeitraums kommen. Auch wenn die Winter im Durchschnitt milder werden, bedeutet es nicht, dass es keine Kaltperiode mit Glatteis oder starkem Schneefall geben kann – und die damit verbundenen Herausforderungen für Mensch, Natur und Energienetz ausbleiben.

Nach Ansicht von Experten werden die Stromnetze nicht ausreichend angepasst. „Eines der Probleme, nicht nur in Kühl-, sondern auch in Heizperioden, besteht darin, dass Energiespitzen auftreten, die zu einer Überlastung des Netzes führen können“, sagt Dominic Royé. „Bei extremen Temperaturen verliert das System auf mehreren Ebenen an Effizienz und stellt das Netz vor Herausforderungen.“

Auch wenn jedes europäische Land für seine eigenen Maßnahmen verantwortlich ist, gibt es Vereinbarungen wie das Pariser Klimaabkommen und Konzepte wie den Green Deal, die für die Mitgliedstaaten in Europa verbindlich sind. Zur geplanten Klimaanpassung in der EU gehört auch der Ausbau des Stromnetzes, um die zu erwartenden Spitzen in der Nachfrage aufzufangen. 

Das europäische Energienetz ist über Ländergrenzen hinweg miteinander verwebt, das sogenannte Verbundnetz. Das bedeutet: Wird das Stromnetz in einem Land ausgebaut, kann sich das auf Nachbarländer auswirken, zum Beispiel wenn die geplante Leitung nahe an einer Grenze verläuft oder diese sogar überquert. Ebenso kann sich ein Stromausfall auf die Leitungen in den Nachbarländern auswirken. Sollte Italien ein Defizit erleiden, könnte dieses von angrenzenden Ländern gedeckt werden.

Dieses Szenario wird jedoch im Allgemeinen durch das Verbundnetz abgefedert. Beispiele dafür finden sich in den letzten Jahren in ganz Europa, insbesondere in Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, oder in Kernkraftwerken.

Der Klimawandel verschärft die Belastung des Stromnetzes in mehr als einer Hinsicht. In den letzten Jahren mussten Kernkraftwerke in Frankreich – wo zwei Drittel der Stromversorgung aus Kernenergie stammen – wiederholt ihre Produktion drosseln, weil das Kühlwasser aus den nahe gelegenen Flüssen schon im Frühsommer die Temperaturgrenze überschritt. Hier kommt das europäische Verbundnetz ins Spiel, das genügend Energie aus anderen Ländern bereitstellt, um den Ausfall zu kompensieren. 

Im schlimmsten Fall käme es zum Blackout

„Wenn wir aber den Ausfall nicht mehr kompensieren können, weil wegen Hitzewellen mehrere Kraftwerke gleichzeitig abgeschaltet werden müssen, kommt es im schlimmsten Fall zu einem Blackout“, sagt Sebastian Wende-von Berg, Leiter der Abteilung Netzbetrieb am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik. „Darauf müssen wir beim Netzausbau achten und für eine stabile Leistung und für einen widerstandsfähigere Energiequellenmix sorgen.“

Ein erheblicher Teil des europäischen Energieverbrauchs entfällt sowohl auf Heiz- als auch auf Kühlmaßnahmen; wobei der Verbrauch zum Heizen in den meisten Ländern noch dominiert. Zu den Energiequellen gehören fossile Brennstoffe, Biokraftstoffe, Elektrizität und Solarenergie. Auch wenn der Energieverbrauch für Kühlung in den meisten Ländern heute noch viel geringer ist, steigt er aufgrund sozioökonomischer und klimatischer Veränderungen deutlich an.

In Nordeuropa wird die Energie überwiegend aus erneuerbaren Quellen gewonnen. In Mittel- und Osteuropa sind die Hauptquellen fossile Brennstoffe oder Kernenergie – was diese Länder sehr viel anfälliger für eine Netzüberlastung macht, wie die EUA auch in ihrem Bericht "Anpassungsherausforderungen und -chancen für das europäische Energiesystem“ thematisiert. Insgesamt wird die meiste Wärme- und Kälteenergie in Europa immer noch aus fossilen Brennstoffen erzeugt (insgesamt 66 Prozent). 

„Für eine stabile und klimaresilientere Energieversorgung müssen wir die Erzeugung aus fossilen Brennstoffen und Kernkraftwerken so weit wie möglich reduzieren“, sagt Sebastian Wende-von Berg. Auch auf EU-Ebene wird die Ansicht vertreten, dass erneuerbare Energiequellen im europäischen Energiemix einen höheren Stellenwert einnehmen sollten. 

Einfach nur mehr Atomkraftwerke zu planen, sei keine Lösung, so Wende-von Berg. “Diese werden zwar oft als grün bezeichnet, aber wir dürfen den CO2-intensiven Bau sowie die gravierend negativen Langzeitfolgen und Kosten für den Betrieb der Anlagen nicht ignorieren. Im Vergleich zu Wind- und Solarkraftwerken liegen da Welten zwischen.“

In den meisten europäischen Ländern komme die Modernisierung der Netze wegen langwieriger Genehmigungsverfahren sowie Material- und Personalmangel nicht schnell genug voran, so Wende-von Berg. Er fordert die Digitalisierung der Netze und den Ausbau der Infrastruktur, damit mehr Energie transportiert werden kann. Sein Fazit: „Das europäische Energienetz wirkt wie ein Flaschenhals, der uns daran hindert, den Strom zu liefern, der in allen Haushalten gebraucht wird.“

In dicht besiedelten Gebieten, so Wende-von Berg, sind die Netze noch schneller überlastet, da es dort weniger Energiequellen pro Einwohner gibt. Außerdem würden in den Haushalten zwar verschiedene Energiequellen genutzt, um im Winter eine angenehme Temperatur aufrechtzuerhalten, aber die meisten Klimaanlagen ausschließlich mit Strom betrieben. 

Dementsprechend wäre es tatsächlich problematisch, wenn die meisten Haushalte in Großstädten wie Madrid, Berlin oder Budapest – die besonders von Hitzewellen betroffen sind und zu und Hitzeinseln werden können – mit mobilen Klimaanlagen ausgestattet wären. 

„Wenn im Hochsommer alle Beteiligten nach der Arbeit kochen, den Fernseher einschalten, die Waschmaschine anwerfen – und möglicherweise sogar ihre E-Auto-Batterie aufladen – und dabei noch eine Weile die Klimaanlage laufen lassen, um trotz Tropennacht gut schlafen zu können, übersteigt das die Kapazität eines durchschnittlichen Wohnhauses“, sagtWende-von Berg. „Das Energienetz in Europa ist immer noch darauf ausgerichtet, wie wir vor 30, 40 Jahren gelebt haben. Die flächendeckende Einführung von Klimaanlagen würde die Netze an oder sogar über ihre Grenzen bringen.“ 

In einigen Regionen besteht jedoch bereits ein deutlich größerer Bedarf an flächendeckender elektrischer Kühlung, vor allem wenn man auf körperlich beeinträchtigte und ältere Bevölkerungsgruppen schaut. Ein Beispiel dafür findet sich in Spanien: Das Magazin elPlural und radioMadrid berichten von mehreren Fällen in Altenheimen, in denen Temperaturen die 31-Grad-Grenze diesen Sommer überstiegen. Die älteren Bewohner und das Personal haben in der Regel keine Möglichkeit, der Hitze zu entkommen, da eine intakte Kühlinfrastruktur fehlt. Die maximale Temperatur, 34 Grad, wurde in einem Speisesaal gemessen. 

Offizielle Behörden besuchen die Einrichtungen einmal im Jahr, um die Betriebsbedingungen zu beurteilen. Im Jahr 2023 wurde fast jede fünfte Einrichtung in der Region Madrid in diesem Zusammenhang von staatlichen Inspektoren mit einem Bußgeld belegt – fast viermal so viele wie im Jahr 2020. Am Ende auf Kosten einer der gefährdetsten Personengruppen.

Hitze ist für alle Altersgruppen gefährlich

Es dürfe niemanden überraschen, dass Menschen, die im Freien oder in besonders heißen Umgebungen wie Industriehallen arbeiten, bei Hitzewellen besonders gefährdet sind. Doch was die Krankheits- und Todesfälle angehe, sind vor allem ältere Menschen betroffen, sagt Veronika Huber, Wissenschaftlerin an der Biologischen Station Doñana in Sevilla. Allerdings: „Man sollte nicht vergessen, dass Hitze – im Gegensatz zu Kälte, in jedem Alter ein Risiko darstellt.“

Huber betont, dass die Fähigkeit mit extremen Temperaturen umzugehen, auch vom sozioökonomischen Status abhängt. Sie zitiert eine Studie, die zeigt, dass das Einkommensniveau eine wichtige Rolle spielt; u.a. kann sich in Madrid nicht jeder eine Heizung oder Kühlung leisten, insbesondere in ärmeren Vierteln. „Dieser fehlende Zugang führt zu einer Reihe von gesundheitlichen Folgen, einschließlich eines eindeutigen Anstiegs der vorzeitigen Todesfälle während Hitzephasen.“

Der Trend für künftige Sommer in der Region Madrid ist eindeutig: Für die letzten drei Jahrzehnte berechnete der Kühlgradtag-Index einen Anstieg von 109 Prozent für den Bedarf an künstlicher Kühlung.

Das Thema spielt daher auch auf bundesweiter und lokaler Ebene eine Rolle. Im Jahr 2023 haben Journalisten von CORRECTIV, BR Data, NDR Data und WDR Quarks eine Umfrage zur Klimafolgenanpassung an 400 Kreise und kreisfreie Städte in Deutschland durchgeführt. Über 80 Prozent haben geantwortet. Eines der Ergebnisse war, dass nur ein Viertel der Kreise und kreisfreien Städte zum damaligen Zeitpunkt über ein Klimaanpassungskonzept verfügte – obwohl viel mehr ein solches Konzept brauchen.

„Deutschland hat das Ziel, bis Ende 2025 ein Anpassungskonzept zu entwickeln“, sagt Jonas Gerke, bei der Deutschen Allianz Klimaschutz und Gesundheit zuständig für Hitzeschutz und Klimaanpassung in Kommunen. „Manche Gemeinden legen lediglich Flyer aus. Sowohl die Bürger als auch die Behörden scheinen die Situation oftmals nicht ernst zu nehmen.“

„Das Problem ist, dass viele Kommunen und Landkreise in Deutschland nicht über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen verfügen“, sagt Gerke. Angesichts zahlreicher Krisen in den letzten Jahren sei die Bedrohung durch extreme Temperaturen immer wieder in den Hintergrund gedrängt worden. „In Deutschland sind die Kommunen für die Bewältigung von Problemen aller Art schlecht gerüstet. Das ist übrigens kein Einzelfall in Europa.“

Das spanische Andalusien reagiert auf die anhaltend heißen Temperaturen mit einem individuellen Ansatz: Laut dem Online-Magazin sur gibt es in Andalusien mehr als 3.000 Grund- und weiterführende Schulen. Das Ministerium für Bildungsentwicklung und Berufsbildung hat 140 Millionen Euro in ein nachhaltiges Kühlungssystem von 454 Schulen investiert. Darüber hinaus können die Einrichtungen die Unterrichtszeiten lockern, so dass Schulen, Personal und Schüler angemessen auf extreme Temperaturen reagieren können. Unsere Untersuchung zeigt, dass der Bedarf an künstlicher Kühlung seit den 1980er Jahren um 70 Prozent gestiegen ist. 

„Wären unsere Häuser und Gemeinden so gebaut, dass nicht so viel geheizt und gekühlt werden müsste, wäre die Situation eine andere“, sagt Royé. Seiner Meinung nach handelt es sich auch um ein sozioökonomisches Problem, das die soziale Spaltung vorantreibt. „Eine der besten Möglichkeiten, den Klimawandel und seine Auswirkungen zu bekämpfen, besteht darin, die soziale Ungleichheit zu bekämpfen – sicherlich zusätzlich zu einer ständigen Überarbeitung des Energienetzes.“

Text und Recherche: Lilith Grull
Daten und Visualisierung: Luc Martinon
Bildredaktion: Ivo Mayr
Infografik: Laila Shahin
Redaktion: Olaya Argüeso Pérez, Frida Thurm
Faktencheck: Frida Thurm
Kommunikation: Esther Ecke, Valentin Zick

CORRECTIV.Europe besteht nicht nur aus einem Kernteam, sondern auch aus einem Netzwerk lokaler Medienschaffender, die zusammenarbeiten, um datenbasierte Recherchen in ganz Europa durchzuführen. 

Die Mitglieder des Netzes haben auch zu dem Wärme- und Kältebedarf auf lokaler Ebene in mehreren europäischen Ländern recherchiert. Die lokalen Berichte werden auf der Seite von CORRECTIV.Europe verfügbar sein. 

 

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