Missbrauch in der katholischen Kirche

Missbrauchsklage: Erzbistum München verzichtet nicht auf die Einrede der Verjährung

Das Erzbistum München und Freising will im Missbrauchsverfahren vor dem Landgericht Traunstein nicht „auf die Einrede der Verjährung“ verzichten. Das Landgericht hat zudem die Aussetzung des Verfahrens beschlossen. Die Anwaltskanzlei des verstorbenen Ex-Papstes will die Frage des Rechtsnachfolgers „kurzfristig“ klären und die mündliche Verhandlung im März wahrnehmen.

von Marcus Bensmann

Münchner Missbrauchsgutachten - Pressekonferenz Marx
Kardinal Reinhard Marx gibt am Dienstag in München eine Pressekonferenz zu den Folgen des Missbrauchsgutachtens vor einem Jahr. Foto: Sven Hoppe/picture alliance /dpa

Das Erzbistum München und Freising will nicht auf „die Einrede der Verjährung“ im Missbrauchsverfahren vor dem Landgericht Traunstein verzichten. Damit versucht das Erzbistum, die Klage eines Missbrauchsopfers abzuwenden. Die Anwaltskanzlei des Erzbistums werde in dem Feststellungsverfahren „keinen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären“ heißt es in einem Schreiben der Kanzlei des Erzbistums an den Anwalt des Klägers, das CORRECTIV und dem Bayerischen Rundfunk (BR) vorliegt. 

Nach der Veröffentlichung warf die Erzdiözese München und Freising in einer Pressemitteilung CORRECTIV und BR eine „unzutreffende Berichterstattung“ vor. Der Vorwurf: In den Artikeln sei aus der Korrespondenz der Rechtsanwälte im Dezember 2022 ein Zitat „aus dem Zusammenhang gerissen und unvollständig“. Das Erzbistum schreibt zudem, dass das Schreiben der Rechtsanwälte der Erzdiözese „eine Entscheidung der Erzdiözese über die Einrede der Verjährung in dem konkreten Fall“ nicht enthalte.

Anbei zitieren wir den vollständigen Briefwechsel zwischen dem Anwalt des Klägers und den Anwälten der Erzdiözese, den CORRECTIV und BR einsehen konnten.

Am 07.12.2022 schreibt der Rechtsanwalt des Klägers der Anwaltskanzlei des Erzbistums in Bezug auf das laufende Zivilverfahren vor dem Landgericht Traunstein:

„In vorbezeichneter Angelegenheit wird anlassbezogen angefragt, ob an der außergerichtlichen Einigung Interesse besteht, insbesondere ob insoweit auf die Einrede der Verjährung für den Fall einer streitigen Verhandlung verzichtet wird.

Ich gehe davon aus, dass Ihnen die derzeitige Diskussion im Lichte des Rechtsstreits Menne gegen das Erzbistum Köln bekannt ist.“

Auf dieses Schreiben antworteten am 21.12.2022 die Anwälte des Erzbistums:

„Wir kommen zurück auf Ihr Schreiben vom 07.12.2022. Auf der Grundlage Ihres Schreiben wird unsere Mandantin keinen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären. Auf Ihre Vorkorrespondenz mit unserer Mandantin nehmen wir Bezug. Die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung werden wir prüfen. Rein vorsorglich weisen wir darauf hin, dass es Ihrem Mandanten aber selbstverständlich freisteht, Leistungen bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen zu beantragen.“

Die Briefe zeigen, dass das Zitat von CORRECTIV und BR nicht aus dem Zusammenhang gerissen ist. Die Frage zur Einrede der Verjährung bezieht sich konkret auf den „Fall einer streitigen Verhandlung“ beim Landgericht Traunstein. In dem Brief der Rechtsanwälte der Erzdiözese wird die Position der Erzdiözese zur Einrede der Verjährung klar benannt. Gegenüber dem Gericht hat sich das Erzbistum bisher nicht geäußert.

„Die Fragestellung im Schreiben des Klägeranwalts sowie die Antwort des Anwalts der Erzdiözese München und Freising war semantisch bzw. rechtlich eindeutig und lässt keinen Interpretationsspielraum zu“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schulz, der den Kläger vertritt.

Das Landgericht Traunstein setzt zudem nach CORRECTIV und dem BR vorliegenden Unterlagen das Verfahren auf Antrag der Rechtsanwaltskanzlei Hogan Lovells bis zur Nennung eines Rechtsnachfolgers des verstorbenen Ex-Papstes aus. Die Kanzlei des verstorbenen Papst emeritus sei bemüht, „die Frage der Rechtsnachfolge möglichst kurzfristig zu klären, um eine Aufnahme des Verfahrens zeitnah herbeiführen und eine gemeinsame Verhandlung ermöglichen zu können.“ Alle Prozessbeteiligten haben sich gegen eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Rechtsnachfolger des Ex-Papstes ausgesprochen und gehen davon aus, dass der vom Landgericht Traunstein vorgeschlagene Termin am 28. März wahrgenommen werden könne.

Im Juni hatte der Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz für Andreas Perr, einem Opfer des pädokriminellen Wiederholungstäters Peter H. aus der oberbayerischen Gemeinde Engelsberg/Garching an der Alz, eine Feststellungsklage eingereicht, wie CORRECTIV, BR und Zeit exklusiv berichteten. Das Erzbistum München und Freising hatte H. trotz bekannter Übergriffe und einer Verurteilung immer wieder in Gemeinden als Priester eingesetzt.  

In dem Verfahren, in dem der ehemalige Priester, das Erzbistum, der Kardinal Friedrich Wetter, aber auch der verstorbene Papst Benedikt XVI. verklagt werden, geht es auch um den künftigen Umgang mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche.

Am Dienstag, den 17. Januar, wird sich Reinhard Marx, Kardinal des Erzbistums München und Freising, in einer Pressekonferenz zu den Folgen des Missbrauchsgutachtens äußern, in dem es auch um den Fall Peter H. ging. Vor einem Jahr hatten die Gutachter den Verantwortlichen des Erzbistums München und Freising „Beihilfe zum sexuellen Missbrauch“ vorgeworfen.

Anders als das Erzbistum München verzichtete das Erzbistum Köln auf die Einrede der Verjährung

Strafrechtlich ist der Missbrauch an dem Kläger Andreas Perr verjährt. Kardinal Wetter, der ebenfalls Beklagter ist, hatte im Juni auf Anfrage von BR und CORRECTIV erklärt, keinen Antrag auf Verjährung zu stellen, was ihm möglich wäre.

Anders als das Erzbistum München und Freising  verzichtete auch das Erzbistum Köln in einem anderen Fall – einer Schadensersatzklage vor dem Landgericht Köln im Dezember 2022 – auf die Einrede der Verjährung und stellte sich dem zivilrechtlichen Verfahren, obwohl auch die dortigen Taten strafrechtlich verjährt waren. Der Richter des Landgerichts Köln, Stefan Singbartl, sagte in dem Verfahren, dass eine solche Einrede aber nicht automatisch das Ende des Verfahrens bedeutet hätte, sondern das Gericht geprüft hätte, ob die Verjährung in diesem Fall überhaupt greife. 

„Die Kenntnis von der institutionellen Verantwortung ist erst mit dem Münchner Gutachten offenkundig“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schulz, der den Kläger Perr in Traunstein vertritt. Daher greife für diesen Fall die Einrede der Verjährung nicht.

Der Rechtsanwalt des Klägers Andreas Schulz hat beim Amtsgericht Schöneberg beantragt, mitzuteilen, ob es Hinweise auf „den oder die Erbe(n)“ gebe oder falls dies nicht der Fall sei, „eine Nachlasspflegschaft“ anzuordnen. Der Schriftsatz liegt CORRECTIV und dem BR vor. Das Amtsgericht in Berlin ist zuständig, wenn ein deutscher Staatsbürger zum Todeszeitpunkt in Deutschland nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

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